Shampoo gegen Haarausfall: Große Versprechen, wenig Wirkung
Shampoos, die kaputte Haare reparieren oder sogar vor Haarausfall schützen sollen, gibt es inzwischen viele. Eine echte Wirkung attestieren Dermatologen den angeblichen Wundermitteln allerdings nicht.
Schönes Haar scheint heute weniger eine Gabe der Natur als eine Frage der richtigen Kaufentscheidung zu sein. Tatsächlich sind Shampoos mittlerweile hoch entwickelte Hightech-Produkte mit patentierten Wirkstoffen. Der Shampoo-Markt wächst stetig, die Hersteller werben mit vollmundigen Produktversprechen: Manche Shampoos sollen für ein stärkeres Wachstum sorgen, andere die brüchige Haarstruktur reparieren oder sogar erblich bedingten Haarausfall stoppen. Eines haben die meisten Produkte allerdings gemeinsam: Sie wirken oft nur sehr begrenzt und anders, als die Werbung verspricht.
Woraus bestehen Haare und wie wachsen sie?
Haare bestehen aus dem gleichen Material wie Finger- und Fußnägel: aus Horn - also abgestorbenen Zellen. Jedes Haar hat einen Haarschaft und eine Haarwurzel. Der Schaft ist der sichtbare Teil des Haares, der aus der Haut herausragt. Die Wurzel steckt in der Haut und reicht bis in das Unterhautgewebe. Das untere Ende der Haarwurzel ist kugelig verdickt und wird deshalb Haarzwiebel genannt. In der Haarzwiebel werden ständig neue Zellen gebildet, die miteinander verkleben und dabei verhornen. Weil sich von unten immer neue verhornte Zellen an das Haar ankleben, schiebt es sich allmählich aus der Haut heraus. Ein Haar am Kopf wächst auf diese Weise pro Monat etwa einen Zentimeter.
Medikamente, Hormone, Färben: Was Haare schädigt
Die Produktion von Haarfasern kann durch Medikamente, hormonelle Veränderungen, Krankheiten oder Mangelernährung beeinflusst werden. In der Regel ist es aber das ständige Föhnen, Rubbeln und Bürsten, das die Haare schädigt. Auch durchs Färben und Glätten können Haare trocken und strohig werden oder den gefürchteten "Spliss" bekommen: Haarschuppen reißen auf, das Haar verliert seinen Glanz und bricht im schlimmsten Fall ab.
Repair-Shampoos ohne tiefgreifenden Effekt
"Ultimate Repair", "Structure Repair", "Total Repair" - die Produktversprechen von Shampoos und Spülungen verheißen viel, halten aber meist wenig. Denn brüchige und strapazierte Haare lassen sich nicht einfach mit einem Shampoo "reparieren". Grundsätzlich können solche Produkte allerdings auf zwei unterschiedliche Weisen wirken:
- Gelöste Silikone bleiben als feinste Tropfen auf dem Haar kleben und bilden dadurch eine Schutzschicht.
- Positiv geladene Moleküle, sogenannte kationische Substanzen, lagern sich an der negativ geladenen Haaroberfläche an und bilden so einen glatten Überzug, der bis zur nächsten Wäsche besteht.
Repair-Shampoos bilden also nur eine Schicht um die Fasern, sodass das Haar glatter erscheint. Dieser Effekt hält nur bei regelmäßiger Anwendung an. Eine Strukturveränderung der Haare können solche Shampoos nicht bewirken.
Grow-Strong-Shampoo für mehr Haarwachstum?
"Fördert das Wachstum von 100 Prozent stärkerem Haar" - so wirbt ein Hersteller auf der Verpackung seines Shampoos. Experten wie die Hamburger Dermatologin Dr. Julia Maerker-Stroemer zweifeln derartige Werbesprechen stark an: "Ein Haar hat einen Wachstumszyklus, der bei jedem Menschen unterschiedlich, ungefähr zwischen drei und sechs Jahren liegt, und den wird ein Shampoo nicht verändern können." Das Haar könne außerdem durch ein Shampoo oder eine Spülung nicht zum Wachstum angeregt werden, da es aus seiner Wurzel herauswächst, die unter der Hautoberfläche liegt. "An diese Stelle kommt so ein Präparat gar nicht heran," erklärt die Dermatologin. Grow Strong-Shampoos können also, wie Repair-Shampoos, lediglich die Haarfasern mit einer Wirkstoffschicht ummanteln - und so nur in gewissem Maße vor Haarbruch schützen.
Koffein-Shampoos gegen Glatze: Wunsch versus Realität
Hormonelle Veränderungen im Körper, beispielsweise nach Schwangerschaften oder in den Wechseljahren, können zu Haarausfall führen. Das Haar regeneriert sich in diesen Fällen aber meistens von selbst, wenn sich der Hormonspiegel wieder normalisiert. Auch die männliche Glatze zählt in der Regel nicht zu den Haarkrankheiten. Sie ist genetisch bedingt und eher ein kosmetisches Problem. Trotzdem wünschen sich viele Männer ihre frühere Haarpracht zurück und probieren Koffein-Shampoos für dünner werdendes Haar aus.
Die Hersteller werben gerne mit wissenschaftlich belegter Wirksamkeit ihres Produkts - meist mit dem Zusatz "In-vitro-Studie". "In vitro" bedeutet, dass unter Laborbedingungen getestet wurde. Das Gegenteil davon sei eine In-vivo-Studie an echten Probanden, erklärt Dermatologin Dr. Julia Maerker-Stroemer. "In einer In-vitro-Studie werden Zellkulturen in eine Nährlösung gelegt und dann mit einer Substanz wie zum Beispiel Koffein über eine längere Zeit zusammengebracht. Tatsächlich ist es so, dass diese Zellen durch Koffein in ihrem Wachstum angeregt werden." Aber das spiegele nicht die Realität wider. "Shampoos haben beim Waschen eine Kontaktzeit von etwa 30 Sekunden auf der Kopfhaut. Diese Zeitspanne ist viel zu kurz, um auf die Zellen zu wirken."
Die Ursachen von Haarausfall erkennen
Eine Vielzahl von Faktoren kann Haarausfall auslösen: Wissenschaftlich anerkannt sind Vergiftungen, Pilzinfektionen der Kopfhaut, chronische Erkrankungen und die Einnahme bestimmter Medikamente. Daneben werden noch andere Ursachen genannt: Stress, Umweltgifte oder Vitaminmangel.
Dauerwellen, Colorationen, häufige Nutzung eines Glätteisens, starke UV-Strahlung sowie Chlor- und Salzwasser sind außerdem enorme Strapazen für Haare und Kopfhaut. Eine irritierte und gereizte Kopfhaut, vermehrte Schuppenbildung, stumpfes und sprödes Haar können die Folge sein.
Ein Haarverlust von etwa 100 Haaren pro Tag ist völlig normal. Wer deutlich mehr Haare verliert, sollte sich ärztlich untersuchen lassen. Viele Dermatologen bieten hierfür extra eine Haarsprechstunde an.