Hector Berlioz ist begeistert. Das Saxophon sei für "bewegliche und für rasche Passagen ebenso geeignet wie für anmutige Gesangstellen", urteilt der Komponist. Auch "für religiöse und träumerische Harmonieeffekte" sei es gegenüber klassischen Blechblasinstrumenten klar im Vorteil. Kurzum: "Ich kenne bisher kein Instrument, das diesen besonderen Klang besitzt, der an der Grenze des Hörbaren zu liegen scheint."
Berlioz beginnt sofort zu komponieren. Bei der Uraufführung seiner "Hymne Sacré" darf Saxophon-Erfinder Adolphe Sax 1844 sein Instrument selber spielen. Aber die Kritiker und Konkurrenten sind gnadenlos. Als später Gaetano Donizetti Saxophone bei einer seiner Opern einsetzen will, droht das Orchester sogar damit, "geschlossen das Theater zu verlassen."
Geboren wird Sax am 6. November 1814 im belgischen Dinant an der Maas. Von seinem Vater, der selbst Instrumentenbauer ist, erlernt er das Handwerk. Mit zwölf Jahren entwickelt er seine erste B-Klarinette, mit 18 spielt er als Klarinettist bei den Brüsseler Philharmonikern. Aber seine eigentliche Leidenschaft gilt seinen Erfindungen: medizinische Apparate sind ebenso darunter wie Eisenbahnsignale – und eine Kanone.
1835 übernimmt Sax das Geschäft seines Vaters und entwickelt ein völlig neuartiges Instrument, dem er selbstbewusst seinen Namen gibt. "Sollten, was zu wünschen ist, die Instrumente des Herrn Sax allgemeine Anwendung finden, so haben die Komponisten alle Ursache, dem Erfinder dankbar zu sein", steht im Juli 1842 in der der "Deutschen Zeitschrift für Musik". In diesem Jahr übersiedelt Sax nach Paris, um sein Instrument hier zu vermarkten.
Die Anfeindungen in Frankreich lassen nicht lange auf sich warten, vor allem, weil die Konkurrenz ihren Markt bedroht sieht: den der Militärkapellen. Die Saxophone sind den Blechbläsern an Beständigkeit und Lautstärke überlegen. König Louis Philippe ist begeistert und erteilt Sax nach einer öffentlichen Anhörung 1845 für 20 Jahre das Monopol zur Ausstattung seiner Kapellen. Schon damals mischen sich in den Beifall Misstöne: "Nieder mit dem Ausländer", rufen einige im Publikum.
Fortan hat Sax mit Plagiatsvorwürfen, Patent- und Urheberrechtsstreitigkeiten zu kämpfen, die sein Vermögen und seine Gesundheit aufzehren. Konkurse sind die Folge. Gläubiger nehmen ihm bis auf die spärliche königliche Pension alles weg. Sax stirbt 1894 völlig verarmt und mittellos in Paris. "Der einst so viel genannte Blasinstrumentenbauer und Erfinder des Saxophons ist zu Anfang des Monats verstorben, arm und verlassen", heißt es – bezeichnenderweise verspätet – im Nachruf einer Fachzeitschrift. In den Folgejahren werden Saxophone von den Schrotthändlern zum bloßen Kupferpreis gehandelt, Sax' Sohn führt die Geschäfte des Vaters eher schlecht als recht weiter.
Erst der Siegeszug des Jazz in den USA und Europa führt zu dem, was ein anderer Nachruf Adolphe Sax prophezeite: "In der Geschichte des Instrumentenbaus wird sein Name stets genannt werden."