Zeitreise: Holstein Kiel - Bundesliga im siebten Anlauf
Am Sonnabend war es so weit: Holstein Kiel ist als 58. Mannschaft in der Fußball-Bundesliga aufgelaufen. Damit waren die "Störche" die erste Mannschaft aus Schleswig-Holstein, der das gelang.
Den Profis von Holstein wird oft nachgesagt, dass sie den Aufstieg in die Beletage des deutschen Fußballs im dritten Anlauf geschafft haben. Doch so ganz richtig ist diese Aussage nicht, wenn man Patrick Nawe, dem Vereinshistoriker der KSV Holstein fragt. Nach seiner Rechnung ist die KSV im siebten ernstzunehmenden Anlauf aufgestiegen. Seiner Einschätzung kann man glauben, denn kaum einer kennt die Geschichte des Vereins so gut wie er. Der frühere Englisch- und Geschichtslehrer arbeitet bereits seit der Saison 1996/97 für den Verein und kennt wohl fast jedes Detail in der Holstein-Historie. Kein Wunder, schließlich hat er bereits drei Bücher über die KSV geschrieben und arbeitet am vierten, der 125-Jahres-Chronik, die im Oktober 2025 erscheinen soll.
Sechs Anläufe ohne Erfolg
Allein in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts kommt er auf vier Versuche, in die Neuformierung Bundesliga zu kommen. Bei der Gründung 1963 ist Holstein außen vor, stattdessen werden der HSV, Werder Bremen und Eintracht Braunschweig ausgewählt. 1965 scheitert die KSV in der Aufstiegsrunde durch Niederlagen gegen Worms und Borussia Mönchengladbach. In den Folgejahren ist es lediglich die Anzahl der geschossenen Tore, wegen der Holstein als Tabellendritter der Oberliga Nord den Sprung in die Aufstiegsrunde verpasst.
Danach dauert es lange, bis Holstein wieder an der Beletage des deutschen Fußballs klopft. Erst in den vergangenen Jahren ist der Verein wieder so gut aufgestellt, dass Aufstiege in die dritte und zweite Liga gelingen. Doch der Sprung in die Bundesliga will nicht klappen. Zweimal hat die KSV in der Relegation das Nachsehen. 2017/18 verlieren sie zweimal gegen den VfL Wolfsburg. Und 2020/21 ist es der 1. FC Köln, der sich durch einen hohen Sieg in Kiel den Klassenerhalt sichert.
Auch Misserfolge prägen Geschichte
Alles Ereignisse, die den KSV-Fan Patrick Nawe geprägt haben: "Auch Misserfolge prägen Geschichte - und wer will schon Fan eines Vereins sein, der immer nur gewinnt?". In der Geschichte von Holstein wird zwar auch viel gewonnen, aber es gibt auch immer wieder Nackenschläge.
Das alles kann man in dem Holstein-Archiv von Patrick Nawe sehr gut nachverfolgen. Zahlreiche Memorabilien der 124-jährigen Vereinsgeschichte finden sich dort. Plakate, Zeitungen und auch Fotos der großen Zeiten der KSV. Denn eines ist Patrick Nawe wichtig: "Auch wenn die KSV jetzt erst in die Erste Bundesliga aufsteigt, war sie doch schon vorher ein großer Verein mit Tradition." Die Aussage wird auch durch den Meisterwimpel von 1912 bestätigt. Patrick Nawe erklärt: "Das ist nicht das Original, den haben wir vor ein paar Jahren an das DFB-Museum in Dortmund verliehen." Ein besonderes Original findet sich aber auch in seinem Archiv: der Spielball, mit dem die Amateure der KSV 1961 die deutsche Meisterschaft gewonnen haben. In Hannover gewinnen die Kieler mit 5:1 gegen Siegburg 04. "Mit 80.000 Zuschauern war es das Spiel vor der größten Kulisse mit Kieler Beteiligung – kurios, dass das unserer 2. Mannschaft gelang", erklärt Nawe. Wieder ein Beleg für sein Wissen um die Geschichte und Gegenwart rund um den Verein, bei dem er 1979 das erste Mal im Holstein-Stadion war.
Archiv wächst mit dem Erfolg des Vereins
Geschichte und Gegenwart sind auch an seiner Wand sichtbar, dort hängen zahlreiche Trikots der KSV und von ehemaligen Spielern oder besonderen Gästen. Neben dem FC-Bayern-Pokaltrikot von Manuel Neuerhängt ein KSV-Trikot von 1948. Noch top erhalten ist es - einer der größten Schätze, ein weiteres kommt am Drehtag hinzu. Denn plötzlich steht Vereinslegende Immo Stelzer vor dem Archiv. Der frühere KSV-Kapitän hat beim Aufräumen ein altes Trikot aus den Zweitligazeiten des Vereins in den 80er-Jahren gefunden. Er vermacht es dem Holstein-Archivar. Besuche wie diese von Aktiven und Ex-Spielern sind normal im Archiv, denn Patrick Nawe macht den Profis immer wieder klar, wie wichtig und groß die Historie des Vereins ist. Durch seine Sammlung werden die Spieler ein Teil der Geschichte. Und wenn es nach Patrick Nawe geht, soll man sie eines Tages in einem Holstein-Museum sehen können. Da könnte dann die Trinkflasche von Ioannis Gelios aus dem Pokalsieg über den FC Bayern neben den Schienbeinschonern von Fin Bartels aus der Relegation gegen Köln oder dem Paar Schuhe, mit dem Marvin Ducksch die KSV in Großaspach zurück in die zweite Liga schoss, stehen.
Welches Erinnerungsstück er am Sonnabend aus Hoffenheim mitnimmt, bleibt abzuwarten. Vielleicht ist es ja der Schuh, der den ersten Ballkontakt für Holstein in der Bundesliga macht oder gar das Trikot des ersten Torschützen der KSV. Eines ist aber sicher: Patrick Nawe wird es verwahren, als Teil der Geschichte des Vereins konservieren und damit weitere Fans begeistern. Denn das ist seine Mission, die er gern mit einem Zitat untermauert: "Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme." Solange es Fans wie ihn gibt, wird die KSV-Flamme weitergegeben, ab jetzt dann auch erstklassig.