Warum eine Schulleiterin Inklusion für gescheitert erklärt
Die Schulleiterin der Poul-Due-Jensen Schule in Wahlstedt, Annette Grosse, sagt: Damit Inklusion funktioniert, brauche es dringend mehr Personal. Allein für den Förderschwerpunkt Lernen fehle an ihrer Schule die Hälfte der sonderpädagogischen Unterstützung.
Gut zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler an der Poul-Due-Jensen Schule in Wahlstedt, Kreis Segeberg, haben einen Förderschwerpunkt im Bereich Lernen. Das heißt: Es fällt ihnen schwer sich zu konzentrieren oder sie haben Schwierigkeiten, in bestimmten Fächern mit ihren Klassenkameradinnen und Kameraden mitzuhalten. Sie brauchen deshalb individuelle Unterstützung von sonderpädagogischen Lehrkräften. Laut Schulgesetz stehen Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt Lernen pro Kopf und Woche 1,5 Stunden mit einer solchen sonderpädagogischen Lehrkraft zur Verfügung. Sie werden im Unterricht dann individuell begleitet und unterstützt. Die Regellehrerinnen und -lehrer können sich in dieser Zeit dem Rest der Klasse und ihrem Unterricht widmen.
Allein für den Förderschwerpunkt Lernen müssten an 51 Stunden pro Woche sonderpädagogische Lehrkräfte an der Poul-Due-Jensen-Schule die betroffenen Schülerinnen und Schüler im Unterricht unterstützen. Die Schulleiterin der Gemeinschaftsschule in Wahlstedt, Annette Grosse, erklärt, dass das aber nur während 27 Stunden der Fall sei. Die Hälfte der sonderpädagogischen Unterstützung fehle. Den Mangel kompensiert die Schule in Wahlstedt bisher mit einer sogenannten Doppelsteckung des Unterrichts. Das heißt, dass in den Klassen, in denen mehrere Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen unterrichtet werden, zwei Regel-Lehrkräfte gleichzeitig den Unterricht betreuen. Aber auch hier fehle es an Personal, sodass es oft zu Ausfällen kommt.
Annette Grosse: "Inklusion in allen Bereichen gescheitert"
Annette Grosse unterrichtet neben ihrer Tätigkeit als Schulleiterin die Fächer Deutsch und Technik. Die Folgen des Personalmangels machen sich ihren Angaben zufolge bei der gesamten Schulgemeinschaft bemerkbar: "Es ist wirklich auf Kosten der Kinder und Jugendlichen, weil bei denen nicht das ankommt, was wir gerne geben würden. Und es ist auch auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen, die sich ständig neuen Herausforderungen stellen müssen, weil sie ja auch nicht mit den Aufgaben groß geworden sind, als Regelschullehrer Förderschüler zu betreuen." Im Lehrerzimmer und auf den Schulgängen verbreite sich immer mehr Frustration, so die Schulleiterin weiter.
Ursächlich für die missliche Lage an Gemeinschaftsschulen mit Förderschwerpunkten sei auch die Politik, erklärt Grosse. Die Idee der Inklusion und der Einbeziehung aller Schülerinnen und Schüler sei grundsätzlich sehr gut, aber es fehle an Personal: "Wenn die Ressourcen zur Verfügung gestellt würden, die irgendwann in der konzeptionellen Ausarbeitung angekündigt wurden, würde es sicherlich auch funktionieren. Tatsache ist aber, dass es diese Ressourcen nicht gibt und deswegen würde ich diese Inklusion ja eigentlich in allen Bereichen für gescheitert erklären."
Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler sind vielfältig
Im Schnitt sind an der Poul-Due-Jensen-Schule 27 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse. Die einzelnen Bedürfnisse sind laut der Schulleiterin dabei vielfältig: Es gebe Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen in verschiedenen Fächern, Kinder und Jugendliche mit Flucht- und Migrationsgeschichten, die Unterstützung in sprachlichen Dingen brauchen und es gibt Schülerinnen und Schüler, die emotional und sozial auffällig sind. Eine oder auch zwei Lehrkräfte allein könnten diese Bedürfnisse nicht auffangen, sagt Annette Grosse. Sie fordert deshalb mehr Fachpersonal und, dass funktionierende Einrichtungen, wie die Schule am Kastanienweg, nicht geschlossen werden.
Mit einer Schließung des landesweit einzigen Förderzentrums für emotionale und soziale Entwicklung könnten noch mehr Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen an die Poul-Due-Jensen-Schule in Wahlstedt kommen, befürchtet Annette Grosse: "Die Schülerinnen und Schüler haben dort ihre kleine Insel, die sie sicherlich auch brauchen. Sonst wären sie nicht da. Sie haben die Regelschulen vorher gesprengt, die Klassen aufgemischt. Wenn sie jetzt aus ihrer Insel an eine Regelschule kommen, dann sind diese Schülerinnen und Schüler überfordert und auch die Kolleginnen und Kollegen der Regelschule."