Vernässte Moore: Wie Landwirte zum Klimaschutz beitragen können

Stand: 04.07.2023 22:07 Uhr

Landwirt Jan Koll bewirtschaftet vernässte Moorflächen, um Klima- und Artenschutz zu vereinen. Ein Modell der Zukunft? Ein Besuch vor Ort.

von Friederike Hoppe 

Meggerdorf im Kreis Schleswig-Flensburg. Jan Koll, Ende 50, trägt eine grüne Latzhose und snackt Platt. Ein Bauer wie aus dem Bilderbuch. Er gehört zu den Landwirten, die eine nachhaltige Bewirtschaftung auf renaturierten Moorböden testen.

Dort, wo die 750 Rinder der Familie Koll grasen, war früher einmal Moor. Dann wurde das Moor trockengelegt, wie etwa 90 Prozent der Moorflächen in Deutschland. Die Flächen dienten als Ackerflächen für die Landwirtschaft oder es wurden Siedlungen darauf gebaut. Wissenschaftler betrachten das inzwischen als Fehler. Studien zeigen: Trockengelegte Moore schaden dem Klima. Sie stoßen CO2 aus, das vorher in den Böden gespeichert war. Pro Jahr geben trockengelegte Moore in Deutschland etwa sieben Prozent CO2 an die Atmosphäre ab. Das ist fast so viel wie private Haushalte, der Bereich Wohnen ist für rund zehn Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich.

Landwirte befürchten fehlende wirtschaftliche Perspektiven

Im nassen Zustand dagegen speichern Moore große Mengen des Klimagases Kohlendioxid. Wissenschaftler fordern ein Umdenken: Künftig sollen Moore wiedervernässt werden, um den Klimawandel zu bremsen. Die Landwirtschaft müsse Teil dieser Transformation sein. Bei dem sogenannten Wiedervernässen wird der Wasserstand im Boden des Moores erhöht. Aus den abgestorbenen Pflanzenteilen bildet sich Torf, dieser speichert das Wasser wie ein Schwamm.

Für Bauern, die jahrelang auf trockenen Flächen gewirtschaftet haben, ist das eine Herausforderung. Bei einem hohen Wasserstand in den Wiesen ist es beispielsweise schwieriger, Gras für die Fütterung zu ernten. Landwirte befürchten fehlende wirtschaftliche Perspektiven. Das betrifft viele landwirtschaftliche Betriebe und ganze Dörfer im Land.

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Jan Koll nimmt für die neue Bewirtschaftung viel Aufwand auf sich. Die Bedingungen müssen aufeinander abgestimmt sein. "Für uns ist der optimale Wasserstand ganz wichtig. Es darf nicht zu nass sein und die Befahrbarkeit des Bodens muss erhalten bleiben. Dann halten sich auch die Trittschäden der Rinder in Grenzen."

Jan Koll auf einer Wiese mit Kühen im Hintergrund. © Privat Foto: Peter Roggenthin
Jan Koll bei seinen Kühen in Meggerdorf in der Eider-Treene-Sorge-Niederung. Seit zwei Jahren stehen seine 750 Tiere durchgehend auf den Moorwiesen.

Auf einer Wiese hat er einen Tümpel gegraben, in dem sich Wasser sammelt. Am flachen Ufer brüten Kiebitze. Jan Koll nähert sich bedächtig den Tieren. In anderen Landschaften gelten die Bodenbrüter als gefährdet. Um keinen Aussichtspunkt für Greife zu bieten, verzichtet Koll auf Weidezäune. Das bedeutet, dass seine Rinder im Graben steckenbleiben können. Um das zu kontrollieren, läuft er die Weiden ab. "Es reicht nicht, mit dem Fernglas zu gucken, ich mache mir einen Gesundheitsüberblick über jedes einzelne Tier." Warum er das macht? Leidenschaft, sagt Koll. Er betreibt seine Landwirtschaft gerne, "aber ohne Prämien wäre das nicht umsetzbar".

Bauernverband fordert Alternativen für Landwirte 

"Moorvernässung muss im Einvernehmen und ohne Verdrängung der Landwirtschaft stattfinden", fordert der Deutsche Bauernverband. Dafür wiederum benötigen Landwirte Ansprechpartner und Beratung vor Ort. Die Stiftung Naturschutz sieht diesen Bedarf. Sie gibt Seminare und vergibt Förderungen für die Wiedervernässung von Moorflächen.

Landwirt Koll nimmt seit vielen Jahren die Beratung der Stiftung in Anspruch, um die Bewirtschaftung auf seinem Land anzupassen. Für ihre nachhaltige Landwirtschaft bekommt die Familie Ausgleichsprämien aus unterschiedlichen EU-Mitteln.

Wie viel Fördervolumen jährlich zur Verfügung steht, darüber macht die Stiftung keine Angaben. Erste Erfolge sehen die Verantwortlichen im Hartshoper Moor, knapp 15 Autominuten von Meggerdorf entfernt. Dort wächst das fuchsbraune Torfmoos, die Pflanze galt in den letzten 30 Jahren in Schleswig-Holstein als ausgestorben.

"Ich wünsche mir, dass wir möglichst viele der trockengelegte Moore wiedervernässen, als Win-Win-Situation für alle Beteiligten", sagt Leif Rättig, Berater bei der Stiftung Naturschutz. Seit 2007 hat die Stiftung Naturschutz knapp 303 Hektar im Hartshoper Moor wiedervernässt.

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Wiedervernässung hilft bei Klimazielen in der Landwirtschaft  

Die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz und die Landwirtschaft wird inzwischen überregional gesehen. In einer Studie für die Stiftung Klimaschutz identifizierten Wissenschaftler 2021 die Wiedervernässung der Moore als eines von drei zentralen Handlungsfeldern, um die Klimaziele in der Landwirtschaft zu erreichen.

Im Oktober 2022 trat die "Nationale Moorschutzstrategie" in Kraft. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) legt hierin fest, wie entwässerte Moorböden in Zukunft bewirtschaftet werden könnten. "Dort, wo entwässerte Moorböden in einer wirtschaftlichen Nutzung stehen, soll gemeinsam mit den Eigentümer*innen und Bewirtschafter*innen die Einführung alternativer, teilweise neuer, nachhaltiger Bewirtschaftungsformen auf der Basis freiwilliger Kooperationen entwickelt werden", heißt es. Die Idee setzt zunächst auf Anreize und die Freiwilligkeit der Landwirte.

SH erhält Förderung als eine von vier Moorregionen in Deutschland 

Das BMUV fördert vier Pilotvorhaben zum Moorbodenschutz in Deutschland, darunter die "Klimafarm" der Stiftung Naturschutz. Damit gehört Schleswig-Holstein zu den vier großen Moorregionen in Deutschland. Um Bewirtschaftungsformen auf wiedervernässten Moorflächen zu erproben, investiert das BMUV von 2021 bis 2031 insgesamt 48 Millionen Euro.

Auch andere Bundesländer diskutieren die Nutzung der Moore. Niedersachsen plant eine "Landesmoorgesellschaft", wie Landesumweltminister Christian Meyer (Grüne) vergangene Woche ankündigte. Das Bundesland ist das Land mit dem größten Anteil an Mooren, die knapp 15 Prozent der Landesfläche bedecken. Künftig soll hier eine eigene Strategie zum Schutz der Moore entstehen. Derzeit werde eine "Potenzialstudie Moore in Niedersachsen" erstellt, Ergebnisse werden Anfang 2024 erwartet.

Zurück nach Meggerdorf. Die Familie Koll will weiterhin Arten- und Klimaschutz kombinieren. Ob sich das Modell finanziell für sie lohnt, das wissen sie in ein paar Jahren. Dennoch plant Koll mit seinem Hof für die Zukunft. In ein paar Jahren soll seine Tochter den Betrieb weiterführen.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 29.06.2023 | 19:30 Uhr

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