Stand: 17.03.2019 12:00 Uhr

Zeitreise: Das Unglück am Schwanenstein vor Rügen

von Birgit Keller, NDR Nordmagazin

Der Findling Schwanenstein © NDR Foto: NDR
Der Schwanenstein vor Lohme: Im Winter 1956 spielten sich auf dem Felsen dramatische Szenen ab.

Wer heute auf Rügen auf dem Uferweg von Lohme aus zum Kreidefelsen wandert, kann ihn gar nicht verfehlen. Der Schwanenstein ragt nur wenige Meter vom Ufer entfernt aus der Ostsee. Am 13. Februar 1956 sollte dieser Stein drei Jungen aus dem Kinderheim in Lohme zum Verhängnis werden.

Das Kinderheim gleich oben am Hang

In dem Kinderheim gleich oberhalb der Steilküste waren zu dieser Zeit etwa 110 Mädchen und Jungen untergebracht. Viele waren Vollwaisen oder hatten keine Familienangehörigen, bei denen sie bleiben konnten. So wie Manfred Prewitz aus Strausberg bei Berlin, der nur noch den Vater hatte, Uwe Wassilowsky, der so sehr hoffte, dass seine Mutter ihn und die beiden Schwestern nach Hamburg nachholen würde und Helmut Petersen aus Warnemünde, der nach dem Tod der Mutter mit seiner Schwester Jutta in das Heim nach Lohme kam. 

13. Februar 1956: Insel ist seit Tagen eingeschneit

Am 13. Februar 1956 war die Insel Rügen schon seit Tagen eingeschneit, auf der Ostsee bildeten sich Schaum- und Treibeis, am Ufer hatte das Meer Eisdünen aufgeschichtet. Die Jungs aus dem Kinderheim wollten trotz der Kälte hinunter ans Ufer. Der Schwanenstein, mit einer dicken Schnee- und Eisschicht bedeckt, ragte empor. Eine Eisbrücke hatte sich gebildet. Die drei Jungen liefen hinüber.

Sturm kommt auf

Die Jungen bemerkten beim Spiel auf dem Eis offenbar nicht, dass der Wind zunahm. Sturm kam auf, es schneite heftig. Die See polterte gegen die Eisdünen und plötzlich brach die Eisbrücke weg. Der Weg zum Ufer zurück war abgeschnitten.

Der verzweifelte Kampf um das Leben der Kinder

Februar 1956: Der Schwanenstein vor Rügen mit Schnee und Eis bedeckt © Heinz Müller, Chronist Lohme Foto: Heinz Müller, Chronist Lohme
So ähnlich hat der Schwanenstein 1956 ausgesehen. Durch den kalten Winter auf Rügen ist der Felsen mit Eis und Schnee überzogen.

Andere Heimkinder am Ufer informierten das Kinderheim. Die Fischer im Dorf wurden zusammengerufen, Leitern, Stangen herbeigeschafft. Ein Schlauchboot sollte zur Rettung dienen. Doch es stürmte und in den Wellen trieben Eisplatten. Noch ehe das Schlauchboot an den Stein gelangen konnte, wurde es gänzlich mit Eis überschüttet. "Beeilt Euch!" riefen die Kinder vom Stein, so erinnert sich ein Zeitzeuge.

"Rettet wenigstens den Kleinen!“

Die Grenzbrigade Küste wurde alarmiert. Sowjetische Soldaten, stationiert in Ranzow, waren vor Ort. Einige der Männer seilten sich an, um schwimmend zu den Kindern auf dem Stein zu gelangen. "Holt den Kleinen! Rettet wenigstens den Kleinen!“, riefen die Anwesenden am Ufer. Aber auch dieser Rettungsversuch scheiterte. Ein Hubschrauber aus Berlin konnte wegen des Sturms nicht aufsteigen. Ein Kutter vom Fischkombinat in Sassnitz musste auf See umkehren - durch das Eis am Bug war das Schiff kopflastig geworden. Und mittlerweile war es dunkel geworden.

Von den Kindern auf dem Schwanenstein war schon lange kein Laut mehr zu hören. Den Rettern am Ufer war klar, dass die drei Jungen längst erfroren waren. Stillschweigend ging ein jeder nach Hause.

Der nächste Morgen

Am nächsten Morgen war die See ruhig, zum Schwanenstein hin hatte sich wieder eine Eisschicht gebildet. Und so gingen die Männer mit Axt und Spitzhacke ran, um die Kinder aus dem Eis vom Schwanenstein zu bergen.

Heute erinnert eine Tafel am Uferweg Lohme nahe des Schwanensteins an das Unglück im Jahre 1956. Auf dem Friedhof in Nipmerow gibt es auf Initiative des Kinderheims Lohme seit 1995 einen Grabstein für die drei Jungen im Eis. Uwe Wassilowsky wurde 14, Manfred Prewitz 13 und Helmut Petersen gerade einmal 10 Jahre alt.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 17.03.2019 | 19:30 Uhr

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