Was der Wegfall von 400 Poolärzten für Patienten in SH bedeutet
Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein hat zum 31. Dezember insgesamt 400 sogenannten Poolärzten gekündigt. Wir haben zusammengefasst, was das für Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten in Schleswig-Holstein bedeutet.
Der Grund für die Kündigung der Poolärzte ist finanzieller Natur. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts könnten die Poolärzte zukünftig sozialversicherungspflichtig sein. Bisher galten sie als selbstständig. Sozialabgaben im zweistelligen Millionenbereich seien nicht finanzierbar, so die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). Deshalb habe man den Bereitschaftsärzten gekündigt. Ab Januar kommen nur noch niedergelassene Ärzte für den Notdienst in Frage.
Einschnitte für die Patienten
Nach Silvester wird es Einschnitte geben, sagt Miriam Führ, stellvertretende Vorsitzende des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein. Sie gehe davon aus, dass abends und am Wochenende die Zeiten in den Notdienstpraxen oder beim fahrenden Dienst eingeschränkt werden. Vielleicht bleiben auch Hausarztpraxen geschlossen, weil der Mediziner Nachtschicht als Bereitschaftsarzt hatte. Dabei sei es heute schon so, dass einige Patienten gar keinen Hausarzt mehr haben oder finden. Allein für eine Krankschreibung müssen einige Patienten in die sogenannten Anlaufpraxen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes.
Auch die Kliniken rechnen mit mehr Zulauf in den Notaufnahmen. "Diese laufen jetzt schon über", sagt der Notdienstbeauftrage Matthias Seusing aus Kiel. Teilweise gäbe es Wartezeiten von vier bis fünf Stunden. Würden dann noch die Patienten aus dem Bereitschaftsdienst hinzukommen, könnten die Notaufnahmen das personell gar nicht mehr abarbeiten.
Wer sind die Poolärzte?
Der Anteil der Poolärzte im ärztlichen Bereitschaftsdienst liegt derzeit bei rund einem Drittel. Poolärzte sind Ärzte, die nicht in Schleswig-Holstein niedergelassen sind und freiwillig nach Abschluss eines Dienstleistungsvertrages Notdienste im ärztlichen Bereitschaftsdienst übernehmen. Die Mehrheit der Poolärzte im Land sind Ärzte im Ruhestand, Krankenhausärzte in Teilzeit oder Bundeswehrärzte. Seit 2007 arbeitet die KVSH mit Poolärzten zusammen, um die niedergelassen Ärzte zu entlasten, da diese verpflichtet sind, Dienste zu übernehmen.
Niedergelassenen Ärzte müssen einspringen
Die KVSH muss eine Notfallversorgung sicherstellen. In welchem Umfang sei nicht genau festgehalten, sagt der stellvertretende KVSH-Vorsitzende Ralph Ennenbach. Derzeit gibt es in Schleswig-Holstein 30 Notdienstpraxen, sogenannte Anlaufpraxen, plus zwölf kinderärztliche Anlaufpraxen. Hinzu kommen 28 fahrende Dienste, die zu bestimmten Patienten nach Hause kommen.
Durch den Verzicht auf die Poolärzte werden ab Januar die niedergelassenen Ärzte die Notdienste parallel zum Praxisalltag stemmen müssen, sagt Miriam Führ vom Hausärzteverband. Kommt es zur Verpflichtung der niedergelassenen Ärzte, habe das natürlich auch Auswirkungen auf den Praxisalltag in der Regelversorgung. Am Tag in der eigenen Praxis arbeiten und nachts Notdienst haben, sei kaum machbar.
Der letzte Schritt: Dienstverpflichtung
Die KVSH muss den Wegfall der 400 Poolärzte in den Anlaufpraxen und beim fahrenden Dienst kompensieren. Ob das flächendeckend gelingen wird, sei derzeit fraglich. Es werden kleinere Lücken entstehen, so Ralph Ennenbach. Man könne sich vorstellen, kleinere, nicht so gut frequentierte Anlaufpraxen zu schließen oder Öffnungszeiten zu reduzieren. Der letzte Schritt für die Kassenärztliche Vereinigung wäre eine Dienstverpflichtung. Dann würden beispielsweise auch Labormediziner oder Pathologen zum Bereitschaftsdienst verpflichtet - auch wenn diese Ärzte schon seit 25 Jahren keinen Patientenkontakt mehr gehabt haben, erklärt Ennenbach.
Auch in anderen Bundesländern fallen Poolärzte weg
Auch in Niedersachsen oder Baden-Württemberg kündigten die Kassenärztliche Vereinigungen den Poolärzten. In Baden-Württemberg setzte sofort ein Notfallplan ein. Hier sind schon alle Poolärztinnen und -ärzte aus dem Dienstplan gestrichen. Die Auswirkungen sind deutlich: Acht Notfallpraxen schlossen komplett, andere Praxen haben verkürzte Öffnungszeiten. Einige öffnen nur noch an Wochenenden oder Feiertagen.
Geht es nach den Wünschen der KVSH und des Hausärzteverbandes, sollen die Poolärzte dem Bereitschaftsdienst möglichst erhalten bleiben. Sie fordern den Gesetzgeber auf, die Poolärzte, so wie auch die Notärzte, von der Sozialversicherungspflicht auszunehmen. Damit könne man die negativen Folgen noch abwenden.