Lottorf: Unter dem Solarpark erholt sich das Moor
Moore sind CO2-Speicher und bieten nutzbare Fläche. In Lottorf bei Schleswig erwirtschaftet ein Photovoltaik-Park mit gut 36.000 drehbaren Solarmodulen rund 20 Millionen kWh Strom im Jahr. Das Pilotprojekt wird wissenschaftlich begleitet.
Trotz Schietwetter spielt die Sonne gerade eine große Rolle in Lottorf, denn seit rund zwei Jahren gibt es dort einen sogenannten Solarpark. Das heißt: Etwas südlich des Dorfes nahe der Bahnstrecke Flensburg-Neumünster stehen 35.000 tafelförmige Photovoltaik-Module auf einer alten Kuhweide.
Kooperation mit Naturschutz war Bedingung
Thies Jensen steht dort mitten im Matsch. Er arbeitet für den Betreiber des Energieparks "Wattmanufactur" und erklärt, dass der Moorboden diese Anlage so besonders macht: "Moorboden ist ja eigentlich etwas Schützenswertes - und der Naturschutzmitarbeiter hat gesagt: 'Hier kriegt ihr keinen Solarpark! Nur, wenn ihr die Solarenergie mit Moorschutz kombiniert.'"
Intakte Moore sind wichtige CO2-Speicher
Der Moorschutz ist wichtig, damit das Moor seine Funktion als CO2-Speicher behält. Das kann es, vereinfacht gesagt, nur dann, wenn es unter Wasser steht. Jahrzehntelang passierte in Lottorf und anderswo aber genau das Gegenteil. Um Moore als Wiesen und Weiden nutzen zu können, wurden sie in großem Stil entwässert, so Jensen: "Der Naturschutzmitarbeiter hat dann gesagt: Ihr müsst die alten Ton-Drainage-Rohre, die hier noch liegen, durch den Bau zerstören, um dann zu versuchen, das Wasser in dem Park, in diesem Gebiet zu halten."
Tiefe Verankerung der Anlage durch spezialbeschichtete Stahlpfähle
Nun steht im Moor von Lottorf ein Meer von Solarmodulen, und unter der Anlage saugt sich der Torfboden wieder mit Wasser voll. Riesige Pfützen und viel Matsch deuten darauf hin, dass die Wiedervernässung der Flächen auf einem guten Weg ist. Und dass Photovoltaik auch auf feuchtem Moorboden, der hier bis zu zwei Meter dick ist, möglich ist. "Unser Statiker sagt: Moor sehe ich als 'Luft' an. Da sich Moor bewegt, Moor matschig ist, hat es keine statische Relevanz", sagt Jensen. "Wir müssen durch die Torfschicht durch bis in den festen Untergrund. Wir setzen keinerlei Beton ein, sondern es werden Pfähle in den Boden gerammt. Für die Statik müssen sie in den festen Untergrund." Verzinkter Stahl und Epoxidharzbeschichtungen sorgen dafür, dass die Modulbefestigungen im nassen, sauren Torfboden nicht rosten.
Photovoltaik-Module sind drehbar und folgen dem Sonnenstand
Ab und zu hört man ein Surren. Kleine Motoren setzen die Module für eine Drehung kurz in Bewegung. "Das ist ein besonderes Photovoltaik-Gestell, das der Sonne nachwandert", erklärt der Umweltwissenschaftler Tobias Keinath vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg im Breisgau. Es dreht mit dem Sonnenstand über den Tag hinweg, sodass jeder Bereich Sonne und Regen bekommt. "Überall, wo Licht und Feuchtigkeit hinkommen, haben wir auch Bewuchs."
Kommen die moortypischen Pflanzen zurück?
Unklar ist allerdings, ob unter den Solarmodulen wieder eine typische Moorvegetation wachsen kann, mit Sonnentau und Moosbeere zum Beispiel. Das ist zwar das Ziel, aber im Moment sieht man hauptsächlich grünes Gras. "Jetzt heißt es abwarten", meint Keinath. "Wir haben zum Beispiel unter den Modulen natürlich weniger Sonneneinstrahlung. Das wird Auswirkungen auf die Vegetation darunter haben. Wenn wir das aber vergleichen mit dem Zustand davor, wo wir eine intensive landwirtschaftliche Nutzung hatten und auch gar keine moortypische Vegetation ausgebildet war, dann haben wir eher eine Verbesserung."
Spezialfahrzeuge zur Wartung machen Moor-Photovoltaik teuer
Die Anlagen müssen auch gewartet und repariert werden. Damit die Fachleute mit ihrem Material zu den Modulen kommen, sind Spezialfahrzeuge nötig, die den Boden samt Vegetation schonen und nicht im Schlamm stecken bleiben. All das macht Photovoltaik im Moor teurer als normale Solarparks. Seit diesem Jahr gibt es dafür Fördergelder im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Aber, so der Freiburger Solar-Experte Keinath: "Der Umfang dieser Subventionen ist noch nicht soweit ausreichend, dass wir hier wirklich in einen so wirtschaftlichen Bereich kommen, dass viele Akteure auf den Zug aufspringen und solche Anlagen bauen. Es ist immer noch eine Herausforderung."
Wissenschaftliche Bilanz nach fünf Jahren Betrieb geplant
Gerade in Norddeutschland mit seinen vielen Mooren gibt es dafür aber auch reichlich Potenzial. Deshalb sind die Ergebnisse des Pilotprojektes in Lottorf so wichtig. Nach fünf Jahren wollen Wissenschaftler und Betreiber dort eine erste Bilanz ziehen. Dann wird sich zeigen, ob Sonnenstrom aus dem Moor wirklich eine Traumkombination für das Klima ist - oder doch viel zu kostspielig und zu aufwendig, um Moorschutz und Erneuerbare Energien unter einen Hut zu bringen.