Gericht kippt Windpläne für den Norden Schleswig-Holsteins
Die Windkraft-Planung für den Norden Schleswig-Holsteins muss möglicherweise neu aufgerollt werden. Klagen von Projektgesellschaften hatten vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig Erfolg.
Die Schleswiger Richter erklärten den Regionalplan für den Planungsraum 1 für unwirksam - eigentlich sollten darin Vorranggebiete im Raum Flensburg und in den Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg ausgewiesen werden. Zur Begründung hieß es, die Festlegung von Vorranggebieten für die Windenergie leide an einem Abwägungsmangel.
Gericht: Fehler im Planungsraum 1
Erfolg hatte die Klage einer Projektgesellschaft, die im nördlichen Kreis Schleswig-Flensburg ein Windrad errichten wollte. Der Regionalplan führt die Landschaftsschutzgebiete Wiedingharder und Gotteskoog sowie Ostenfeld-Schwabstedter Geest mit vorgelagerter Marsch im Kreis Nordfriesland als Tabugebiete für Windkraft auf. Die Ausweisung dieser Gebiete als Bereiche ohne Windräder beruhte laut Gericht jedoch auf Kreisverordnungen, die das OVG bereits vor knapp drei Jahren mit Urteilen für unwirksam erklärt hatte. "Der Ausschluss dieser beiden Gebiete von der Windkraftplanung hätte demnach nur nach einer ergänzenden Abwägung erfolgen können; eine solche war jedoch unterblieben."
Innenministerin: Urteil hat uns kalt erwischt
Schleswig-Holstein Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) räumte ein, vom Urteil kalt erwischt worden zu sein. Sie habe nicht damit gerechnet. Jetzt werde sich die Landesregierung das Urteil und die Begründung zunächst genau ansehen und dann entscheiden, ob man Rechtsmittel einlegen könne, sagte sie im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein. Solange das Urteil des Oberverwaltungsgericht nicht rechtskräftig sei, ändere sich nichts an den derzeitigen Windplänen im Planungsraum I, betonte die Innenministerin. Die dort ausgewiesenen Vorranggebiete bleiben bestehen und bilden weiterhin die Grundlage für die Genehmigung beziehungsweise die Ablehnung von Windenergieanlagen.
Falls die Entscheidung rechtskräftig werden solle, werde die Landesregierung laut Sütterlin-Waack alle Handlungsmöglichkeiten prüfen und danach eine Entscheidung zur weiteren Vorgehensweise treffen. Es müsse geprüft werden, wie der Windkraftausbau vorangetrieben werden kann, ohne dass Wildwuchs entstehe. "Ziel soll aber der Erhalt einer geordneten Windplanung in Schleswig-Holstein bleiben", hieß es in einer Stellungnahme. "Die Landesregierung hat bereits angekündigt, über die ursprüngliche Planung hinaus weitere Flächen für die Windkraft zur Verfügung zu stellen", so Sütterlin-Waack weiter. Dabei sollen Flächen, die bereits als sogenannte Potenzialflächen betrachtet worden sind, erneut überprüft werden.
Opposition: Klatsche für die Landesregierung
Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD) sprach von einer Klatsche für die Landesregierung. Möglicherweise stehe man nun wieder bei Null. "Ich will nicht verhehlen, dass wir viel Kritik an den Plänen hatten, dass wir davor gewarnt haben, dass das passiert. Aber es ist jetzt auch wichtig, dass wir an dieser Stelle gemeinsam im Haus nach Lösungen suchen. Was uns nicht passieren darf, dass uns die Akzeptanz für den Windkraftausbau flöten geht, weil wir Pläne haben, die gescheitert sind." Man biete sich der Landesregierung an, zusammen zu arbeiten, betont Losse-Müller.
Anfang Juni will sich das Gericht mit dem Regionalplan 2 für Kiel und Neumünster sowie für die Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde befassen.
Landesverband Windenergie: Erneut Rechtsunsicherheit in der Branche
Der Landesverband Windenergie sprach von einer frustrierenden Situation. "Sie bringt erneut Rechtsunsicherheit in die Branche", sagte Geschäftsführer Marcus Hrach. Die Landesregierung müsse schnell für Rechtssicherheit sorgen. Der Windkraftausbau dürfe nicht noch einmal wertvolle Jahre verlieren. "Noch so einen langen Prozess wie nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts von 2015 kann und darf es nicht noch einmal geben." Die Politik dürfe jetzt auf keinen Fall erneut ein Moratorium ausrufen, denn das würde den Ausbau zum Stoppen bringen, sagte Hrach. "Wie schon mehrfach gefordert, muss die Landesplanung jetzt schnellstens mit einer neuen Flächenplanung für die Windenergie beginnen. Diese muss rechtssicher sein, tatsächlich bebaubare Flächen für moderne Windenergieanlagen ausweisen sowie das landeseigene Ziel der Klimaneutralität bis 2040 mitdenken."