Neuer Elbtunnel inspiriert Mike Krüger zu "Bodo mit dem Bagger"
Am Bau des Neuen Elbtunnels sind von 1968 bis 1974 Hunderte Arbeiter beteiligt. Einer von ihnen: der Entertainer Mike Krüger. Er erlernt damals den Beruf des Betonbauers. Dabei hat er die Idee zu einem Hit.
Michael Friedrich Wilhelm Krüger ist einer von Hunderten Arbeitern, die Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre das imposante Bauwerk unter der Elbe in Hamburg errichten. Krügers Berufswunsch: Architekt. Dafür sind praktische Erfahrungen auf jeden Fall hilfreich. "Und da habe ich dann gedacht: 'Okay, dann mache ich jetzt mal zwei Jahre Betonbauer'", erzählt Krüger, den alle natürlich nur Mike nennen, dem NDR. Er ist damals weit entfernt von einer Karriere als Entertainer.
Seine Lehrzeit verbringt er zusammen mit Jens-Olaf Nuckel, der damals wie Krüger in Quickborn, einer Kleinstadt im Norden von Hamburg, bei seinen Eltern wohnt. Während der Schulzeit haben beide nicht viel miteinander zu tun gehabt. Das ändert sich dann aber. Denn ihr berufliches Ziel ist dasselbe. Nuckel berichtet: "Ich habe mit Begeisterung mit sechs Jahren schon angefangen, Häuser zu zeichnen und das war so die Entscheidung."
Freunde fürs Leben geworden
Und wie haben sich die beiden dann richtig kennengelernt? Nuckel sagt, dass er früher jemanden gekannt habe, "der hatte eine Velo Solex. Das ist so ein Fahrrad mit so einem Hilfsmotor vorne drauf. Und dieser Typ, der fuhr da immer rum. Und ich habe den immer wieder mit feuchten Augen angeguckt." So ein Ding habe er auch gern haben wollen. Als die Ausbildung beginnt, "wen treffe ich da? Das war der Typ mit der Velo Solex. Das war mein Mike Krüger." Seit damals sind sie Freunde fürs Leben.
Kürzere Lehrzeit bringt Herausforderungen mit sich
Das Architekturstudium im Hinterkopf "wollten wir auch statt nach drei Jahren nach zwei Jahren auslernen", erklärt Mike Krüger. Das habe Folgen auf den Baustellen gehabt, denn die Poliere hätten sie nicht geschont. Nach dem Motto: "Wenn die glauben, sie werden nach zwei Jahren fertig, dann müssen sie uns mal zeigen, ob sie nach zwei Jahren auch so gut sind, dass sie fertig sind." Dazu bekommen Krüger und Nuckel Gelegenheit. "Dann schicken die dich natürlich auch auf Highlight-Baustellen, wie zum Beispiel den Neuen Elbtunnel."
Jens-Olaf Nuckel erinnert sich, dass es häufig darum gegangen sei, Eisen zu verlegen und zu binden. Die Eisenstäbe für den Beton müssten über Kreuz gelegt und fest mit einem Draht miteinander verbunden werden. Dazu gebe es eine spezielle Zange. "Das muss man aber erst mal beherrschen."
Mike Krüger fügt schmunzelnd hinzu: "Wenn es regnet und dir läuft der Rost in den Ärmel, dann sieht das abends erstmal nicht gut aus." Außerdem hätten die scharfkantigen Eisen die Hände aufgerissen. "Das ist natürlich auch anstrengend, klar. Und je mehr das Jahr voranschreitet, desto kälter wird es draußen." Dass man als Betonbauer auch den Jahreszeiten und dem Wetter ausgesetzt ist, ist eine weitere Lektion.
"Diese lustigen Lieder, hast du davon noch mehr?"
Parallel zur Ausbildung zum Betonbauer ergeben sich für Mike Krüger überraschend neue Perspektiven, und zwar in der Musik. Die Hamburger Szene sei damals vor allem im Onkel PÖ, im Danny's Pan und in der Fabrik aufgetreten - "jeder, der eine Gitarre richtig rum halten konnte", wie der Sänger heute sagt. Krüger versucht sich fortan auch auf den lokalen Bühnen und singt unterhaltsame Songs, aber auch übersetzte Stücke von Bob Dylan und Johnny Cash. Letztere finden nicht so viel Anklang. Aber jemand habe zu ihm gesagt: "Diese lustigen Lieder, die die du da singst, hast du da noch mehr?" Krüger sagt nein, aber die könne er ja herstellen. "Ich kann ja welche schreiben." Irgendwann habe einer von einer Schallplattenfirma in der Garderobe gesessen und gesagt: "Da machen wir mal eine LP davon, von dem, was du da singst." Und diese Platte hieß "Mein Gott, Walther".
Goldene Schallplatte für "Mein Gott, Walther"
"Für mich, für alle meine Freunde war es total verrückt", erzählt Krüger. Wenn sich die Platte 5.000 Mal verkaufen würde, "ist mein Studium mehr oder weniger finanziert. Dann muss ich in den Semesterferien nicht arbeiten, sondern fahre mit Birgit zum Zelten nach Norwegen. So, das war der Plan." Aber dieser Plan verläuft anders. Noch 1975 bekommt Krüger für "Mein Gott, Walther" die Goldene Schallplatte für 250.000 verkaufte Exemplare. 600.000 werden es insgesamt.
1983: "Bodo mit dem Bagger" kommt in die Charts
1980 legt der nun musikalisch gefragte Krüger noch einen drauf: "Der Nippel" schafft es auf Platz 1 der Charts in Deutschland und Österreich. Aus dem Jahr 1983 stammt "Bodo mit dem Bagger". Dass der Bau des Neuen Elbtunnel mit dem Song etwas zu tun hat, ist naheliegend, wie der Entertainer bestätigt. Der Originaltext nennt das Hamburger Bauwerk und die Riesenbaustelle zwar nicht explizit, aber "eigentlich ist es natürlich das Elbtunnel-Lied", so Krüger. Für den NDR Film "Der Neue Elbtunnel: Pionierwerk und Staufalle" von 2023 hat er eine extra Version seines Klassikers getextet:
"Mir fliegt der Draht aus der Mütze und mein Bruch tritt raus, so'n Krach hält doch kein Mensch im Kopf mehr aus. Die Wände wackeln und die Erde bebt, weil sich Bodo draußen lässig durch den Elbhang gräbt. Denn wer baggert da so spät noch am Baggerloch, das ist Bodo mit dem Bagger und der baggert noch." Mike Krügers Elbtunnel-Version von "Bodo mit dem Bagger"
Erster Durchstich 1971: Große Feier mit kleinen Geschenken
Als nicht Bodo, sondern noch die Tunnelbohrmaschine "Otto" vor sich hinbaggert, soll der 20. Dezember 1971 zu einem besonderen Tag für die beiden Betonbauer Krüger und Nuckel werden. Der erste Durchbruch des Tunnelbohrers "Otto", der Koloss, der die Wohnhäuser und seine Bewohner tief erschüttert, wird gefeiert. Eine große Sause wird erwartet. "Das kann nur eine rauschende Ballnacht werden", hofft Mike Krüger damals. Dann aber habe jeder Arbeiter lediglich eine kleine Tüte bekommen. "Olli und ich gucken in die Tüte und denken: 'Ey Leute, hier, das ist ja wie Weihnachten und Ostern zusammen. Das sind ja tatsächlich ein Bier, ein Brötchen und ein Mars oder Snickers'", berichtet der Komiker ironisch. Alle hätten sich angeguckt und und gesagt "Leute, hallo, was ist das hier? Durchstich Elbtunnel?" Nuckel ergänzt: "Wir waren alle ein wenig enttäuscht über das, was uns dort geboten wurde. Wir kannten ja schon andere Richtfeste, aber das war schon ein wenig wenig."
Stolz auf einen einmaligen Bau in Europa
Trotzdem sind beide stolz auf die baulichen Leistungen und das Riesenprojekt. "Das ist natürlich eine der ganz tollen Baustellen in Europa gewesen. Das ist ja nicht nur, dass das für Deutschland ein toller, toller Bau ist, sondern das war damals einmalig in Europa, was sie hier gebaut haben. Und wenn man da dabei ist, ist das schon cool", sagt Mike Krüger. Sein Freund Jens-Olaf Nuckel, der tatsächlich Architekt geworden ist, sieht sich auch heute immer wieder an die damalige Zeit am Elbtunnel erinnert: "Ich sag das meinen Kindern immer, wenn ich hier durchfahren, da guck mal, da haben wir gefochten. Das sind so Themen und da bin ich schon ein wenig stolz drauf."
Job bekommen dank Mike Krüger
Tunnelbetriebswart Sven Jakob erzählt im NDR Film noch eine Ankedote: Für ein Vorstellungsgespräch 2013 habe er unter anderem über Wikipedia alles über den Elbtunnel gepaukt. Er habe die Länge und die Höhe des Tunnels nennen können und aufgezählt, "was hier wie viele Leute gearbeitet haben. Und ganz wichtig: Mike Krüger hat hier selber mitgebaut als Betonbauer." Dann hätten sie erst mal alle geguckt und nachher gesagt: "Sie haben uns mehr über den Tunnel erzählt, als wir wussten", so Jakob.
Diese Geschichte macht Mike Krüger "sehr stolz": Dass jemand "genommen wird, weil er meinen Namen nennt. Hallo, wer hat das? Wahnsinn."