Stolperstein 9: "Die sahen in uns wirklich die Verbrecher"
Die Zeitzeugin: Irmgard Konrad
Irmgard Konrad, geboren am 14. November 1915 in Breslau, hatte durch ihren ältesten Bruder Georg schon früh Kontakt mit der Arbeiterbewegung. Mit 14 Jahren lernte sie bei der Jugendorganisation der Sozialistischen Arbeiterpartei ihren späteren Ehemann Fritz Konrad kennen. Gemeinsam mit anderen versuchten sie schon Anfang der 30er-Jahre mit Flugblättern über den sich ausbreitenden Nationalsozialismus aufzuklären und setzten auch nach der Machtergreifung 1933 ihre Arbeit fort.
Nach mehreren Festnahmen mussten sie ab 1941 den Judenstern tragen und fortan auch Zwangsarbeit leisten. Nach erneuter Untersuchungshaft kam sie 1942 direkt nach Auschwitz und später nach Ravensbrück, um in den dortigen Siemens-Werken zu arbeiten. 1945 konnte sie auf dem Todesmarsch in einem kleinen Dorf in Mecklenburg befreit werden.
Nach dem Krieg musste sie feststellen, dass aus ihrer Familie nur ihr Bruder und ihre Schwester Helen die NS-Zeit überlebt hatten. Ihren Freund Fritz fand sie erst zwei Jahre später, 1947, in Frankreich wieder - ihr letzter Kuss lag bereits fünf Jahre zurück. Sie heirateten kurze Zeit später und gründeten eine Familie in Leipzig.
Irmgard Konrad hat Zeit ihres Lebens viel über den Nationalsozialsmus und ihre Gefangenschaft berichtet, wollte aber nie auf den Status als Überlebende reduziert werden, um auch dem Leben danach genügend Raum zu geben. Sie starb am 8. November 2003 mit 87 Jahren.
Der Künstler: Taro Neurohr
In seinem Video arbeitet Taro Neurohr mit einer digitalen Mischtechnik und Rotoskopie, die er mit verschiedenen Papiertexturen unterlegt.
Daraus entsteht ein Film mit einer sehr dichten Ästhetik, der sich weniger mit der Gefangenschaft der Protgaonistin beschäftigt, sondern vielmehr mit der Erinnerung daran und mit dem Leben danach. Der Künstler war vor allem beeindruckt davon, wie wenig Bitterkeit über das Erlebte in den Erzählungen von Irmgard Konrad steckt. Mit seiner Arbeit möchte er nicht nur das Gedenken an den Holocaust aufrechterhalten - er will auch zum Nachdenken anregen über den Umgang unserer Gesellschaft mit Themen wie Vertreibung, Rassismus und Diskriminierung von Andersdenkenden.