Stand: 18.01.2013 15:58 Uhr

"Kultur für alle" - die Hamburger Fabrik

"In Altona, da stand eine Fabrik. So mancher ging als Spießer hin und kam als Mensch zurück", reimte einst der Kabarettist Hans Scheibner. Er meint damit die Fabrik in Hamburg. Im Juni 1971 in einer ehemaligen Maschinen- und Munitionsfabrik eröffnet, ist sie das erste Kultur- und Kommunikationszentrum in Deutschland. "Kultur für alle" hat sich die Fabrik auf die Fahnen geschrieben. Ziel ist es, Kreativität, Kommunikation, Eigeninitiative und Selbstbewusstsein zu fördern. Das Kulturzentrum Kinder- und Jugendarbeit, veranstaltet Lesungen, Diskussionen, Theater und natürlich Live-Musik. Auf der Konzertbühne standen schon Größen aus den unterschiedlichsten Musik-Genres: von AC/DC über Miles Davis und Nina Simone bis John Zorn.

VIDEO: Hamburg damals: 40 Jahre Fabrik (4 Min)

Sozialarbeit und großes Kulturprogramm

Das Kultur- und Kommunikationszentrum Fabrik in Hamburg-Altona © Fabrik Hamburg
Hamburgs alternativ-kultureller Leuchtturm in den 70er-Jahren: Das Kultur-Projekt Fabrik im Bezirk Altona.

Die Auswahl des Angebots in der Fabrik ist groß. Am Tage ist sie Anlaufpunkt für Kinder und Jugendliche aus der Umgebung. Sie bekommen hier Rat und Hilfe bei Problemen und Anregungen für Freizeitaktivitäten wie Malen, Basteln, Werken, Kochen, Backen sowie Sport und Internet. Zwei Mal pro Woche wird eine Hausaufgaben-Betreuung angeboten. Zudem gibt es auf einem Areal direkt hinter dem Kulturzentrum einen "Bauernhof", der den Stadtkindern während der Sommermonate das Leben in der Natur vermitteln soll. In der Theaterwerkstatt werden unter Anleitung zeitgenössische Stücke zu Themen wie Leben, Liebe und Erwachsenwerden von Kindern und Jugendlichen erarbeitet. Erwachsene und Jugendliche können sich der Töpferei widmen, in der Fotogruppe oder im Tonstudio mitmischen. All das ist umsonst. Abends stehen Theater, Lesungen, Diskussionen und Live-Konzerte auf dem Programm.

Kunst und Kultur für alle

Die Maschinen- und Munitionsfabrik in Hamburg-Altona
So sah die Fabrik früher aus. Das industrielle Flair blieb auch nach dem Umbau zum Kulturzentrum erhalten.

Rückblende: Im Jahre zwei nach Woodstock wollen der Maler Horst Dietrich und der Architekt Friedhelm Zeuner eine Utopie umsetzen. Die beiden stört es, dass "Kunst eine elitäre Angelegenheit ist". Kultur nicht nur für Schlips- und Kragenträger, sondern für die "Zu-kurz-Gekommenen", das will der gebürtige Altonaer Dietrich. Für 3.200 Mark Erbpacht im Monat übernehmen Dietrich und Zeuner im Herzen von Ottensen einen leer stehenden Klinkerbau aus dem Jahr 1830. Für den Umbau der Industriehalle zeichnet Zeuner verantwortlich - später bekommt er dafür den Architekturpreis des Hamburger Senats. In dem sanierungsbedürftigen Arbeiterstadtteil gibt es viel Armut und Kriminalität. Aber gerade um Straßenkinder und Rocker wollen sich Dietrich und Zeuner kümmern. Am 25. Juni 1971 ist es so weit: Die Fabrik öffnet.

Urzelle der Kommunikation

Buchtipp: Fantasie und Alltag

Die Geschichte der Hamburger Fabrik
von Regine Kubach und Bettina Müller
Verlag: Rasch und Röhring (Mai 1993)
158 Seiten, viele Abbildungen
ISBN: 978-3891364185
nur antiquarisch erhältlich
Preis: ca. 13,95 Euro

Im September 1971 kommt Mikis Theodorakis in die Fabrik. Der griechische Komponist wettert gegen die Militär-Junta in seiner Heimat. Das Konzert hat Signalwirkung. Die Hamburger kommen in Strömen in die alternative Trutzburg. Punker, Rocker, Hippies und auch Schlipsträger feiern in seltener Eintracht. Die Jugendkriminalität im Stadtteil sinkt. 1973 zeichnet die Bundesregierung die Fabrik für deren beispielhafte Umsetzung des neuen Kulturverständnisses und dessen Vermittlung aus. In ganz Deutschland entstehen Kulturzentren nach dem Vorbild der Fabrik.

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 18.09.2011 | 19:30 Uhr

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