Andreas Dresen: Sein neuer Film handelt vom Widerstand in der NS-Zeit
Andreas Dresen hat vier Jahre an seinem Film über die NS-Widerstandskämpfer Hans und Hilde Coppi gearbeitet. Beide wollen etwas gegen das Nazi-Regime tun. Dresen zeigt die Menschen, die hinter ihren Ideen stehen.
Hilde ist Hilde Coppi, eine Frau, die kompromisslos zusammen mit ihrem Mann Hans im Widerstand kämpft. Beide beteiligten sich an der Zettelklebeaktion gegen die antisowjetische Propaganda-Ausstellung "Das Sowjet-Paradies". Hilde und Hans werden verhaftet, Hans wird 1942 hingerichtet, Hilde, inzwischen schwanger, sollte ihr Kind noch entbinden. Am 5. August wird sie in Berlin-Plötzensee durch das Fallbeil enthauptet.
Der Regisseur Andreas Dresen hat diese bewegende Geschichte mit der Drehbuchautorin Laila Stieler verfilmt. In "In Liebe, Eure Hilde" spielt Liv Lisa Fries die Figur der Hilde, Johannes Hegemann (Thalia Theater Hamburg) ist als Hans Coppi zu sehen. Über die Geschichte, über die Widerstandskämpfer Hilde und Hans Coppi spricht Andreas Dresen mit Katja Weise in NDR Kultur à la carte.
Hilde war wie ihr Mann Hans Coppi Mitglied in diesem Widerstandsnetzwerk "Rote Kapelle". Die "Rote Kapelle" gab es als solches gar nicht, das war die Gestapo, die diesen Begriff geprägt hat. Sie sind von dem Drehbuch von Laila Stieler ausgegangen, mit der Sie sehr viel zusammenarbeiten. Wie würden Sie Hilde Coppi beschreiben?
Andreas Dresen: Sie ist eine ganz untypische Widerstandskämpferin. Sie selber hätte sich wahrscheinlich niemals so bezeichnet. Hilde ist ein sehr stiller, fast schüchterner Charakter. Man stellt sich bei Widerstandskämpfern immer Leute vor, die gerade das kommunistische Manifest gelesen haben und mit erhobener Faust auf die Barrikaden ziehen. So ein Mensch ist sie nicht. Sie war eher ein Mensch, mit einer ganz feinen Intuition. Sie ist ihrem Herzen gefolgt und hat für sich in sehr schweren Zeiten das Richtige getan, würde ich sagen.
Das war auch etwas, was mich von Anfang an interessiert und berührt hat. In der DDR bin ich mit einem Widerstandskämpferbild groß geworden, bei dem sie eine Art Superhelden waren. Man kommt sich angesichts dieses Mutes so klein vor und denkt, das würde ich mich nie trauen, was die gemacht haben. Auf den ersten und auch auf den zweiten Blick waren das ganz normale junge Menschen. Es gibt Fotos von Hilde und Hans, da sitzen sie an einem See, auf einem Segelboot oder auf einem Motorrad. Das ist sehr rührend zu sehen, weil man plötzlich begreift, die sind nicht weit von uns weg, die wollten eine Familie gründen. Hilde hat im Gefängnis ein Baby bekommen. Die beiden hatten Träume von ihrem Leben und waren nicht ununterbrochen damit beschäftigt, Widerstandskampf zu machen. Das haben sie getan, weil sie das Gefühl hatten, dass die Gesellschaft, in der sie leben, viele Schrecklichkeiten in sich birgt. Sie haben sich verpflichtet gefühlt, etwas zu unternehmen. Aber es ist nicht aus einem strengen pädagogischen Untersatz gekommen, wo man sagt, ich muss das jetzt tun.
Sie erzählen die Geschichte als große Liebesgeschichte. Ein Film, der ungeheuer tragisch ist, vor allem am Ende, weil man von Anfang an weiß, dass Hilde und Hans nicht überleben werden. Sie werden hingerichtet. Trotzdem hat der Film eine Leichtigkeit und Freude: Sommer in Berlin, baden, jung sein. Das alles in einem Setting, wo man nicht sofort denkt, dass das in der Nazizeit spielt. Warum war Ihnen das auch ein wichtiges Anliegen, dass man das zeitlich verorten kann, aber nicht sofort in diese Klischees rutscht?
Dresen: Um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, dass man diesen Menschen wirklich nahekommt, und zwar ganz bewusst den Menschen auf beiden Seiten der Barrikade, sowohl den Widerstandskämpfern, als auch den Leuten, die für das Nazi-Regime gearbeitet haben. Letztendlich haben wir versucht zu vermeiden, in die üblichen Stereotypen zu verfallen, dass die Nazis nur grölende Gestapo Horden sind und die Widerstandskämpfer nur strahlende Superhelden. Man trifft sich irgendwo an einem bestimmten Punkt. Der Schritt von einer Seite auf die andere, der kann unter Umständen ein ganz kleiner sein, wo man sich entscheidet und vielleicht im Leben die falsche Ausfahrt nimmt.
Letztendlich wird eine Diktatur wie die Nazi-Diktatur nicht nur von den Schreihälsen getragen, sondern überwiegend von der Masse, die nur aus unterschiedlichen Gründen nichts sagt, weil sie Angst haben oder ihre Familie schützen wollen. Ich glaube, Diktaturen stehen auf den Schultern der breiten Masse von Opportunisten. In dem man anfängt, mit Figuren, die unter so schwierigen Verhältnissen gelebt haben, zu vergleichen, kann man vielleicht etwas für die eigene Gegenwart lernen. Wo fängt vielleicht mein Opportunismus an, wenn ich einfach nur mal nicht meine Meinung sage, weil ich Nachteile befürchte. Damit beginnt die eigene Lebenslüge. Deswegen sind Leute wie Hilde und Hans so bemerkenswert, finde ich, weil die auch bei kleinen Dingen tapfere Entscheidungen getroffen haben.
Das Gespräch führte Katja Weise.