Drama "Rabia - Der verlorene Traum": Gebärmaschinen für den IS
Was bringt junge Frauen aus westlichen Demokratien dazu, freiwillig nach Syrien zu reisen und wildfremde IS-Kämpfer zu heiraten? Dieser Frage geht Regisseurin Mareike Engelhardt in ihrem Film nach.
Tatsächlich haben Jessica und Laïla romantische Vorstellungen von dem, was sie erwartet. Mit Blumen- und Herzchen-Grüßen vom gut aussehenden Dschihadisten wurden sie über Social Media angelockt.
"Ach, Bruder Akram - wie gut er aussieht"
"Mann, der ist ja super sexy!"
Filmszene
Kichernd ins Verderben
Zu Hause in Frankreich lassen sie nicht viel zurück: Jessica den verhassten Job in der Altenpflege und den zur Last fallenden Vater. In Syrien erhofft sie sich ein glückliches neues Leben - an der Seite ihrer Freundin Laïla. Denn sie sind beide als Ehefrauen für den Kämpfer Akram vorgesehen und treten gemeinsam die Flugreise an.
Kichernd wie Backfische laufen die zwei direkt in ihr Verderben. Aus dem pulsierenden Pariser Alltag in die hermetisch abgeriegelte Welt einer syrischen "Madafa" - so hießen die Häuser, in denen der Frauen-Nachschub für den IS klargemacht wurde. Eine Mischung aus Mädchen-Pensionat und Bordell.
Pässe und Smartphones werden gleich einkassiert, islamische Gewänder und halale Reizwäsche verteilt. Das strenge Regiment in der Madafa führt "Madame", für die es ein reales Vorbild gibt: die berüchtigte "Umm Adam", die in Raqqa am organisierten Mädchen-Handel ordentlich verdiente. Von den Neuankömmlingen aus dem Westen erwartet sie unbedingten Gehorsam.
Von "Sklavin des Systems" zur Sklavin des IS
Die deutsche Regisseurin Mareike Engelhardt hat jahrelang Interviews mit französischen Syrien-Heimkehrerinnen geführt und ihrem Drehbuch zugrunde gelegt. Deren Motive waren meist nicht religiöse oder politische, sondern psychologische: Lebensfrust, Sehnsucht nach Selbstwertgefühl und Sinnhaftigkeit. Im Film nutzt die Haus-Mutter ihr psychologisches Gespür dann auch, um die Mädchen noch besser manipulieren zu können. Bei Jessica, die den islamischen Namen "Rabia" bekommt, ahnt sie das widerspenstige Naturell, das es zu domestizieren gilt.
"Ich will wissen, warum Du hier bist."
"Weil ich frei sein will."
"Der WAHRE Grund!"
"Der wahre Grund? Ich wollte weg, weil zu Hause bin ich niemand. Ich will respektiert werden, keine Sklavin des Systems sein."
Filmszene
In Syrien aber wird Jessica zur "Sklavin" des IS. Denn letztlich ist die Madafa ein Gefängnis, aus dem es nur einen Ausweg gibt: die Verheiratung mit einem Kämpfer. Doch der für sie vorgesehene Bräutigam stirbt im Kampf, und nur Laïla findet schnell einen neuen.
"Rabia - Der verlorene Traum": Erschütterndes Drama
Wer sich widersetzt oder, wie Jessica, gegen sexuelle Nötigung wehrt, bleibt als niedere Putzmagd in der Madafa, wird geschlagen und brutal misshandelt - von Frauen übrigens! Denn dass sie sich genauso schuldig machen können wie Männer, ist der Regisseurin wichtig zu betonen. Ihr Film sei keiner über den Islam oder den Dschihad, sagt Mareike Engelhardt, sondern über die Frage, wie Menschen sich radikalisieren; in diesem Fall zu willigen Gebärmaschinen für ein terroristisches System werden.
"Indem Ihr dem Kalifat Kinder schenkt, werdet Ihr dieses Heilige Land zum Blühen bringen", verkündet Madame, die ein wahrhaft pervertiertes Wertesystem vertritt. Die Charakterwandlung von Jessica hin zu ihrer rechten Hand und Mittäterin passiert zwar etwas plötzlich im Film, aber "Rabia - Der verlorene Traum" gewährt dennoch einen glaubhaften Einblick in diese bisher verborgene Welt. Ein eindrucksvolles und erschütterndes Drama.
Rabia - Der verlorene Traum
- Genre:
- Drama, Thriller
- Produktionsjahr:
- 2024
- Produktionsland:
- Frankreich, Belgien, Deutschland
- Zusatzinfo:
- Mit Megan Northam, Lubna Azabal, Natacha Krief und anderen
- Regie:
- Mareike Engelhardt
- Länge:
- 94 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahren
- Kinostart:
- 23. Januar 2024