Tierwohlabgabe ja oder nein? In SH gibt es Fans und Gegner

Stand: 20.02.2024 20:41 Uhr

Eine Steuer auf Fleisch, Milch und Co. soll es Landwirten ermöglichen, für bessere Bedingungen in den Ställen zu sorgen. So die Pläne von Bundesagrarminister Cem Özdemir. Ob eine Tierwohlabgabe der richtige Weg ist, darüber wird auch in Schleswig-Holstein nachgedacht.

von Karen Jahn

Kirsten Wosnitza bewirtschaft ihren Milchviehbetrieb in Löwenstedt nahe Husum (Kreis Nordfriesland). Sie wünscht sich, dass die von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vorgeschlagene Tierwohlabgabe kommt. Als konventionell wirtschaftende Landwirtin erfüllt sie eigentlich schon hohe Tierwohlstandards. Ihre 120 Milchkühe grasen von März bis November rund um die Uhr auf der Weide. Nur im Winter stehen sie im offenen Stall. Kirsten Wosnitza würde gerne noch mehr investieren. Den Kälberstall ausbauen, zum Beispiel. Doch alleine kann sie die Kosten dafür nicht stemmen.

"Es ist wirklich an Zeit. Wir haben so viele Ansprüche seitens der Verbraucher, seitens des Handels, der Politik und auch von uns selbst, in Sachen Tierwohl weiterzukommen, dass wir eine Unterstützung brauchen." Kirsten Wosnitza, Landwirtin

Überlegungen für Tierwohlabgabe sind nicht neu

Die Idee einer Tierwohlabgabe gab es breits 2020. Damals hieß sie Fleischabgabe. Unter der CDU-Regierung hatte die sogenannte Borchert-Kommission den Vorschlag ins Spiel gebracht. In der Kommission hatten Politik, Landwirtschaft, Umweltorganisationen, Wissenschaft und Verbraucher an Konzepten für mehr Tierwohl gearbeitet. Die Rechnung für eine Fleischabgabe damals: 40 Cent pro Kilo. Das wären bei einem Fleischverzehr von durchschnittlich 52 Kilo pro Jahr monatlich weniger als zwei Euro Mehrausgaben für Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Zustimmung innerhalb der Kommission war groß, nur umsetzen ließ sich der Vorschlag am Ende nicht.

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Kirsten Wosnitza war damals Mitglied der Kommission. Sie organisiert sich ehrenamtlich in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die vor allem kleine und mittlere Höfe vertritt.

Zwischen Zustimmung und Skepsis

Auf den neuerlichen Vorstoß von Cem Özdemir, der die Idee nun als Tierwohlabgabe wiedervorgelegt hat, reagieren nicht alle so wie Kirsten Wosnitza. Vor allem die FDP im schleswig-holsteinischen Landtag lehnt die Abgabe ab. Man wolle keine höheren Steuern, so deren agrarpolitischer Sprecher Oliver Kumbartzky. Verbraucherinnen und Verbraucher könnten bereits jetzt an der Kasse entscheiden, ob sie für mehr Tierwohl mehr zahlen oder zum Billigfleisch greifen. Ein Standpunkt, den Kirsten Wosnitza nicht teilt.

"Wir sind alle Verbraucher, und wir alle wissen, dass wir nicht alles an der Kasse entscheiden. Wenn man sich Tierwohl nur wünscht, dann wird es kein Tierwohl geben." Kirsten Wosnitza, Landwirtin

Unterstützung aus der Landespolitik

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Grüne und SPD im Land sind offen für eine Tierwohlabgabe. "Wenn wir dem Wunsch nach mehr Tierwohl konsequent nachgehen wollen, müssen wir die Finanzierung anders organisieren. Hier wäre eine Tierwohlabgabe genau der richtige Weg", sagt Dirk Kock-Rohwer, agrarpolitischer Sprecher der Grünen.

"Es muss aber sichergestellt werden, dass die Summe bei den Tierhaltern und Tierhalterinnen auch ankommt, damit die gesellschaftliche Akzeptanz für so eine Abgabe erhöht wird." Dirk Kock-Rohwer, Grüne

EU-Recht spricht gegen eine Abgabe

Hier liegt ein wesentliches Problem bei der Umsetzung. Das Geld, das über die Verteuerung von tierischen Produkten, also Fleisch, Milch, Butter und Co. über eine höhere Mehrwertsteuer oder eine Verbrauchsteuer im Bundeshaushalt landen würde, dürfte aus EU-rechtlichen Gründen nicht zweckgebunden sein. Dass das Geld dort versickern und für andere Ausgabe genutzt werden könnte, befürchten zum Beispiel Oliver Kumbartzky und CDU-Landwirtschaftsminister Werner Schwarz.

"Ich begrüße die Umsetzung und dass wir tatsächlich in die Umsetzung kommen. Es gibt sicherlich noch Fragen. Etwa die, ob eine Tierwohlabgabe, die von einigen ja als sehr hoch bezeichnet wird, auch wirklich bei den Landwirten ankommt." Werner Schwarz, Landwirtschaftsminister in SH

Wunsch nach verlässlicher Unterstützung

Kirsten Wosnitza findet die finanzielle Mehrbelastung für die Verbraucher akzeptabel. Laut Machbarkeitsstudien seien es pro Jahr etwa 35 bis 50 Euro für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

"Jeder weiß, wir müssen etwas tun fürs Tierwohl. Entweder kommen wir übers Ordnungsrecht, über Klagen und Gerichtsentscheidungen dahin. Oder die Handelsketten sagen: Ab morgen wollen wir zum Beispiel keine Milch mehr aus Anbindehaltung. Das wäre die Alternative zu einer geplanten und systematischen Verbesserung des Tierwohls."

Bauernverband sieht Vertrauensverlust

Die Stimmung unter den Landwirten im Land ist schlecht. Der schleswig-holsteinische Bauernverband sieht aktuell keine Basis für die Einführung einer Tierwohlabgabe. Prinzipiell sei man zwar für diese Idee, sagt Vizepräsident Dietrich Pritschau. Aber der Zeitpunkt sei sehr unglücklich, das Misstrauen in eine Bundesregierung war noch nie so groß.

Kirsten Wosnitza hofft nun, dass aus Berlin ein gutes Angebot an die Bauern kommt. Denn was, so fragt sie, sei denn eine bessere Lösung als die Tierwohlabgabe?

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 20.02.2024 | 19:30 Uhr

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