Wind- und Solarparks - werden Bürger finanziell beteiligt?
Derzeit stellen sich die Weichen für viele Wind- und Solarprojekte in Schleswig-Holstein. Investoren werben damit, dass Bürger mitverdienen können. Allerdings nur mit minimalem Anteil.
"Hier machen Bürger Wind" - mit einem großen Stellplakat informiert die Windpark Handewitt-West GmbH & Co. KG vorbeifahrende Autofahrer über die sieben großen Anlagen, die gerade in die Höhe wachsen. Tatsächlich investieren hier Bürgerinnen und Bürger im Kreis Schleswig-Flensburg in ein Großprojekt. Aber es sind vor allem die Landeigentümer selbst. Laut Handelsregister sind derzeit 25 Kommanditisten aus der Region eingetragen.
Als Projektentwickler Jan Lorenzen bei einer Bürgerinformation Rede und Antwort steht, ist einigen Zuhörern die Verwunderung anzumerken. Nur 70 direkte Anwohner sollen die Chance bekommen, sich mit jeweils bis zu 10.000 Euro zu beteiligen. Der Preis für die Windräder sei gerade deutlich gestiegen, rechnet Lorenzen vor. Es gehe um 4,2 Millionen Euro pro Anlage, insgesamt also knapp 30 Millionen Euro allein für die Windräder. Die Bürgerbeteiligung beschränkt sich damit auf nur rund zwei Prozent der Investitionssumme.
"Akzeptanz des Windparks steigt, wenn mehr Bürger im Boot sind"
Anwohner Henning Lorenzen ist enttäuscht. Sein Haus befindet sich knapp außerhalb des Beteiligungskreises. Er meint: "Dass es ein Bürgerwindpark ist, kann ich nicht erkennen. Von daher hoffe ich, dass die Gemeinde Handewitt die Gebiete, die noch da sind, tatsächlich an die Bürger heranbringt." Er ist überzeugt, dass die Akzeptanz steigt, wenn mehr Bürger finanziell mit im Boot sind. Handewitts Bürgermeister Thomas Rasmussen (parteilos) zeigt hingegen Verständnis dafür, dass sich nicht alle 10.700 Handewitter an dem Windpark beteiligen können: "Ich finde, die Bürgerbeteiligung ist besonders gut bei denjenigen aufgehoben, die auch von dem Windpark unmittelbar betroffen sind."
Bis 2030: Viermal so viele Solarparks geplant
In den kommenden Jahren geht es in den Flächen in ganz Schleswig-Holstein um viel Geld. Nach dem Ausbaupfad des Bundeswirtschaftsministeriums sollen sich die Zahl der Windanlagen in Deutschland an Land bis 2030 etwa verdoppeln. Auch in Schleswig-Holstein kommt noch einiges hinzu. Photovoltaik müsste sich vervierfachen. Zuletzt rechnete sich Solarstrom auf Freiflächen auch ohne die garantierten Abnahmepreise und damit gänzlich ohne Förderung. Der Bund schöpft momentan die Einnahmen ab. Deshalb kommen neue Projekte nicht mehr so leicht an Kredite, weil Banken Sicherheiten verlangen. Unstrittig ist aber, dass auf die Gemeinden etwas zukommt. Allein in Handewitt hat die Gemeinde 350 Hektar für Solarparks als vorrangig geeignet ausgewiesen. Das entspricht etwa fünf Prozent ihrer Fläche. Die Anfragen übersteigen das Angebot. So geht es vielen Gemeinden.
Großunternehmen auf der Jagd nach Pachtflächen
Wie schnell Bürger aus dem Rennen sind, zeigt sich nicht nur in Handewitt. Auf der Veranstaltung mahnt Jan Lorenzen: "Die Flächenaquisiteure sind unterwegs." Diese schließen Vorverträge mit den Landeigentümern ab und vermitteln Pachtverträge an externe Unternehmen. In Bönebüttel im Kreis Plön sei der Zug bereits abgefahren, erzählt Lorenzen. Dorthin war der Experte am Vortag eingeladen. 120 Bürger in der Turnhalle wollten wissen, wie sie nachträglich noch eine Bürgerbeteiligung erwirken können. Doch das ist allein vom Wohlwollen der Gesellschafter abhängig.
Bürgerbeteiligung mit Umwegen: Verzinste Anleihen
Bürgermeister Rasmussen meint, Gemeinden können Investoren rechtlich nicht dazu verpflichten, eine Bürgerbeteiligung anzubieten. Wenn, dann geschehe das freiwillig: "Bislang haben alle Investoren und Projektierer angekündigt, dass sie das tun wollen." Das Angebot könne aber auch aus einer Anleihe mit festem Zinssatz bestehen. Solch ein Modell kann seine Tücken haben: Die "Bürgeranleihe" zur Westküstenleitung stieß 2013 auf viel Skepsis. Verbraucherschützer warnten vor Risiken, die allerdings auch bei einer echten Beteiligung bestehen.
Außerdem können Investoren den betroffenen Gemeinden neuerdings bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde anbieten, von denen die Bürger vor Ort indirekt profitieren. Für Handewitt wäre das bei 350 Hektar Photovoltaik knapp eine Million Euro pro Jahr. Diese Zuwendung ist gesetzlich gedeckelt, damit nicht der Verdacht der Bestechlichkeit aufkommt. Außerdem soll sichergestellt werden, dass Gemeinden keine überzogenen Forderungen stellen. Zusätzlich profitieren Gemeinden von der Gewerbesteuer.
Gemeinden müssen frühzeitig Flächen sichern
Bei einer Bürgerbeteiligung müssen auch einige organisatorische Hürden genommen werden. Je größer das Dorf, desto höher der Aufwand. Als Ausgleich fördert der Bund von diesem Jahr an Planungs- und Genehmigungskosten für Bürgerenergie mit bis zu 200.000 Euro pro Projekt. Dass es funktionieren kann, zeigen zahlreiche Gemeinden in Nordfriesland. Der Schlüssel zum Erfolg besteht für die Geschäftsführerin des Bürgerwindparks "Bordelum III" Karen Hoff darin, sich frühzeitig zu kümmern: "Mit dem Tag, an dem der Regionalplan veröffentlicht wird, muss die Gemeinde im Grunde schon aktiv werden, um diese Flächen zu sichern." Bei Solarparks vergeben Gemeinden das Baurecht selbst.
Mehr Aufwand für Bürgerwindparks
Ein professionelles Beteiligungsprospekt muss Chancen und Risiken für alle Interessenten erklären. Ein entscheidender Punkt ist die Höhe der Beteiligungen. Das Ziel in Bordelum: Die Investition von mehr als 11 Millionen Euro sollte möglichst gleichmäßig auf rund 700 Bürger verteilt werden. Niemand ist jetzt mit mehr als 21.000 Euro dabei. Die Landeigentümer konnten die Verträge mitgestalten, betont Harm Truelsen, ebenfalls Geschäftsführer in Bordelum. "Die Hürde ist die offene Kommunikation," sagt Karen Hoff. Es habe viele Bürgerversammlungen gegeben. So konnten auch diejenigen gewonnen werden, die anfangs von der Windkraft nicht überzeugt waren.