Zeitreise: Umweltschutzaktionen von den 1980ern bis heute
Walfang, Ozonlöcher, Atomkraft: Als die ersten Umweltschützer dagegen demonstrierten, galt solcher Protest noch als radikal.
Seit mehr als 40 Jahren engagieren sich Menschen aus Schleswig-Holstein für Umweltschutz: in ihrer Gemeinde oder weltweit, mit kleinen und großen Aktionen - und wer einmal dabei ist, bleibt es meistens ein Leben lang, so wie Unnolf Harder und Familie Boll. Bei Bettina und Gerhard Boll aus Geesthacht waren die AKWs in Brokdorf und Krümmel der Auslöser, wie für viele andere Schleswig-Holsteiner auch. Die Bolls sind seit 1981 in der Anti-Atom-Bewegung - trotz Gegenwind.
Schweigebehandlung und Morddrohungen
"Mit meiner Familie war das ganz schwierig: Teilweise sind sie auf die andere Straßenseite gegangen, wollten mit mir nichts mehr zu tun haben. Erst nach Fukushima habe sich das geändert", erzählt Bettina Boll. Auch bei anderen Projekten ihres Engagements, zum Beispiel gegen den Transrapid, stoßen die Bolls damals immer wieder auf Unverständnis, auch von Fremden. Werden teilweise in ihrem Garten beschimpft, bekommen Drohanrufe und Morddrohungen. Bettina Boll sagt: "Ich will nicht lügen: Ich war schon manchmal sehr, sehr, sehr down und erschöpft bis zum Geht-nicht-mehr. Was manchmal jetzt noch so ist, weil die Themen immer so wiederkehren, sodass ich mittlerweile auch sehr müde bin." Doch sie und ihre Familie machen weiter - bis heute.
"Es geht um unser aller Zukunft"
Jeden Tag engagieren sie sich für mehr Nachhaltigkeit: In ihrem gemütlich eingerichteten Zuhause stammt vieles vom Sperrmüll - von Bettina und Gerhard aufgearbeitet, bekommen die Gegenstände ein zweites, langes Leben. Auch ihr Sohn setzt sich als Erwachsener für Umweltschutz ein. Mit ihm sind die Werte und Ziele seiner Eltern auch ins Internet gewandert: Dort will Jörn-Peter Boll mit Info-Grafiken digital auf Umweltschutzthemen aufmerksam machen. Das Engagement seiner Eltern hat ihn tief geprägt: "Einerseits war ich da immer stolz darauf, dass es meinen Eltern nicht nur um sie selbst geht, sondern um unser aller Zukunft. Ich habe gelernt, dass es mehr gibt als den eigenen Horizont. Aber ich musste schon ordentlich die Kosten dafür tragen, die Schulzeit war beschissen: Ich war der komische Ökotyp und wurde dafür gemobbt."
Persönliche Kosten für den Umweltschutz
Auch er musste vor mehr als 30 Jahren mehrfach persönlich die Konsequenzen tragen für sein Engagement im Umweltschutz: Unnolf Harder wurde 1989 als Student für Agrarwissenschaften für Greenpeace aktiv, organisierte mit anderen Ehrenamtlichen Demonstrationen und Infostände in Kiel und schloss sich auch dem Greenpeace-Kletterteam an. Damit nahm er auch an Aktionen außerhalb Schleswig-Holsteins teil, erkletterte und besetzte Atomkraftwerke und Ölplattformen, wie 1995 zum Beispiel das Shell-Zwischenlager "Brent Spar" mitten in der Nordsee vor den Shetlandinseln. Etwa ein Dutzend Mal wurde Unnolf Harder bei solchen Aktionen festgenommen. "Es gibt immer wieder Diskussionen um diese Frage, was betrachte ich selbst als legitim? Es geht ja nicht um den Regelbruch an sich, sondern um eine gezielte Grenzüberschreitung. Das muss nachvollziehbar sein, wenn ich eine Bewegung erreichen will. Das Ziel kann ambitioniert sein, das kann provokant sein. Aber es muss nachvollziehbar sein", erklärt er. Für ihn persönlich waren der Klimawandel und der Verlust an Artenvielfalt immer gute Gründe, um manche Grenzen zu überschreiten, und beispielsweise Hausfriedensbruch bei großen Energieunternehmen zu rechtfertigen.
Jahrzehntelanges Engagement und kein Ende in Sicht
Heute hat Unnolf Harder das Engagement für den Umweltschutz zu seinem Beruf gemacht, arbeitet hauptamtlich bei Greenpeace. Die Themen, die ihn vor mehr als 30 Jahren umgetrieben haben, sind teilweise heute noch dieselben: Fossile Rohstoffe, Verkehrswende, Verschmutzung der Meere. Trotzdem blicke er optimistisch in die Zukunft, sagt Unnolf Harder: "Ich bin ein bisschen so gestrickt, dass wenn ich irgendwo Probleme sehe, dann will ich die lösen und ich gucke immer auf das, was geht. Und es gibt viele Beispiele, wo es vorangeht - in der Regel nicht schnell genug, aber es gibt eine Bewegung in die richtige Richtung."
Zu Beginn ihres Engagements mussten Unnolf Harder, Bettina und Gerhard Boll noch stärker um politische Aufmerksamkeit für Umwelt-Themen kämpfen. Erst neun Jahre nach der ersten Weltklimakonferenz 1979 in Genf fand die zweite statt, seit 1995 gibt es die UN-Klimakonferenz jährlich.