Windkraftausbau: Genehmigungen müssen einfacher und schneller werden
Wind gibt es in Schleswig-Holstein reichlich, doch nach wie vor wird zu wenig davon zu Strom. Vor allem lange Genehmigungsverfahren bremsen den Ausbau. Das soll eine Notfallverordnung und ein Windgipfel ändern. Bringt das mehr Tempo?
Papier, das zwanzig Aktenordner füllt - so umfangreich sind im Schnitt die Unterlagen für die Genehmigung einer Windkraftanlage. Das sind 1,6 Meter Unterlagen. Und bis diese bearbeitet und genehmigt sind, braucht es viel Zeit. Wind-Projektleiter Dirk Jesaitis aus Eckernförde musste zuletzt zehn Monate warten, bis die Behörde die Unterlagen überhaupt auf Vollständigkeit geprüft hatte.
Vor 33 Jahren: 15 Seiten Genehmigung
1990 hat er gemeinsam mit seinem Vater das Unternehmen Plan 8 gegründet: "Da haben wir den ersten Genehmigungsantrag für zwei Windkraftanlagen gestellt direkt hinter meinem Elternhaus in Dithmarschen an der Nordsee." Der Antrag bestand damals aus einer dünnen Mappe mit 15 oder 20 Seiten Papier, erzählt Jesaitis. "Und das ist innerhalb von vier Wochen genehmigt worden. Ein paar Monate später standen die Anlagen und drehten sich." In den vergangenen 33 Jahren seien die Verfahren immer schwieriger, immer komplexer und immer langwieriger geworden.
Habeck: Lediglich kleinere Feldsteine auf dem Weg
Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sollte es jetzt wieder so sein, dass sich nach ein paar Monaten die Anlagen drehen. Beim Windgipfel in Berlin am Mittwoch sieht er sich auf einem guten Weg dahin: "Im Kern ist es so, dass wir mit den großen Gesetzespaketen des letzten Jahres und beispielsweise mit der Notfallverordnung vom Anfang dieses Jahres - ich würde sagen - die große Brocken auf dem Weg zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien weggeräumt haben." Lediglich kleinere Feldsteine würden noch auf dem Weg liegen.
Mit der Notfallverordnung sollen die Verfahren zum Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden, in dem Ausnahmen in den Verfahrensschritten erlaubt werden: In ausgewiesenen Gebieten, die bereits eine Strategische Umweltprüfung (SUP) durchlaufen haben, entfällt im Genehmigungsverfahren die Pflicht der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und der artenschutzrechtlichen Prüfung für Erneuerbare-Energien-Anlagen und Netze, heißt es vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Mehrere Jahre für Kartierung von Vögeln
Das hat den Effekt, dass die Vorbereitungszeit für einen Antrag kürzer wird, sagt auch Windplaner Dirk Jesaitis: "Es hilft natürlich insbesondere da, wo wir ausgewiesene Eignungsräume haben, weil in der Regel ist es ja so: Bevor man überhaupt so weit ist, einen Genehmigungsantrag vollständig einreichen zu können, hat man schon zwei, drei, vier Jahre Vorarbeit geleistet." Diese Vorarbeit bestehe im Wesentlichen aus Kartierungen von Ornithologen - also der Feststellung von Flugbewegungen von Vögeln und ihrem Brutverhalten.
Acht neue Stellen für die Genehmigungsbehörden
"Wenn es jetzt so kommt, dass Genehmigungsanträge für solche Projekte diesen ganzen Umweltteil nicht brauchen, dann geht es natürlich auch bei uns im Hause schneller, überhaupt so einen Antrag fertigzustellen und einzureichen", sagt Jesaitis. Aber: "Dass er bei der Behörde wahrscheinlich trotzdem länger liegen bleibt, ist dadurch nicht gelöst." Denn da fehle das Personal, um die Anträge zu bearbeiten. Es sei eine Aufgabe der Politik, dieses Problem zu lösen. Und die hat diese Aufgabe just auch wahrgenommen: Die Finanzierung für acht neue Stellen in den Genehmigungsbehörden für erneuerbare Energie ist beschlossen. Das hat der Landtag am Mittwoch mit dem neuen Haushalt für 2023 verabschiedet. Bundesweit fehlen allerdings Stellen im fünfstelligen Bereich.
Goldschmidt: Hersteller kommen mit Produktion nicht hinterher
Aber selbst, wenn schneller bewilligt werde, warte bereits das nächste Problem - erklärt Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne): "Wir haben zurzeit ungefähr zwei Gigawatt Windkraftleistung, die genehmigt sind, aber nicht gebaut werden können." Dass selbst mit erteilter Genehmigung nicht gebaut werde, erklärt Goldschmidt so: "Das hat häufig damit zu tun, dass sich die Bedingungen an den Kapitalmärkten verschlechtert haben, aber auch, dass die Produktionspipeline bei den Herstellern von Windkraftanlagen überlastet ist."
Er fordert von seinem Amtsvorgänger, dem jetzigen Bundeswirtschaftsminster Rober Habeck, dass sich bei der Industriepolitik im Bereich der erneuerbaren Energien etwas verändert - zum Beispiel durch mehr Anreize für Fachkräfte oder bessere Kreditbedingungen. Damit Windkraftanlagen nicht nur schneller genehmigt, sondern auch gebaut werden können.
Bis 2030 sollen es 15 Gigawatt Leistung sein. Das ist das Ziel der Koalition. Momentan ist gerade einmal die Hälfte erreicht.