Windkraftausbau: Genehmigungen müssen einfacher und schneller werden

Stand: 23.03.2023 08:19 Uhr

Wind gibt es in Schleswig-Holstein reichlich, doch nach wie vor wird zu wenig davon zu Strom. Vor allem lange Genehmigungsverfahren bremsen den Ausbau. Das soll eine Notfallverordnung und ein Windgipfel ändern. Bringt das mehr Tempo?

von Julia Schumacher

Papier, das zwanzig Aktenordner füllt - so umfangreich sind im Schnitt die Unterlagen für die Genehmigung einer Windkraftanlage. Das sind 1,6 Meter Unterlagen. Und bis diese bearbeitet und genehmigt sind, braucht es viel Zeit. Wind-Projektleiter Dirk Jesaitis aus Eckernförde musste zuletzt zehn Monate warten, bis die Behörde die Unterlagen überhaupt auf Vollständigkeit geprüft hatte.

Vor 33 Jahren: 15 Seiten Genehmigung

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) © picture alliance Foto: Michael Kappeler
Bundeswirtschaftminister Robert Habeck sieht die "großen Brocken" ausgeräumt. Trotzdem hat sein Nachfolger im Energiewendeministerium in Schleswig-Holstein einige Forderungen an ihn.

1990 hat er gemeinsam mit seinem Vater das Unternehmen Plan 8 gegründet: "Da haben wir den ersten Genehmigungsantrag für zwei Windkraftanlagen gestellt direkt hinter meinem Elternhaus in Dithmarschen an der Nordsee." Der Antrag bestand damals aus einer dünnen Mappe mit 15 oder 20 Seiten Papier, erzählt Jesaitis. "Und das ist innerhalb von vier Wochen genehmigt worden. Ein paar Monate später standen die Anlagen und drehten sich." In den vergangenen 33 Jahren seien die Verfahren immer schwieriger, immer komplexer und immer langwieriger geworden.

Habeck: Lediglich kleinere Feldsteine auf dem Weg

Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sollte es jetzt wieder so sein, dass sich nach ein paar Monaten die Anlagen drehen. Beim Windgipfel in Berlin am Mittwoch sieht er sich auf einem guten Weg dahin: "Im Kern ist es so, dass wir mit den großen Gesetzespaketen des letzten Jahres und beispielsweise mit der Notfallverordnung vom Anfang dieses Jahres - ich würde sagen - die große Brocken auf dem Weg zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien weggeräumt haben." Lediglich kleinere Feldsteine würden noch auf dem Weg liegen.

AUDIO: "Windgipfel" in Berlin - mehr Tempo für die Windkraft (4 Min)

Mit der Notfallverordnung sollen die Verfahren zum Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden, in dem Ausnahmen in den Verfahrensschritten erlaubt werden: In ausgewiesenen Gebieten, die bereits eine Strategische Umweltprüfung (SUP) durchlaufen haben, entfällt im Genehmigungsverfahren die Pflicht der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und der artenschutzrechtlichen Prüfung für Erneuerbare-Energien-Anlagen und Netze, heißt es vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Mehrere Jahre für Kartierung von Vögeln

Das hat den Effekt, dass die Vorbereitungszeit für einen Antrag kürzer wird, sagt auch Windplaner Dirk Jesaitis: "Es hilft natürlich insbesondere da, wo wir ausgewiesene Eignungsräume haben, weil in der Regel ist es ja so: Bevor man überhaupt so weit ist, einen Genehmigungsantrag vollständig einreichen zu können, hat man schon zwei, drei, vier Jahre Vorarbeit geleistet." Diese Vorarbeit bestehe im Wesentlichen aus Kartierungen von Ornithologen - also der Feststellung von Flugbewegungen von Vögeln und ihrem Brutverhalten.

Acht neue Stellen für die Genehmigungsbehörden

"Wenn es jetzt so kommt, dass Genehmigungsanträge für solche Projekte diesen ganzen Umweltteil nicht brauchen, dann geht es natürlich auch bei uns im Hause schneller, überhaupt so einen Antrag fertigzustellen und einzureichen", sagt Jesaitis. Aber: "Dass er bei der Behörde wahrscheinlich trotzdem länger liegen bleibt, ist dadurch nicht gelöst." Denn da fehle das Personal, um die Anträge zu bearbeiten. Es sei eine Aufgabe der Politik, dieses Problem zu lösen. Und die hat diese Aufgabe just auch wahrgenommen: Die Finanzierung für acht neue Stellen in den Genehmigungsbehörden für erneuerbare Energie ist beschlossen. Das hat der Landtag am Mittwoch mit dem neuen Haushalt für 2023 verabschiedet. Bundesweit fehlen allerdings Stellen im fünfstelligen Bereich.

Weitere Informationen
Eine Luftaufnahme zweier Windräder in einem Rapsfeld. © fotolia / Tim Siegert batcam Foto: Tim Siegert

Gericht kippt Windpläne für den Norden Schleswig-Holsteins

Die Windkraft-Planung für einzelne Regionen in SH ist unwirksam. Die Landesregierung wird davon kalt erwischt, die SPD spricht von einer "Klatsche". mehr

Goldschmidt: Hersteller kommen mit Produktion nicht hinterher

Portrait von Tobias Goldschmidt © dpa-Bildfunk Foto: Marcus Brandt
Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sieht Defizite bei der Industriepolitik, die den Winkraftausbau bremsen.

Aber selbst, wenn schneller bewilligt werde, warte bereits das nächste Problem - erklärt Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne): "Wir haben zurzeit ungefähr zwei Gigawatt Windkraftleistung, die genehmigt sind, aber nicht gebaut werden können." Dass selbst mit erteilter Genehmigung nicht gebaut werde, erklärt Goldschmidt so: "Das hat häufig damit zu tun, dass sich die Bedingungen an den Kapitalmärkten verschlechtert haben, aber auch, dass die Produktionspipeline bei den Herstellern von Windkraftanlagen überlastet ist."

Er fordert von seinem Amtsvorgänger, dem jetzigen Bundeswirtschaftsminster Rober Habeck, dass sich bei der Industriepolitik im Bereich der erneuerbaren Energien etwas verändert - zum Beispiel durch mehr Anreize für Fachkräfte oder bessere Kreditbedingungen. Damit Windkraftanlagen nicht nur schneller genehmigt, sondern auch gebaut werden können.

Bis 2030 sollen es 15 Gigawatt Leistung sein. Das ist das Ziel der Koalition. Momentan ist gerade einmal die Hälfte erreicht.

Weitere Informationen
Fahrradfahrer fahren mit ihren Fahrrädern über einen Deich am Meer - im Hintergrund drehen sich Windräder. © picture alliance/dpa/Rolf Vennenbernd Foto: Rolf Vennenbernd

Windkraftausbau: Kann SH seine Ziele noch erreichen?

15 Gigawatt installierte Leistung bis zum Jahr 2030 hat sich die Koalition zum Ziel gesetzt. Aktuell hat SH nicht einmal die Hälfte erreicht. mehr

Zahlreiche Windräder mit Rot-Weißen Rotorblättern stehen auf offener Fläche. © NDR Screenshot

Kieler Start-up will Windräder leiser machen

Mit einer Software wollen die Entwickler die Geräusche von Windrädern verringern. Das könnte die Energiewende vorantreiben. mehr

Mehrere Windräder stehen auf einem Feld. © NDR

Streit um Windkraft auf Eiderstedt

Auf der Halbinsel Eiderstedt soll ein neuer Bürgerwindpark entstehen. Eine Bürgerinitaitive lehnt das Projekt ab. mehr

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 22.03.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Windenergie

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Boote der 49er FX-Klasse sind zum Start bereit bei einer Wettfahrt im Rahmen der Kieler Woche auf der Förde vor Schilksee. © picture alliance/dpa Foto: Frank Molter

Olympia 2036 oder 2040: Kiel bewirbt sich um Segelwettkämpfe

Die Landeshauptstadt will zum dritten Mal Austragungsort werden. Neben Schilksee sollen neue Reviere dazukommen. mehr

Videos

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?