Stutthof-Prozess: Zeugen sagen über Vernehmung von Irmgard F. aus
Vor dem Landgericht Itzehoe ist der Prozess gegen eine 96-Jährige wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen im früheren Konzentrationslager Stutthof bei Danzig fortgesetzt worden. Als Zeugen sagten ein Staatsanwalt und ein LKA Beamter aus, die an den Ermittlungen gegen sie beteiligt waren.
Der Staatsanwalt schilderte am Dienstag vor Gericht unter anderem, wie die Angeklagte Irmgard F. damals reagierte. Die Zeugen hatten vor fünf Jahren einen Durchsuchungsbeschluss in ihrem Zimmer in dem Quickborner Altenheim, in dem sie lebt, vollstreckt. Und ihr erklärt, dass gegen sie ermittelt wird - und warum. Sie habe geistig wach und rege gewirkt. Auf Nachfrage des Verteidigers, ob sich die Beschuldigte der Ernsthaftigkeit ihrer Lage bewusst war, sagte er vor Gericht: "Da war ich nicht sicher."
Irmgard F. habe emotional und unwirsch und mit "Bockigkeit" reagiert. Dass nach so langer Zeit gegen sie ermittelt werde, bezeichnete sie demnach damals als lächerlich. In früheren Zeugenvernehmungen sei ihr gesagt worden, sie habe in der Vergangenheit nichts falsch gemacht.
Kaum Kontakt zu Häftlingen
Der als Zeuge geladene Staatsanwalt erzählte außerdem von F.s damaliger Aussage, dass sie sich lediglich daran erinnere, als Sekretärin des Lagerkommandanten im KZ Stutthof Bestellungen für Gartenbedarf bearbeitet zu haben. Zu Häftlingen des Konzentrationslagers habe sie während ihrer Tätigkeit in der Kommandantur kaum Kontakt gehabt und das eigentliche Lagergelände auch nicht betreten. Sie habe nur mal einen Gefangenen in der Gärtnerei des Lagers und einen in der Druckerei gesehen.
Unklar, ob Aussagen verwendet werden dürfen
Für das Gericht sind die Aussagen des Staatsanwalts und des LKA-Beamten deshalb wichtig, weil die Angeklagte im Verfahren bisher schweigt. Sie sind also der einzige Anhaltspunkt für die Richter darüber, was die heute 96-Jährige denkt. Ob die Aussagen letztendlich auch verwendet werden dürfen, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Die Verteidigung hat dagegen Widerspruch eingelegt.
Vorwurf: Systematische Tötung unterstützt
Die angeklagte 96-Jährige frühere KZ-Sekretärin Irmgard F. soll von Juni 1943 bis April 1945 in der Kommandantur des deutschen Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig als Zivilangestellte gearbeitet haben. Weil sie damals erst 18 bis 19 Jahre alt war, findet der Prozess vor einer Jugendstrafkammer am Landgericht statt. Im KZ Stutthof und seinen Nebenlagern sowie auf den sogenannten Todesmärschen zu Kriegsende starben nach Angaben der für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständigen Zentralstelle in Ludwigsburg etwa 65 000 Menschen.
Irmgard F. wird zur Last gelegt, durch ihre Schreibarbeit die Verantwortlichen des Lagers bei der systematischen Tötung von mehr als 11.000 Gefangenen unterstützt zu haben. Irmgard F. zog nach Kriegsende nach Schleswig-Holstein und arbeitete hier weiter als Schreibkraft. Die Rentnerin lebt in einem Altenheim in Quickborn im Kreis Pinneberg.