Lübeck: Hip-Hop statt Leerstand im Karstadt Sport-Gebäude
Jahrelang stand das alte Karstadt-Kaufhaus in der Altstadt leer, jetzt hat die Stadt Lübeck das "Übergangshaus" eröffnet. Roland Gabor war Verkäufer bei Karstadt. Ihm gefällt, was aus seinem alten Arbeitsplatz geworden ist.
Über der Schwingtür am Eingang steht schon lange nicht mehr "Karstadt Sport". Der neue Schriftzug: "Übergangshaus". Hier finden Kulturveranstaltungen und Freizeitangebote statt, begrünte Trennwände und Schreibtische im Coworking-Bereich bieten Raum für gemeinsames Arbeiten, dazu kann eine offene Bühne für Veranstaltungen und Konzerte gemietet werden. Besucherinnen und Besucher sollen sich gern auf den beiden Etagen aufhalten. Dafür gibt es viele Sitzgelegenheiten, eine kleine Küche sowie eine blickgeschützte Still-Ecke.
Vier Jahre Leerstand
Rund vier Jahre stand das Haus leer. Onlineshopping, Corona und die Konsumflaute hatten dem Konzern Galeria Karstadt Kaufhof schwer zugesetzt. Nach der Insolvenz machten viele Kaufhäuser dicht. 2020 musste Karstadt Sport in Lübeck schließen, das Karstadt-Warenhaus nebenan machte Anfang dieses Jahres zu.
Ehemaliger Mitarbeiter: "Trends wurden verschlafen"
Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren ihren Job, auch Roland Gabor. Sich jetzt im "Übergangshaus" umzusehen, sei seltsam, sagt er: "Es ist ein komisches Gefühl, zu sehen, dass hier etwas stattfindet. Immerhin war das mein Arbeitsplatz."
Mehr als 30 Jahre habe er bei Karstadt gearbeitet, sei leidenschaftlich gern Verkäufer gewesen, sagt Roland Gabor. Besonders belastend sei der Ausverkauf im Karstadt Sport-Haus gewesen. Er erinnert sich, dass Kundinnen Wanderschuhe anprobiert und dann einfach hinter sich geschmissen hätten. "Als ich sie fragte, was sie machen, haben sie geantwortet: Die passen nicht. Daraufhin bin ich zu meinem Chef gegangen und habe gesagt: Ich will mich krankschreiben lassen, das halte ich psychisch nicht mehr durch."
Roland Gabor konnte zunächst ins Warenhaus nebenan in die Uhren- und Schmuckabteilung wechseln. Die Arbeit habe ihm Spaß gemacht, allerdings habe ihn geärgert, dass das Kaufhaus oft Trends verpasst habe: "Vor rund zwei Jahren waren Perlenketten für Männer auf einmal total aktuell. Bis wir Perlenketten hatten, war der Trend schon wieder vorbei."
Sportverein veranstaltet Tanzkurse im Erdgeschoss
Auf der ehemaligen Verkaufsfläche dröhnen Hip-Hop-Beats, vor einer mobilen Spiegelwand üben überwiegend junge und weibliche Kursteilnehmerinnen eine Choreografie ein. Hinter den Tanzkursen steckt der Lübecker Sportverein Movement Family. Der Vorsitzende Lukas Janku freut sich, dass der Verein die Fläche nutzen kann: "Es ist in der Stadt schwierig, an Hallenzeiten zu kommen. Außerdem haben wir die Möglichkeit, hier etwas Neues ausprobieren zu können." Dazu seien die kostenlosen Kurse gute Werbung für den Sportverein.
Weiterer Umbau zu Lernraum für Lübecker Altstadtschulen geplant
Im nächsten Jahr wird das "Übergangshaus" wieder geschlossen und weiter umgebaut. In vier Jahren sollen dann Schülerinnen und Schüler von drei Lübecker Altstadtschulen das Gebäude nutzen können, vor allem für Projektarbeiten. Solche Lernorte werden dringend gebraucht, viele Schulen haben Platzprobleme. Der Umbau ist dabei nicht ganz einfach, schon für den Brandschutz brauche es kreative Lösungen.
In vielen Städten wird versucht, leerstehende Kaufhäuser alternativ zu nutzen. In Hamburg bietet ein früheres Karstadt Sport-Gebäude Flächen für Pop-Up-Stores und Kunst. In Berlin wird diskutiert, ob im Kaufhaus Lafayette nach der Schließung Ende Juli die Zentralbibliothek einziehen soll.
Professor für Stadtplanung: "Eine schwierige Immobilie"
Die Stadt Lübeck schätzt die Kosten für Kauf und Umbau des ehemaligen Karstadt Sport-Gebäudes auf 25 Millionen Euro. Ein Großteil sei gefördert, unter anderem aus dem Bundesprogramm "Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren" und dem Innenstadtprogramm des Schleswig-Holsteinischen Innenministeriums.
Der Bund der Steuerzahler in Schleswig-Holstein sieht den geplanten Umbau für die Schulen dennoch kritisch und rechnet in der weiteren Umbauphase mit "bösen Überraschungen" und unvorhersehbaren Kosten. Thomas Krüger, Professor für Stadtplanung an der Hafencity Universität Hamburg findet den Plan der Stadt hingegen gut: "Es ist eine wirklich schwierige Immobilie mit diesen riesigen Flächen. Und dafür eine Nutzung durch Schulen zu haben, ist natürlich genial. Ich wüsste auch gar nicht, wer in Lübeck so eine Immobilie ansonsten erwerben wollte."
"Sehr gut für junge Leute"
Viele Innenstädte wandeln sich, das sieht man auch am Lübecker "Übergangshaus". Auch Roland Gabors Leben hat sich nach dem Aus für die Lübecker Karstadt-Häuser verändert. Heute arbeitet er am Empfang einer Sparkasse. Was die Stadt aus seinem alten Arbeitsplatz gemacht hat, gefällt ihm. "Ich glaube, es ist sehr für junge Leute gemacht und dafür ist es gut. Es ist trotzdem ein komisches Gefühl."