Jährlich benennt eine Jury das "Unwort des Jahres". Seit 1991 haben sich einige unangemessene Formulierungen im Alltag durchgesetzt.
Stand: 25.11.2024 | 14:20 Uhr
1 | 13 2023: "Remigration" sei in rechtsextremen Gruppierungen zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden, hieß es in der Begründung.
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2 | 13 2022: "Klimaterroristen". Der Begriff sei im öffentlichen Diskurs benutzt worden, um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren, so die Jury. Sie kritisierte die Verwendung des Begriffs, weil Aktivistinnen und Aktivisten mit Terroristen "gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden". Gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands würden so in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt, rügte die Jury.
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3 | 13 2021: Mit der Verwendung des Ausdrucks "Pushback" werde "ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt, der den Menschen auf der Flucht die Möglichkeit nimmt, das Menschen- und Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen", erklärte die Jury der "Sprachkritischen Aktion" am 12. Januar 2022.
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4 | 13 2020: Rückführungspatenschaften und Corona-Diktatur I "Rückführungspatenschaften" sei ein Begriff der EU-Kommission, mit dem neue Mechanismen der Migrationspolitik bezeichnet wurden, so die Jury. Das Wort sei zynisch und beschönigend. Mit Rückführung sei nichts anderes gemeint als Abschiebung und die Patenschaft sei ein eigentlich positiv besetzter Begriff. Der Begriff der "Corona-Diktatur" sei seit Beginn des öffentlichen Diskurses in der Pandemie von selbst ernannten "Querdenkern" und rechten Propagandisten gebraucht worden, um regierungspolitische Maßnahmen zur Eindämmung zu diskreditieren, so die Jury weiter.
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5 | 13 2019: Klimahysterie | Mit dem Wort würden "Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert und Debatten diskreditiert", erklärte eine Jury aus Sprachwissenschaftlern der Technischen Universität Darmstadt am Dienstag zur Begründung. Zudem würden "wissenschaftsfeindliche Tendenzen" gestützt. Der Begriff war im vergangenen Jahr insbesondere von AfD-Politikern immer wieder in der politischen Debatte genutzt worden.
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6 | 13 2018: Anti-Abschiebe-Industrie | CSU-Politiker Alexander Dobrindt hatte den Begriff im Mai in einem Interview benutzt. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag hatte Klagen gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber als Sabotage des Rechtsstaats bezeichnet und von einer "Anti-Abschiebe-Industrie" gesprochen. Die Sprecherin der unabhängigen und sprachkritischen Jury, die Linguistik-Professorin Nina Janich, sagte, eine solche Äußerung von einem wichtigen Politiker einer Regierungspartei zeige, "wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben hat und sich damit auch die Sagbarkeitsregeln in unserer Demokratie auf bedenkliche Weise verändern."
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7 | 13 2017: Alternative Fakten | Der Begriff hat sich gegen andere Vorschläge wie "Babycaust", "Bio-Deutsche" und "Fake News" durchgesetzt. Die Jury, in der vier Sprachwissenschaftler und ein Journalist sitzen, sagt zur Begründung, die Bezeichnung sei: "... der verschleiernde und irreführende Ausdruck für den Versuch, Falschbehauptungen als legitimes Mittel der öffentlichen Auseinandersetzung salonfähig zu machen."
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8 | 13 2016: Volksverräter, der | Volksverräter ist ein Unwort im Sinne unserer Kriterien, weil es ein typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten ist. Als Vorwurf gegenüber PolitikerInnen ist das Wort in einer Weise undifferenziert und diffamierend, dass ein solcher Sprachgebrauch das ernsthafte Gespräch und damit die für Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft abwürgt. (Begründung der Jury)
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9 | 13 2015: Gutmensch, der | Als "Gutmenschen" wurden 2015 insbesondere auch diejenigen beschimpft, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder die sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen. Mit dem Vorwurf "Gutmensch", "Gutbürger" oder "Gutmenschentum" werden Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm oder weltfremdes Helfersyndrom diffamiert. (Begründung der Jury)
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10 | 13 2014: Lügenpresse, die | Das Wort "Lügenpresse" war bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff und diente auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien. Gerade die Tatsache, dass diese sprachgeschichtliche Aufladung des Ausdrucks einem Großteil derjenigen, die ihn seit dem letzten Jahr als "besorgte Bürger" skandieren und auf Transparenten tragen, nicht bewusst sein dürfte, macht ihn zu einem besonders perfiden Mittel derjenigen, die ihn gezielt einsetzen. (Begründung der Jury)
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11 | 13 2013: Sozialtourismus, der | Mit dem Ausdruck "Sozialtourismus" wurde gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa, gemacht. Das Grundwort Tourismus suggeriert in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende Reisetätigkeit. Das Bestimmungswort Sozial reduziert die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem zu profitieren. Dies diskriminiert Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu. (Begründung der Jury)
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12 | 13 2012: Opfer-Abo | Im Herbst 2012 sprach Jörg Kachelmann in mehreren Interviews (zum Beispiel im "Spiegel" vom 8.10.2012) davon, dass Frauen in unserer Gesellschaft ein Opfer-Abo hätten. Mit ihm könnten sie ihre Interessen in Form von Falschbeschuldigungen - unter anderem der Vergewaltigung - gegenüber Männern durchsetzen. Das Wort Opfer-Abo stellt in diesem Zusammenhang Frauen pauschal und in inakzeptabler Weise unter den Verdacht, sexuelle Gewalt zu erfinden und somit selbst Täterinnen zu sein. (Begründung der Jury)
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13 | 13 2011: Döner-Morde, die | Im Jahre 2011 ist der rassistische Tenor des Ausdrucks in vollem Umfang deutlich geworden: Mit der sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung einer rechts-terroristischen Mordserie werden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und die Opfer selbst in höchstem Maße diskriminiert, indem sie aufgrund ihrer Herkunft auf ein Imbissgericht reduziert werden. (Begründung der Jury)
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