St.-Pauli-Coach Schultz: Alles eine Frage des richtigen Tons
Endlich wieder einer mit Stallgeruch hieß es, ein echter St. Paulianer. Der auf dem Platz Fußball spielen lässt, der mehr zu dem Verein passt als unter Vorgänger Jos Luhukay. 15 Jahre ist Timo Schultz mittlerweile bei den Kiezkickern in verschiedensten Funktionen tätig, mit dem romantisierenden Vorschusslorbeer konnte der 43-Jährige zu Beginn seiner Amtszeit nicht viel anfangen: "Ich will nicht nur Trainer sein, weil ich schon immer hier bin, sondern weil ich das inhaltlich gut mache", sagte er rückblickend am Sonntag als Gast bei NDR 90,3. Und ergänzte selbstbewusst: "Ich komme aus der Vergangenheit, aber ich will für die Zukunft stehen."
"Das mit dem Spaß nimmt mir etwas Überhand"
Die Rolle als Projektionsfläche gefällt dem geselligen Familienmenschen nicht sonderlich. Als Gegenmodell zum knorrigen Luhukay in der Hamburger Presse dargestellt, lobten auch die Spieler die gute Stimmung in der Kabine und im Training seit dem Sommer. "Das mit dem Spaß nimmt mir etwas Überhand", entgegnete der Trainer im Interview und legte den Finger direkt in die Wunde: "Ich stehe für gute Laune und nicht für schlechte Laune. Gute Laune habe ich aber nur, wenn wir gewinnen. Und dafür müssen wir gut arbeiten und können alle noch mal eine Schippe drauflegen." Man merkt: Die jüngste 0:1-Auswärtsniederlage in Sandhausen wurmt Schultz nach wie vor.
Insgesamt ist die Bilanz des Neulings im Profi-Geschäft ausgeglichen. Dem peinlichen Auftritt und folgerichtigen Pokal-Aus in Elversberg folgte ein glücklicher Punktgewinn in Bochum und ein nach anfänglichen Schwierigkeiten verdienter Heimsieg gegen Heidenheim. Vier von neun möglichen Punkten stehen auf der Habenseite, den Saisonstart bezeichnet Schultz als "okay", denn es "spiegelt unsere derzeitige Leistungsstärke wider".
Schultz erhofft sich größere Schritte
Ein neues Gesicht hat er den Braun-Weißen binnen kürzester Zeit bereits verpasst. Jünger, mutiger und offensiver spielt St. Pauli seit Saisonbeginn, aber auch fehlerhafter in der Defensive. Ein Balanceakt, der einkalkuliert ist: "Wir wollen nach vorne spielen, da passieren auch Fehler. Unsere Fans verzeihen aber mehr als anderswo." Ein Freibrief ist dies nicht. Schultz lobt die Mannschaft, nimmt sie aber auch in die Pflicht: "Wir stehen am Anfang einer Entwicklung. Ich hätte mir größere Schritte erhofft, aber es geht vorwärts." Die Neuzugänge James Lawrence und Guido Burgstaller könnten dabei helfen, der Mannschaft auf dem Platz mehr Stabilität zu verleihen, auch weil sie als Typen laut Schultz gut zum Verein passen.
Wohin geht die Reise des FC St. Pauli in dieser Saison? Ein erstes Fazit wollen "Schulle" und sein Trainerteam in der Winterpause ziehen, bis dahin werden "erst mal kleine Brötchen" gebacken. Kein vollmundiges, aber ein realistisches Versprechen. Der Ton hat sich geändert rund um das Millerntor, er scheint wieder zu stimmen, auf und neben dem Platz. Daran hat Timo Schultz einen erheblichen Anteil.