Topspiel FC Bayern - VfL Wolfsburg: Auf diese Spielerinnen kommt es an
FC Bayern - VfL Wolfsburg: Der Klassiker des deutschen Frauen-Fußballs könnte am Freitag eine Vorentscheidung im Meisterschaftsrennen bringen. Vier Spielerinnen stehen im Fokus. Das sagen die Daten über ihre Stärken und Schwächen.
Alltägliche Partien gibt es nicht zwischen den Fußballerinnen des FC Bayern und des VfL Wolfsburg. Zu groß ist die Rivalität zwischen den Top-Teams der vergangenen Jahre. Doch das Aufeinandertreffen am Freitag (16.55 Uhr, im NDR Livecenter) hat mit Blick auf die deutsche Meisterschaft zumindest für die VfL-Frauen sogar Endspielcharakter.
Sollten die Niedersächsinnen verlieren, wäre der Titel bei dann sechs Zählern Rückstand auf den FCB wohl weg, zumal auch Eintracht Frankfurt (am Sonntag zu Gast in Freiburg) auf sechs Punkte davonziehen könnte.
"Natürlich weiß man auch, was das für Energie in Wolfsburg oft freisetzt, wenn sie wissen, sie müssen." Bayern-Spielerin Sydney Lohmann.
Stroot gibt sich optimistisch
Doch Wolfsburg kann mit Druck umgehen. Eine ähnliche Ausgangslage gab es vor knapp einem Monat vor der Partie gegen die Eintracht, die der VfL furios mit 6:1 für sich entschied. Auch die Hinrunden-Begegnung gegen den FC Bayern im vergangenen Oktober gewannen die Niedersächsinnen (2:0).
"In vielen Momenten, in denen wir in dieser Saison da sein mussten, waren wir da", sagt VfL-Trainer Tommy Stroot: "Besonders in den Spielen, in denen es um viel geht, weiß ich, dass ich mich komplett auf meine Mannschaft verlassen kann."
"Große Spiele werden von großen Spielerinnen und Spielern entschieden", lautet ein unvergänglicher Klassiker der Fußball-Weisheiten. Und so lohnt der Blick auf zwei Akteurinnen jeder Mannschaft, die am Freitag eine entscheidende Rolle spielen könnten.
Guilia Gwinn - Die DFB-Kapitänin
Wer Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft wird, muss herausragende fußballerische Fähigkeiten und Führungsstärke vereinen. Und beides hat die 25 Jahre alte Rechtsverteidigerin zweifellos. Gwinn ist seit Jahren Leistungsträgerin beim deutschen Meister und im DFB-Team, hat schwere Verletzungen überwunden und ist die derzeit vielleicht populärste Spielerin in Deutschland - mit einer riesigen Fangemeinde auf Social Media.
Laut GSN-Daten ist sie in verschiedenen Bereichen überdurchschnittlich gut: im Passspiel, im Dribbling, im Zweikampf. Sie beschleunigt das Spiel, leitet viele gefährliche Aktionen ein und hat so entscheidenden Einfluss auf die Offensive, obwohl sie als Außenverteidigerin aufläuft.
Überraschenderweise strahlt Gwinn trotz dieser herausragenden Fähigkeiten aber selbst überhaupt keine Torgefahr aus. In dieser Saison hat sie noch keinen Treffer markiert. In der vergangenen Spielzeit waren es immerhin drei. Deshalb ist auch ihr GSN-Performance-Score, der anhand verschiedener Parameter die Leistung abbildet, derzeit nicht überragend.
Bekommt sie ihre Chance, nutzt sie diese aber. Wie bei ihrem männlichen Bayern-Pendant Harry Kane gilt: Elfmeter gleich Tor! Gwinn hat in ihrer Karriere in Pflichtspielen noch nie einen Elfmeter verschossen. Auch Verantwortungsbewusstsein und Nervenstärke zeichnen eine Kapitänin aus.
Klara Bühl - Die Vielseitige
Bühl ist in dieser Saison die beste Scorerin beim FC Bayern. Fünf Treffer hat sie erzielt und acht weitere vorbereitet. Die 24-Jährige ist auf der linken Seite eine permanente Gefahr für gegnerische Abwehrreihen. "Ihre Kombination aus Geschwindigkeit, Technik und direktem Zug zum Tor ist schwer zu verteidigen", lautet deshalb das Fazit der GSN-Datenexperten. Bühl hat in mehreren Kategorien Topwerte: Dribblings, Schussvorlagen, Flanken, Standards.
Deshalb zeigte sich der FC Bayern überaus erfreut, dass Bühl in der Woche vor der Top-Partie gegen Wolfsburg ihren Vertrag bis 2027 verlängerte. "Als Spielerin ist sie Power pur", lobte FCB-Frauenfußball-Direktorin Bianca Rech die Nationalspielerin.
In der Ex-Wolfsburgerin Pernille Harder (neun Saisontreffer) haben die Münchnerinnen eine perfekte Abnehmerin für Bühls Hereingaben in ihrem Team - jüngst zu sehen beim 3:0-Erfolg in Köln, als Harder nach Bühl-Flanke zum 2:0 einköpfte.
Arbeiten muss Bühl laut GSN an ihrem Defensivverhalten: "Dort ist sie nicht besonders zweikampfstark." Doch dies ist nur ein kleiner Makel in einer bislang überragenden Saison der Offensivspielerin.
Janina Minge - Die Aufsteigerin
Minges Karriere hat in den vergangenen Monaten eine rasante Entwicklung genommen. Die 25-Jährige wechselte vor Saisonbeginn zum VfL Wolfsburg und ist nicht nur dort eine Leistungsträgerin. Bundestrainer Christian Wück bestimmte Minge zur stellvertretenen Kapitänin im DFB-Team. "Das war für mich auch ein Stück weit überraschend und nichts, womit ich wirklich gerechnet habe", sagte die Defensivspezialistin.
Minge ist eine flexible Spielerin, die eigentlich für das defensive Mittelfeld geholt worden war, zuletzt aber vor allem als zentrale Innenverteidigerin von VfL-Trainer Stroot eingesetzt wurde.
Herausragend ist ihr Kopfballspiel, das nicht nur für eine solide Defensivarbeit gegen hohe Bälle sorgt, sondern auch einen ständigen Gefahrenherd für gegnerische Mannschaften bei Wolfsburger Standards darstellt. Ligaweit bestreitet keine Defensivspielerin mehr offensive Kopfballduelle als Minge.
Drei Treffer hat die 25-Jährige nach Standards bereits erzielt (zwei per Kopf, einen per Fuß), zudem verwandelte sie beim 6:1 gegen Frankfurt einen Elfmeter. Und da die Bayern defensiv in Kopfballduellen Schwächen haben, könnte Minge zu einer Schlüsselspielerin werden im Spitzenspiel.
Grundsätzlich verfügt Minge laut GSN-Daten auch über ein solides Passspiel - das jedoch deutlich an Präzision verliert, sobald sie unter Druck gerät. "Pressing-Resistenz" heißt das Neu-Deutsch bei Trainern. Und ist ein Punkt, den Stroot bereits in der Winterpause als verbesserungswürdig ausgemacht hatte - nicht nur bei Minge, sondern beim gesamten Team.
Lineth Beerensteyn - Die Torjägerin
Dynamisch, stark im Dribbling und im Abschluss: Beerensteyn ist hinter Frankfurts Laura Freigang die zweitbeste Torschützin in der Bundesliga und hat nach der deutschen Nationalspielerin auch den zweitbesten GSN-Performance-Score.
Die Niederländerin ist eine typische Torjägerin, die den direkten Weg zum Tor sucht, oft und erfolgreich ins Dribbling geht und konsequent ihre Chancen nutzt, vor allem mit rechts. Ihre Quote von 0,84 Toren pro 90 Minuten ist der Top-Wert in der Bundesliga.
Beerensteyn bringt sich durch Dribblings und gute Positionierung häufig in aussichtsreiche Schusspositionen - und verwertet ihre Chancen überdurchschnittlich gut. Allerdings hat sie noch keinen Treffer per Kopf markiert.
Was zudem auffällig ist: Die 28-Jährige nimmt am Spielaufbau kaum teil. Nur 13,58 Pässe spielt sie durchschnittlich pro Partie, das ist ligaweit Rang 77. Lediglich 9,95 davon kommen an (Rang 75). Auch in der Defensivarbeit gibt es deutlich Luft nach oben.
Wer eine Vollblut-Torjägerin wie Beerensteyn im Team hat, kann über diese Schwächen jedoch hinwegsehen. Besonders, wenn sie am Freitag den Siegtreffer im Spitzenspiel beim FC Bayern erzielen sollte.
Und wer gewinnt nun am Freitag?
Die Einschätzung, dass die Partie ein Duell auf Augenhöhe und vollkommen offen ist, mag nicht besonders visionär klingen - richtig ist sie trotzdem. GSN attestiert beiden Teams in fast allen Bereichen Spitzenwerte. Trotzdem gibt es kleine Schwachstellen, die entscheidend sein könnten.
Bei den Bayerinnen sind dies die Luftzweikämpfe in der Defensive, die auf Wolfsburger Seite vor allem von Minge und Alexandra Popp genutzt werden könnten. Auch ist der FCB bei abgewehrten Angriffen oft nicht besonders handlungsschnell, was der VfL-Offensive zweite Chancen eröffnen könnte.
Defensiv wird es für den VfL vor allem darum gehen, bei gegnerischem Pressing die Übersicht zu behalten, sich nicht zu leichten Ballverlusten verleiten zu lassen und das hin und wieder anfällige Abwehrzentrum konsequent zu schließen. Sollte dies gelingen und Wolfsburg mit drei Punkten die Heimreise antreten, würde die Bundesliga mit einem faszinierenden Dreikampf um die Meisterschaft in die letzten fünf Runden gehen.
