Vier Spuren und ein Halleluja
Autos fahren zügig und laut über die Autobahn. Wenige Kilometer entfernt ist vom dem Lärm kaum noch etwas zu hören. In Kavelstorf steht seit fast 800 Jahren ein Gotteshaus, das seit 15 Jahren auch die einzige Autobahnkirche Mecklenburg-Vorpommerns ist. Eike Borowski ist Pastorin der kleinen Kavelstorfer Kirchengemeinde und gleichzeitig zuständig für die nördlichste Autobahnkirche Deutschlands.
"Luft holen" in der Autobahnkirche
Bis zu 3.000 Menschen, schätzt die Pastorin, besuchen jährlich ihre Kirche: "Das sind Leute, die wirklich ganz bewusst hier anhalten, um Pause zu machen, um Luft zu holen", sagt Borowski. Die Menschen, die hier ganz bewusst anhalten, sind zum Beispiel Urlauber, die sich mit ihren Wünschen und Danksagungen auch in dem Gästebuch der kleinen Kirche verewigen.
Eine Ost-West-Verbindung quer durch das Land
Vor 25 Jahren ging es vor allem um die Frage, wie möglichst schnell eine Ost-West-Verbindung durch das neue Bundesland gebaut werden kann. Besonders der damalige Bundesverkehrsminister und CDU-Landeschef, Günther Krause, bekam das zu spüren. Wöchentlich bekam er Briefe und Anrufe von Landräten und Bürgermeistern, die wissen wollten, an welcher Stelle die Ostseeautobahn gebaut werden solle, damit man möglichen Investoren "endlich" konkete Antworten geben könne, geht aus Interviews aus dieser Zeit hervor.
Vom Spatenstich zur Eröffnung
Nach dem ersten Spatenstich 1992 dauerte es rund vierzehn Jahre, bis kurz vor Weihnachten 2005 das letzte Teilstück bei Triebsees durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Harald Ringstorff freigegeben werden konnte. Die Erwartungen an die neue Verbindung haben sich erfüllt, meint Mecklenburg-Vorpommerns heutiger Verkehrsminister Christian Pegel. Steigende Tourismuszahlen seit 2000, verschiedene Gewerbe- und Industriebetriebe, die sich angesiedelt haben und nicht zuletzt die Häfen im Land - man spüre deutlich, dass "über die Jahre ein deutlicher Schwung nach oben zu verzeichnen ist", so Pegel.
"Innere Einkehr" - auch für Pendler
Nicht nur Urlauber auf dem Weg nach Rügen oder Usedom profitieren von kürzeren Reisezeiten, auch und gerade für diejenigen, die weite Arbeitswege in Kauf nehmen müssen, hat die A20 Vorteile gebracht. Auch Pendler würden die Kirche nutzen, um regelmäßig anzuhalten und die Pause für eine "innere Einkehr" zu nutzen, weiß Kavelstorfs Pastorin Eike Borowski aus Gesprächen mit Durchreisenden.
Warten auf das Glockengeläut
1,9 Milliarden Euro kostete die Ostseeautobahn, die Kirchengemeinde in Kavelstorf benötigt allerdings nur einen Bruchteil davon, um die seit einigen Jahren fehlenden Kirchglocken wieder zum Klingen zu bringen. Am 4. Oktober, zum Erntedankfest, wolle die kleine Gemeinde die Glocken mit einem großen Kran auf den Kirchturm transportieren und weihen. Pastorin Borowski hofft die Glocken noch in diesem Jahr läuten zu hören. "Dazu fehlen uns noch ein bisschen Spenden und Unterstützung, aber das schaffen wir“, ist Borowski zuversichtlich. Dann wird die Stille in Kavelstorf zumindest sonntags und an Feiertagen unterbrochen, während in einigen Kilometern Entfernung ein Fahrzeug dem anderen folgt - auf der Ostseeautobahn.