Holstein Kiel: Hoffnung nach einem historischen Jahr 2024
Aufsteiger Holstein Kiel hat in der Fußball-Bundesliga bislang reichlich Lehrgeld gezahlt, seine Konkurrenzfähigkeit aber immer wieder unter Beweis gestellt. Der Kantersieg über Augsburg zum Abschluss eines sensationellen Jahres 2024 war ein wichtiges Signal - intern wie extern.
Am Ende dieses aus Holstein-Sicht historischen Fußballjahres gelang den Kielern jede Menge Historisches. Denn der 5:1-Erfolg über den FC Augsburg war nicht nur der höchste Sieg der noch jungen Geschichte des Clubs in Deutschlands höchster Spielklasse. Auch auf individueller Ebene brachte er für zwei Spieler neue Bestmarken: Phil Harres erzielte den ersten Bundesliga-Doppelpack der KSV - Shuto Machino zog in der Nachspielzeit mit seinem zweiten Treffer zum Endstand in dieser Kategorie noch nach. Dem Japaner war zuvor mit dem zwischenzeitlichen 4:1 zudem der erste direkt verwandelte Freistoß in der Beletage geglückt.
Das Angreifer-Duo stand damit zum Jahresausklang sinnbildlich für das kollektive Kieler Aufatmen - und für die Entwicklung der "Störche". "Das war einfach surreal auf dem Platz, dass auf einmal alles funktioniert. Weil gerade die letzten Wochen hat nicht unbedingt immer alles funktioniert", sagte Harres. Und ließ damit doch ein wenig Einblick in das Seelenleben einer Mannschaft zu, die in zuvor 14 Partien elf Mal als Verlierer den Platz verlassen hatte. Eines Liga-Neulings, der zwar wiederholt enorme Moral und Stehauf-Mentalität bewiesen hat, aber eben auch schon reichlich Niederschläge kassiert hat seit dem Saisonstart.
Sturmduo Harres und Machino als Sinnbild
Keine Frage: Der Kantersieg gibt der KSV neue Hoffnung - und Teil dieser Hoffnung ist das Sturmduo. Denn neben Harres brillierte Machino, der nicht nur doppelt traf, sondern auch zwei weitere Treffer vorbereitete. "Shuto und ich verstehen uns schon ganz gut", befand Harres. Das Duo könnte nach dem Torfestival gegen den FCA im neuen Jahr noch häufiger gemeinsam auf dem Platz stehen.
Es ist ein Ausblick, der den beiden, die nach dem sensationellen Aufstieg wie auch der Club ein wenig Eingewöhnungszeit benötigten, persönlich gefallen dürfte. Der aber auch dem Verein - und allen, die es mit ihm halten - gefallen dürfte. Zumal er sinnbildlich für die Mannschaft und den Ansatz von Trainer Marcel Rapp steht. Lernen. Anpassen. Bessermachen. Und jetzt auch noch: gewinnen?
"Das wird wahrscheinlich erst in ein paar Jahren verstanden werden, was wir alles erreicht haben." KSV-Spieler Finn Porath
"Wir sind eine Mannschaft, die nie aufgibt. Wir sind eine Mannschaft, die jede Woche hart dafür arbeitet und wenn das Quäntchen Glück auch noch dazu kommt, sind wir auch eine Mannschaft, die gewinnen kann", sagte Außenbahnspieler Finn Porath nach der Partie.
Denn der Erfolg ist, allem Bewusstsein über die krasse Außenseiterrolle in der Liga zum Trotz, wichtig für das Selbstvertrauen. Dafür, auch nach dem nächsten Rückschlag, der kommen wird, wieder aufstehen zu können. Oft genug waren die Kieler irgendwie dabei in den bisherigen Partie. Etwa beim 1:2 gegen Vizemeister Stuttgart. In Teilen konnten sie, wie beim 2:2 bei Meister Leverkusen, sogar kräftig aufhorchen lassen. Elf Mal aber eben reichte es nicht für Zählbares - wie bei der 1:6-Heimklatsche gegen den FC Bayern München oder dem bitteren 1:3 im Aufsteigerduell beim FC St. Pauli.
Erster KSV-Flow beim 5:1 gegen den FCA
Immer wieder hieß es, sich wieder aufzurichten, wieder neu anzugreifen. Umso wichtiger war der zweite Sieg zum Jahresausklang, zumal er den "Störchen" auch verdeutlichte, dass sie aus den Chancen, die sie sich in fast jeder Partie erarbeiteten, auch wirklich Tore erzielen können. Dass sie sich auch auf höchstem Niveau in einen Rausch und in einen "Flow" spielen können, wie er sie bei den vielen Siegen im ersten Halbjahr 2024 in die Bundesliga geführt hatte.
Das nährt - jenseits der punktetechnischen Dringlichkeit nach zuvor fünf Niederlagen am Stück - mit Blick auf die ausstehenden 19 Partien auch den Glauben daran, wirklich bis zum Ende um den Klassenerhalt mitspielen zu können. Bringt weitere Überzeugung. Der Sieg war intern wie extern ein wichtiges Signal. Denn nach 15 Spieltagen hat die KSV nur noch zwei Zähler Rückstand auf den 1. FC Heidenheim auf Relegationsrang 16.
Hoher (Lauf-)Aufwand - zu viele Gegentore
Um mindestens das Team von der Ostalb einzuholen, gilt es inbesondere in der Defensive stabiler zu werden. Mit nun 19 Toren steht Holstein in der Offensive nach 15 Partien passabel da. Sorge bereitet hingegen das gesamtmannschaftliche Verteidigen. 38 Gegentreffer sind der schlechteste Wert der Liga. Immer wieder waren es individuelle oder teamtaktische Fehler, die die Mannschaft um den Lohn ihres hohen Aufwands brachten.
Denn nimmt man etwa die Laufleistungen - Gesamtdistanz (Platz fünf), Sprints und intensive Läufe (jeweils Rang eins) - ist das Rapp-Team in der Ligaspitze. Sportchef Carsten Wehlmann glaubt, dass man die weiterhin nötigen Anpassungen an das höhere Niveau auch darüber schaffen könne, indem man "Sachen im Kader optimiert und Konkurrenzfähigkeit schafft". Eine weitere Aufgabe für "Bessermacher" Rapp. Er wünsche sich, "dass die Jungs die Entwicklung, die sie genommen haben, weiter fortführen, als Mannschaft zusammenarbeiten. Dann bin ich mir sicher, dass wir auch erfolgreich sein werden."
Nächster Schritt beim SC Freiburg?
Doppelpacker Harres glaubt das auch: "Das haben wir vielleicht einfach mal gebraucht. Natürlich macht es keinen Unterschied, ob wir 2:1 oder 5:1 gewinnen. Aber für den Kopf ist es brutal schön." Und genauso kann und soll es aus KSV-Sicht weitergehen. Am besten schon am 11. Januar. Dann geht es um 15.30 Uhr (im NDR Livecenter) beim SC Freiburg darum, den nächsten Schritt zu machen.
"Das Jahr so zu beenden, das war unser großes Ziel", erklärte Porath nach dem Sieg über Augsburg - und blickte umgehend voraus. Das gebe der Mannschaft für das neue Jahr und den Rest der Saison "extrem viel". Und vielleicht wird dann auch das Jahr 2025 für die "Störche" historisch. Mit einem weiteren Wunder an der Förde und dem Bundesliga-Klassenerhalt. Ein weiterer Schritt dafür ist getan.