Inkasso: Welche Rechte haben Schuldner?
Wer Schulden hat, bekommt oft schnell Post von einem Inkassounternehmen. Dann wird es richtig teuer. Viele Geldeintreiber sind nur am eigenen Profit interessiert und setzen die Schuldner unter Druck. Welche Rechte Inkassounternehmen haben und welche Gebühren zum Beispiel grundsätzlich nicht legitim sind, erklärt Christian Maltry. Der Diplom-Sozialpädagoge ist langjähriges Mitglied des Arbeitskreises "InkassoWatch".
Was dürfen Inkassounternehmen von Schuldnern fordern und was nicht?
Sie können und dürfen Schuldnerinnen und Schuldner zur Zahlung auffordern, wenn die Forderungen prinzipiell unbestritten sind. Inkassounternehmen haben keine anderen Rechte als der ursprüngliche Gläubiger der Forderung. Verweigert ein Kunde beispielsweise die Zahlung, weil ein berechtigter Einwand gegen die Forderung besteht (etwa weil ein Produkt mangelhaft ist), muss der Streit zwischen Kunde und Gläubiger gegebenenfalls im gerichtlichen Verfahren geklärt werden. Hier sind Inkassounternehmen außen vor. Bei unbestrittenen Forderungen können Inkassounternehmen gegebenenfalls eine "Titulierung" betreiben, also einen gerichtlichen Mahnbescheid beantragen.
Wer beauftragt Inkassounternehmen, um Schulden einzufordern?
Mittlerweile gibt es kaum eine Branche, die nicht Inkassounternehmen beauftragt. Früher wurden solche Tätigkeiten ganz selbstverständlich von einer hauseigenen Mahnabteilung geleistet. Jetzt werden sie vermehrt an externe Dienstleister ausgelagert. Auch der örtliche Handwerker oder Einzelhändler bedienen sich der Dienstleistung von Inkassounternehmen.
Macht es für den Schuldner einen Unterschied, ob eine Inkassoforderung von einem Anwalt oder einem Inkassounternehmen kommt?
Nein. Spezialisierte Mahn-Anwälte machen genauso eine Vielzahl von Forderungen in weitgehend automatisierten Verfahren geltend wie Inkassounternehmen. Auch beim Mahn-Anwalt steht nicht das rechtliche Problem im Vordergrund, sondern die möglichst effiziente Bearbeitung von Tausenden von Inkassofällen.
Woran erkennen Schuldner, ob das Schreiben einer Inkassofirma korrekt ist?
Erste und wichtigste Prüfung ist selbstverständlich zu fragen: Warum wird von mir Geld verlangt? Welches Geschäft steht tatsächlich hinter der Forderung? Inkassounternehmen wie auch Mahn-Anwälte sind gesetzlich verpflichtet, mit dem ersten Mahnschreiben die Anspruchsgrundlage zu erläutern. Das heißt, es muss erkennbar sein, wann ich als Kunde bei wem, was gekauft, bestellt oder beauftragt habe. Fehlen diese Informationen, sollten Betroffene den Mahn-Anwalt oder das Inkassounternehmen auffordern, genau das offenzulegen und eine Zahlung bis dahin verweigern.
Wie finden Schuldner heraus, ob Anwalt oder Inkassounternehmen seriös sind?
Wenn Zweifel bestehen, sollte gegebenenfalls geprüft werden, ob das angebliche Inkassounternehmen oder der angebliche Rechtsanwalt tatsächlich existiert. Inkassounternehmen sind im Rechtsdienstleistungsregister aufgelistet. Findet sich dort kein Eintrag zu der Firma, dann ist es ein Beleg dafür, dass sie unseriös ist. Denn eine Inkassotätigkeit ohne entsprechende Erlaubnis ist verboten und mit einem Bußgeld bewehrt. Man muss allerdings auch sagen, dass auch manche der eingetragenen Firmen immer wieder überhöhte oder unzulässige Gebührenforderungen geltend machen. Ob ein Anwalt tatsächlich existiert, kann auf den Seiten der Bundesrechtsanwaltskammer geprüft werden. Fehlen diese Einträge, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Betrugsversuch.
Gibt es Posten auf Inkassorechnungen, die grundsätzlich nicht legitim sind?
Die "Gebührenfantasie" einzelner Inkassounternehmen ist nahezu unbegrenzt: Dazu zählen anlasslose Wohnsitzermittlungen, Kontoführungsgebühren, Bonitätsauskünfte und Identitätsfeststellungen. Das sind keine notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung und somit auch kein erstattungsfähiger Verzugsschaden.
Wie sollten Schuldner auf ein Inkassoschreiben reagieren, wenn sie Rechnungen wirklich nicht bezahlt haben?
Wurde einmal eine Rechnung übersehen, sollte die Zahlung so schnell wie möglich nachgeholt werden. Die dem Gläubiger entstandenen notwendigen Kosten sollten dann beglichen werden: Dabei handelt es sich in erster Linie um etwaige Auslagen (beispielsweise für Rückbuchung) oder die Kosten eines Mahnschreibens. Letztere sollten allerdings nicht über 2,50 Euro liegen.
Wenn auch diese erste kaufmännische Mahnung übersehen und mittlerweile ein Inkassounternehmen eingeschaltet wurde, sind auch dessen Kosten in angemessenem Umfang zu erstatten. Inkassokosten basieren auf den Preisen und Konditionen, die die Inkassounternehmen mit ihren Auftraggebern vereinbart haben. Die Höhe dieser Kosten hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Um Preistreiberei zu verhindern, sind die Kosten für die Inkassodienstleister gesetzlich "gedeckelt". Das bedeutet, dass die Kosten zumindest nicht höher sein dürfen als der Betrag, den ein Rechtsanwalt einmalig berechnen dürfte, wenn er mit dem Fall beauftragt worden wäre. Ein praktisches Online-Tool der Verbraucherzentralen ermöglicht die schnelle Prüfung, ob die geltend gemachten Kosten angemessen sind.
Wie ernst sind Androhung von Lohnpfändung, Vollstreckungsbescheiden oder sogar Haft zu nehmen?
Der Aufbau von Drohkulissen ist ständige Praxis vieler Inkassounternehmen. Aber selbstverständlich haben Inkassounternehmen keine hoheitlichen Befugnisse - wie etwa die Polizei oder Gerichte. Für jede Pfändung oder auch Abgabe einer Vermögensauskunft (früher: eidesstattliche Versicherung oder Offenbarungseid) ist eine gerichtliche Verfügung erforderlich.
Ohne rechtskräftiges Urteil oder einen Vollstreckungsbescheid, darf das Unternehmen keinerlei Vollstreckungsmaßnahmen durchführen. Werden trotzdem Maßnahmen wie Lohnpfändung, ein Hausbesuch oder gar eine Verhaftung (zur Abgabe der Vermögensauskunft) angedroht, so sollte die zuständige Inkassoaufsicht eingeschaltet werden. Das Gleiche gilt, wenn ein Schufa-Eintrag angedroht wird, um zweifelhafte oder strittige Forderungen einzutreiben.
Werden Inkassounternehmen von irgendwem kontrolliert?
Anfang 2023 hat der Bundestag beschlossen, dass die Aufsicht über Inkassounternehmen zentralisiert und gestärkt werden soll. Das neue Gesetz tritt ab 2025 in Kraft. Bisher ist die Aufsicht auf 38 Stellen bundesweit verteilt. Eine einheitliche Rechtspraxis ist damit unmöglich, es wird mit unterschiedlichen Maßstäben agiert. Das birgt die Gefahr, dass Inkassounternehmen sich immer dort ansiedeln, wo die Aufsicht nachgiebiger ist.
In welchem Fall sollten sich Schuldner professionellen Rat holen?
Wenn Sie der Meinung sind, dass die Forderung ganz oder teilweise zu Unrecht erhoben wird, sollten Sie immer professionellen Rat durch Schuldnerberatungsstellen, Verbraucherzentralen oder Rechtsanwälte einholen. Das Gleiche gilt natürlich, wenn Ihnen bei einer berechtigten Grundforderung die geltend gemachten Kosten als zu hoch erscheinen.
Was sollte ich tun, wenn ich auf einen Betrug hereingefallen bin oder mir Betrüger Inkassoschreiben mit erfundenen Forderungen schicken?
Betrügerische Inkassoschreiben sollten Sie immer bei der zuständigen Polizeidienststelle und der Inkassoaufsicht anzeigen. Dies gilt umso mehr, wenn Sie tatsächlich Zahlungen geleistet haben.
Am 1. Oktober 2021 ist das "Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht" in Kraft getreten. Was hat sich dadurch geändert?
Bis dahin haben sich die Mahngebühren von Inkassounternehmen an der Gebührenordnung der Rechtsanwälte orientiert. Bei kleinen Rechnungsbeträgen konnten die Kosten den säumigen Betrag schnell deutlich übersteigen. Durch das neue Gesetz zahlen Verbraucher weniger Mahngebühren auf Rechnungsbeträge bis 50 Euro, oder auf Forderungen, die sie bereits nach der ersten Mahnung bezahlt haben. Teuer kann es jedoch weiterhin für diejenigen werden, die sich mit dem Bezahlen säumiger Rechnungen Zeit lassen und so weiteren Aufwand seitens des Inkassounternehmens verursachen - beispielsweise durch weitere Mahnschreiben oder ein gerichtliches Mahnverfahren.
Trotz der neuen Rechtslage ist für Verbraucher weiterhin schwer nachvollziehbar, welche Forderungen seitens der Inkassounternehmen berechtigt sind und welche nicht. Obwohl das rechtzeitige Bezahlen säumiger Rechnungen nach neuem Recht Mahnkosten spart, rät die Verbraucherzentrale, die Rechnungsposten der Inkassounternehmen vorher genau zu prüfen.
Wie hoch dürfen Inkassokosten sein?
Als Maßstab wird angelegt, was ein Rechtsanwalt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abrechnen könnte. Anwaltliche Gebühren errechnen sich unter anderem aus dem Streitwert (Wert des geforderten Betrages) sowie Umfang und Schwierigkeit der Aufgabe. Für anspruchsvolle Fälle kann ein Anwalt eine 1,3-fache Gebühr berechnen, so dass bei einer Forderung von 500 Euro eine Gebühr von 63,70 Euro fällig wird. Hinzu kommen noch Auslagen und gegebenenfalls die Mehrwertsteuer.
Für diese Gebühr muss ein Anwalt allerdings erheblich mehr Leistung erbringen, als bei einer einfachen Inkassotätigkeit anfallen. Mit der Gebühr abgedeckt sind unter anderem die rechtliche Prüfung eines Anspruchs, Kommentar- und Aktenstudium sowie die Verhandlungen mit der Gegenseite Das typische Inkassomandat umfasst in der Regel nur das Einpflegen der Daten in eine Datenbank und die automatisierte Erstellung von Mahnschreiben. Im direkten Vergleich der Tätigkeiten sind daher auch die Höchstgrenzen für Inkassogebühren überzogen.
Seit 1. Oktober 2021 sind die Gebühren gedeckelt und je nach Aufwand unterteilt:
- Einfacher Fall: 0,5 Gebühr
- Durchschnittlicher Fall: 0,9 Gebühr
- Anspruchsvoller Fall: 1,3 Gebühr
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