Abschied vom früheren Thalia-Intendanten Jürgen Flimm
Jürgen Flimm machte mit Leib und Seele Theater. Das Hamburger Thalia Theater wurde unter seiner Leitung zu einem der beliebtesten des Landes. Nun ist Flimm tot. Die Beisetzung fand am Sonnabend in Hamelwörden statt.
Der Regisseur starb am 4. Februar im Alter von 81 Jahren in Hamelwörden nordwestlich von Hamburg, wie die Berliner Staatsoper Unter den Linden mitteilte. Jürgen Flimm war einer der maßgeblichen Regisseure im deutschen Sprachraum. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) würdigte ihn. "Ob Theater, Oper, TV oder Kino - Jürgen Flimm hat die Bühnen als Regisseur und Intendant erneuert und geprägt", twitterte Scholz. "Sein großes Herz, seine Zuversicht und sein feiner Humor werden nun fehlen."
Kulturstaatsministerin Roth: "Großer Verlust für die Theater- und Opernwelt"
Kulturstaatsministerin Claudia Roth sprach von "ansteckender Begeisterung" Flimms. Der Tod sei "ein großer Verlust für die Theater- und Opernwelt nicht nur im deutschsprachigen Raum", sagte die Grünen-Politikerin nach Angaben vom Sonntag. "Sein Mut zum kreativ Neuen machten ihn über fünf Jahrzehnte zu einem unserer wichtigsten Botschafter der Opern- und Theaterkunst." Unter seiner Regie seien viele wunderbare Inszenierungen entstanden, die von Publikum und Kritik im In- und Ausland gefeiert worden seien.
Hamburgs Kultursenator: Flimm war eine Theaterlegende
Auch die Hamburger Kultur trauert. Der Intendant des Hamburger Thalia Theaters, Joachim Lux, würdigte seinen Vorgänger als leidenschaftlichen Theatermenschen. "Jürgen Flimm war einer der herausragenden Intendanten der Republik, kunstsinnig, schlitzohrig und publikumsverliebt", sagte Lux auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. "Maach et joot!", schrieb Lux weiter in seinem Nachruf.
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) bezeichnete Flimm als Theaterlegende. "Nicht nur das Thalia Theater hat Jürgen Flimm geprägt. Auch als Präsident des Bühnenvereins und auf vielen Bühnen hat er mit unbändiger Kreativität und hinreißender Erzählfreude bedeutende künstlerische Spuren hinterlassen. Er wird fehlen!", twitterte der Politiker am Sonnabend.
Trauer in Nordrhein-Westfalen und Berlin
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst würdigte Flimm als "außergewöhnlichen Meister seines Fachs". Mit seinem Wirken habe er die Theaterszene in Deutschland und Europa jahrzehntelang nachhaltig geprägt, schrieb der CDU-Politiker auf Twitter.
Die Nachfolgerin Flimms als Intendantin der Ruhrtriennale 2021 bis 2023, Barbara Frey, sagte: "Jürgen Flimm besaß eine große Liebe zu den Künsten. Für mich stand er für so vieles, vor allem für das ganz große Schauspieler*innentheater." Berlins Kultursenator Klaus Lederer schrieb auf Twitter: "Obwohl in der ganzen Welt künstlerisch zuhause und beruflich mit vielen deutschen Bühnen verbunden, strahlte er immer das offene und humorvolle Naturell seiner rheinischen Heimat aus. Gerade sein Humor und seine Offenheit machten Jürgen Flimm in meinen ersten Jahren als Senator zu einem engen Berater und guten Freund."
Schwarze Fahne am Festspielhaus Salzburg
Die Festspiele Salzburg, die Flimm 2006 bis 2010 leitete, bezeichneten ihn als einen der maßgeblichsten und erfolgreichsten Regisseure und Theaterleiter. "Als Opern- und Theaterregisseur feierte er Triumphe bei Publikum und Kritik", schrieb Intendant Markus Hinterhäuser. Als Schauspielchef setzte er Akzente mit konsequenter Nachwuchsförderung, als Intendant mit einem fein gesponnenen thematischen Gesamtkonzept. Als "Zeichen der Trauer und der Dankbarkeit" wehte eine schwarze Fahne am Festspielhaus.
Im Jahr 1968 begann seine Regiekarriere
Der Sohn einer protestantischen Ärztefamilie studierte in Köln Theaterwissenschaft, Germanistik und Soziologie. Seine Regiekarriere startete er 1968 als Assistent bei Fritz Kortner und Claus Peymann an den Münchner Kammerspielen. Seine ersten Jahre beschrieb er als hart, sein Gehalt habe kaum gereicht, um seine Familie mit fünf Kindern durchzubringen.
Flimm prägte das Hamburger Thalia Theater
Von 1985 bis ins Jahr 2000 war Flimm Intendant des Hamburger Thalia Theaters. Mit einem jungen Ensemble und spektakulären Spielplänen machte er es zu einem der bestbesuchten Häuser des Landes. Von dem Spektakel Black Rider von Robert Wilson 1990 schwärmen Theaterfans noch heute. Nach 15 Jahren zog es ihn in die Oper. Mit Superstars inszenierte Flimm an den bedeutendsten Opernhäusern. In Deutschland arbeitete er an der Berliner Staatsoper und der Hamburger Staatsoper. In Bayreuth inszenierte er 2000 den sogenannten Jahrtausendring. Später wurde er Leiter der Ruhrtriennale und der Salzburger Festspiele.
Auch für Oper, Film und Fernsehen aktiv
Statt in den Ruhestand zu gehen, übernahm er 2010 die Intendanz an der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Auch international wirkte Flimm, von Mailand über London bis nach New York. Dort wurde er für seine Inszenierung von Beethovens "Fidelio" gefeiert, die die "New York Times" zur besten Oper des Jahres kürte.
Flimm war auch Regisseur bei Film- und Fernsehproduktionen. So realisierte er unter anderem zwei Folgen der in den 1970er-Jahren als TV-Kult geltenden Staffel "Ein Herz und eine Seele" mit Heinz Schubert als Ekel Alfred und Helga Feddersen in der Rolle der Else. Mitunter wirkte Flimm auch als Schauspieler. So stand er unter anderem in zwei "Tatort"-Folgen vor der Kamera.
Enthusiast bis ins hohe Alter
In Berlin traf er sich manchmal mit Otto Rehhagel, ihn kannte Flimm aus Hamburger Zeiten. An dem Fußballtrainer bewunderte er Nervenstärke und Menschenkenntnis: "Der hat als Trainer jede Woche Premiere."
Flimm war ein Enthusiast - bis ins hohe Alter. Zuletzt lebte er auf dem Land bei Cuxhaven.