Ein Blaulicht bei Nacht. © picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Neue Blaulicht-Regeln gefährden Rettungskräfte

Stand: 16.05.2022 11:15 Uhr

Trotz Martinshorn und Blaulicht kommt es immer wieder zu Unfällen mit Fahrzeugen von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst. Nun hat das Bundesverkehrsministerium die Anzahl der Blaulichter auch noch eingeschränkt. Experten schlagen Alarm.

von Thomas Eckert

Wenn es um Leben und Tod geht, zählt jede Minute. Dann sind Einsatzfahrzeuge in Deutschland auch mit Blaulicht und Martinshorn im Einsatz. Doch gerade bei solchen Fahrten kann es schnell zu Unfällen kommen, denn viele Autofahrende übersehen die Fahrzeuge. Blaue Blitzlichter in Kühlergrill und Stoßstange sollen Einsatzfahrzeuge sicherer machen.

Bundesverkehrsministerium hat bisher geltende Regelung geändert

Bislang durften Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr so viele Blaulichter an ihre Einsatzfahrzeugen montieren, wie sie es für nötig hielten. Doch das Bundesverkehrsministerium hat mit Beschluss des Bundesrates den Blaulicht-Paragrafen geändert und die Zahl der zulässigen Blaulichter an Rettungs- und Einsatzfahrzeugen beschränkt. Mehr als ein Blaulicht ist laut § 52 Abs. 3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung nur noch erlaubt, wenn es die "geometrische Sichtbarkeit" erfordert.

Veraltete Definition von "geometrischer Sichtbarkeit"

Doch die Kriterien, was genau unter "geometrischer Sichtbarkeit" zu verstehen ist, wurden zuletzt im Jahr 1970 definiert und seitdem nicht mehr aktualisiert. Diese über 50 Jahre alte Definition schreibt eine Lichtabdeckung von 270 Grad als ausreichend vor. Das bedeutet, es genügt, wenn das Blaulicht nach vorne und zu den Seiten hin abstrahlt - nicht nach hinten.

Warum diese veraltete, aber immer noch gültige Vorschrift vor der Neuregelung nicht aktualisiert und an die heutigen Verkehrsbedingungen angepasst wurde, konnte das Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage von Markt nicht erklären.

Als Begründung für die Änderung des Blaulicht-Paragrafen führt das Bundesverkehrsministerium an, bei den heutigen Rettungs- und Einsatzfahrzeugen gebe es eine "Übersignalisierung" und behauptet, dies blende und verunsichere andere Verkehrsteilnehmer. Studien und Belege dafür hat das Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage von Markt nicht vorgelegt.

Besserer Schallschutz sorgt für schlechtere Wahrnehmung

Verbände und Unfallforscher kritisieren die Änderung des Blaulicht-Paragrafen und warnen, dass Rettungs- und Einsatzfahrzeuge zukünftig schlechter wahrgenommen werden könnten. Einer der Gründe: Besserer Schallschutz in modernen Autos führe nachweisbar dazu, dass das Einsatz- oder Martinshorn schlechter gehört wird. Die optische Warnung durch Extra-Blaulichter etwa im Kühlergrill, an Stoßstangen und bestimmten Eck-Punkten der Einsatzfahrzeuge werde daher immer wichtiger.

Experten warnen: Tödliche Unfälle werden zunehmen

Für Erstaunen bei Verbänden von Feuerwehr und Rettungsdienst sorgt nun ein Markt vorliegender Entwurf des Bundesverkehrsministeriums, in dem die Kriterien der "geometrischen Sichtbarkeit" neu definiert werden. Darin heißt es unter anderem, dass nach hinten strahlende Warnleuchten spätestens nach 60 Sekunden automatisch ausgeschaltet werden müssen, wenn das Einsatzfahrzeug zum Stillstand gekommen ist.

Experten wie Jan Noelle, Leiter der Stabsstelle Technische Entwicklung bei der Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein, halten solche Vorschriften für gefährlich: "Wenn ein Rettungswagen auf einer Autobahn oder einer Landstraße steht und nach hinten kein einziges Blaulicht sichtbar ist, dann ist das höchst lebensgefährlich für unsere Einsatzkräfte und natürlich auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer." Auch René Schubert vom Deutschen Feuerwehrverband warnt: "Die Fahrgeschwindigkeiten auf Autobahnen und Schnellstraßen sind sehr, sehr hoch. Die Notwendigkeit einer automatischen Abschaltung dieser wichtigen nach hinten gerichteten Warnleuchten kann ich nicht nachvollziehen."

 

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Dieses Thema im Programm:

Markt | 16.05.2022 | 20:15 Uhr

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