Delegierte der CDU Schleswig-Holsteins stimmen auf ihrem Landesparteitag über einen Antrag ab. © picture alliance/dpa Foto: Markus Scholz
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AUDIO: Viele Parteien in SH kämpfen gegen Mitgliederschwund (1 Min)

Welche Parteien in SH gegen den Trend Mitglieder gewonnen haben

Stand: 08.01.2024 18:56 Uhr

In Schleswig-Holstein waren 2023 weniger Menschen Mitglied in einer der größeren Parteien als im Jahre zuvor. In den einzelnen Parteien ist die Lage verschieden: SPD, FDP und Linke verlieren stark, während CDU, Grüne, SSW und AfD gewinnen.

von Friederike Hoppe

Die CDU bleibt mit 17.562 Mitgliedern die größte Partei im Land. Im Jahr 2023 sind der Partei rund 0,5 Prozent mehr Mitglieder beigetreten. 2022 zählte die Partei 17.475 Mitglieder, davon rund 74 Prozent männlich und 25 Prozent weiblich. 2023 stieg der Anteil der weiblichen Mitglieder auf rund 26 Prozent.

Für den Kieler Politikprofessoren Wilhelm Knelangen ist das ein beachtenswerter Trend. Er macht vor allem Daniel Günther für diese Entwicklung verantwortlich. Günther habe es als Landesvorsitzender geschafft, seine Partei attraktiv zu machen und der Partei ein Image gegeben, das zwischen den traditionellen konservativen Teilen und den Menschen im ländlichen Raum vermittle, so Knelangen. Auch die Grünen und der SSW melden ein leichtes Mitgliederwachstum. 39 Menschen haben sich im vergangenen Jahr für eine Parteimitgliedschaft bei dem SSW entschieden, damit verzeichnet die Partei seit Jahren wieder einen positiven Trend. Bei der AfD wuchs der Landesverband um 33 Prozent, wie eine Auswertung von NDR Schleswig-Holstein ergab.

Entwicklung Mitgliederzahlen der Parteien in Schleswig-Holstein 2022/23:

  • SPD: 14.489 Mitglieder, - 4,47 %
  • CDU: 17.562 Mitglieder, + 0,5 %
  • Grüne: 5.747 Mitglieder, + 1,01 %
  • FDP: 3.022 Mitglieder, - 5,18 %
  • SSW: 3.164 Mitglieder, + 1,2 %
  • die Linke: 1.009 Mitglieder - 7,7 %
  • AfD: 1.200 Mitglieder, + 33 %

SPD verliert die meisten Mitglieder

Den größten Mitgliederverlust verzeichnet die SPD bei rund 1.000 Austritte und ca. 400 Eintritten. Das sind 4,5 Prozent weniger Menschen als im Vorjahr. Schon 2021 auf 2022 sanken die Mitgliederzahlen um rund 3 Prozent. "Die SPD hier in Schleswig-Holstein hat, wie alle anderen Landesverbände auch, damit zu kämpfen, dass sich Menschen nicht mehr so stark angezogen fühlen", so Knelangen.

Bei der letzten Landtagswahl musste die SPD eine schwere Niederlage hinnehmen. Mit 16 Prozent erreichte die Partei einen historischen Tiefstand. Auch bei der Kommunalwahl war die Partei nicht erfolgreich, sie verzeichnete das schlechteste Ergebnis einer Kommunalwahl für die SPD.

Wähler begeistern sich für viele Themen wie Klimaschutz

"Im Falle der SPD und der CDU kommt hinzu, dass das völlig überalterte Organisationen sind. Die meisten Mitglieder der SPD sind in den 70er-Jahren eingetreten", erklärt Knelangen. 2023 verzeichnete die SPD im Alterssegment 14 bis 34 Jahre 39 Prozent aller Neueintritte. Im Alterssegment zwischen 35 und 59 Jahren sind es rund 42 Prozent der Neueintritte. Das Durchschnittsalter der Mitglieder in Schleswig-Holstein liegt nach Angaben der Partei, derzeit bei 64 Jahren. Die FDP und die Linke erleben eine ähnliche Entwicklung: Die FDP meldet gut 5 Prozent weniger Mitglieder, die Linke verzeichnete fast 8 Prozent weniger Mitglieder.

Bei den Grünen zeigt sich ein entgegengesetzter Trend. Junge Menschen bis 30 Jahre seien in großem Umfang zur grünen Partei gegangen, im Unterschied zur SPD, so der Politikwissenschaftler. "Wenn man sich dann die Frage stellt, was muss man tun, damit man attraktiv ist für Wählerinnen und Wähler, dann ist es nicht nur die Methode Günther. Da ist offensichtlich auch eine Begeisterung für viele Themen, die bei Günther gar nicht so ausgeprägt waren, insbesondere alles, was mit Klimaschutz, Umweltschutz und gesellschaftlicher Vielfalt zu tun hat", so Knelangen.

Zudem habe die Partei weniger mit überalterten Mitgliedern zu kämpfen. Das zeigen auch Zahlen der Grünen in Schleswig-Holstein. Dort liegt das Durchschnittsalter der Mitglieder bei 50 Jahren, berichtet der Landesvorsitzende der Grünen, Gazi Freitag. Die Partei zählt derzeit 5.747 Mitglieder, 40 Prozent davon sind zwischen 35 und 60 Jahre alt, 45 Prozent sind weiblich, 53 Prozent männlich.

AfD: "Nie da gewesene Dynamik"

Eine weitere Partei wächst in Schleswig-Holstein: Die AfD meldet eine "seit 2013 nie da gewesene Dynamik". 2023 wuchs der Landesverband um knapp 30 Prozent, auf rund 1.200 Mitglieder. Ein Großteil der neuen Mitglieder gehört dabei zur Altersgruppe zwischen 35 und 50 Jahren und sind zum großen Teil Handwerker, Selbstständige oder Angestellte aus der Baubranche oder dem produzierenden Gewerbe, wie die Partei erklärt. 22 Prozent der Partei sind Frauen.

Die Partei begründet das Wachstum "in der heftig kritisierten Politik der Bundesregierung, insbesondere auf den Feldern Energie, Steuern und Zuwanderung -  aber auch in landespolitischen Themen wie Bildung, Verkehr und Belastung der Kommunen durch Wirtschaftsflüchtlinge. Die Menschen haben das berechtigte Gefühl, dass ihre Leistung von der aktuellen Politik nicht belohnt wird", so ein Sprecher der Partei.

Experte: Politik muss wieder "Ort der Problemlösung" werden

Die aktuellen Proteste im Land sieht Knelangen vor allem als Kritik an den etablierten Parteien. "Wenn ich auf die gesellschaftlichen Proteste blicke, Landwirte, aber auch Klimaschützer, dann bleibt der Eindruck, dass die Politik wichtige Probleme nicht benennt und anpackt. Das ist zum Teil glaube ich, ein völlig übertriebenes Urteil. Denn eine Krise, wie wir sie gegenwärtig erleben, hat die Bundesrepublik so vermutlich auch noch nicht erlebt. Aber die Stimmung ist da."

Künftig darf es für die Parteien nicht nur darum gehen, Mitglieder zu werben, sagt Knelangen. "Es geht darum, dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Politik haben. Die Parteien müssen wieder als Ort der Problemlösung angesehen werden", so Knelangen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 08.01.2024 | 08:00 Uhr

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