Halbinsel Wustrow: Naturparadies zwischen Ostsee und Salzhaff
Lange galt die Halbinsel Wustrow an der Mecklenburger Bucht als verbotene Insel. Mittlerweile können Besucher das Naturidyll an der Ostsee bei geführten Wanderungen und auf Kutschfahrten entdecken.
Die blaue Ostsee und ein kilometerlanger Sandstrand auf der einen, das malerische Salzhaff auf der anderen Seite: Die Halbinsel Wustrow ist ein besonderer Ort. Was nach einem idealen Urlaubziel klingt, ist jedoch seit Jahrzehnten für die Öffentlichkeit gesperrt. Denn Wustrow ist ehemaliges Militärgelände. Baufällige Ruinen und Hohlräume sowie militärische Altlasten könnten Besuchern gefährlich werden.
Geführte Wanderungen, Planwagen-Fahrten und Schiffstouren
Seit 2018 ist die Halbinsel, die über den 300 Meter schmalen "Wustrower Hals" im Norden mit dem Ostseebad Rerik verbunden ist, unter Auflagen teilweise wieder zugänglich. Begleitete Besichtigungen sind möglich. Interessierte können an geführten eineinhalbstündigen Wanderungen durch die ehemalige Wohnsiedlung Rerik-West teilnehmen. Auf einer Planwagen-Fahrt, die etwa zweieinhalb Stunden dauert, bieten sich beeindruckende Ausblicke auf die Insel, die inzwischen von der Natur zurückerobert wurde. Auf Schiffstouren ab Rerik lässt sich Wustrow vom Wasser aus entdecken und viel über die wechselvolle Geschichte der Insel erfahren.
Pläne für Ferienanlage auf Wustrow scheiterten
Ursprünglich sollte auf Wustrow eine luxuriöse Ferienanlage entstehen. Die Fundus-Gruppe, die die Halbinsel 1998 kaufte, wollte den ehemaligen sowjetischen Kasernenstandort sanieren und zum Urlaubsresort mit Jachthafen, Golfplatz und Reiterhof ausbauen. Doch die Pläne scheiterten unter anderem am Widerstand der Stadt Rerik: Sie wollte verhindern, dass sich jeden Tag Tausende Autos durch die Stadt und über den schmalen Wustrower Hals wälzen und beschloss, die Halbinsel für den Autoverkehr zu schließen. Daraufhin sperrte der Eigentümer 2004 den Zugang, damit waren keine Führungen mehr möglich.
Paradies für seltene Tiere und Pflanzen
So blieb Wustrow der Natur überlassen: Rund 90 teils seltene Vogelarten, darunter Kormorane und Neuntöter, leben auf der Halbinsel. Auch rund 20 Libellenarten, Füchse, Dachse und Mufflons sind hier heimisch, ebenso wie blonde Wildschweine, eine Kreuzung aus Haus- und Wildschwein. Auf Wustrow gedeihen zudem salzliebende Pflanzen wie Stranddistel, Sand-Lieschgras und Echter Meerkohl. Außerdem finden sich viele Rosen- und Weißdorn-Arten sowie Wiesen-Margeriten.
Ackerland wird Wehrmachtsgelände
Doch wie kam es eigentlich, dass Wustrow über Jahrzehnte gesperrt blieb? Ein Blick zurück: Die Halbinsel findet erstmals 1273 im Stadtbuch von Wismar Erwähnung. Sie ist mehrere Jahrhunderte lang im Besitz adliger Familien und wird zumeist landwirtschaftlich genutzt. Als Folge der Sturmflut von 1872 wird Wustrow kurzzeitig eine Insel, bis ein künstlicher Deich als feste Verbindung zum Festland angelegt wird. 1933 kauft die Wehrmacht die Landzunge und errichtet dort Deutschlands größte Flakartillerieschule. Die Bauern werden umgesiedelt.
Moderne Gartenstadt mit Kino und Schwimmbad
Innerhalb von fünf Jahren entstehen im vorderen Teil der Halbinsel große Kasernenanlagen, ein Flugplatz und kleine Häfen an Ostsee und Salzhaff. Im westlichen Teil wird die 100 Hektar große Siedlung Rerik-West für die zivilen Angehörigen gebaut. Federführend für den Bau der 90 Häuser der Gartenstadt ist der gebürtige Rostocker Bauhaus-Architekt Heinrich Tessenow. Die hellen Wohnungen sind alle mit fließendem Wasser und Balkonen ausgestattet. Aus jedem der Häuser hat man einen Blick zum Meer - einige besitzen schon eine Zentralheizung. Es gibt ein Kino, eine Kegelbahn, eine Kläranlage und das seinerzeit modernste Schwimmbad Deutschlands.
Sowjetarmee hält Einzug
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nutzen zunächst Tausende Flüchtlinge die Wohnungen als Unterkunft, bis das sowjetische Militär alle Deutschen zum Verlassen der Halbinsel auffordert und die Garnison Wustrow gründet. Die sowjetischen Truppen bringen 2.300 Panzer mit und sprengen alle militärischen Bauten und Anlagen, darunter drei Flugzeughangars und eine Werft. Nur in der Gartenstadt bleiben einige Häuser stehen. Die Sowjetarmee errichtet unter anderem Fahrzeug- und Lagerhallen, Baracken und Wachhäuser.
Abzug der Russen und Kauf durch Investor
Nach der Wende ziehen im Oktober 1993 die letzten russischen Soldaten ab. 1998 wird die Halbinsel an die Fundus-Gruppe verkauft, die die Insel schließlich sperrt. 14 Jahre später ist sie dann wieder zugänglich. Seitdem hat der Investor Teile seiner ursprünglichen Bebauungspläne aufgegeben, hält aber weiter an einer touristischen Nutzung fest. Auch ein möglicher Rückkauf der Halbinsel durch das Land steht im Raum. Die Zukunft Wustrows bleibt ungewiss.