Kieler Forscher: "Wenn Krebszellen sterben, ist das faszinierend"
In SH erkranken jedes Jahr etwa 800 Menschen neu an einem Krebs der Bauchspeicheldrüse, fast genauso viele versterben daran. Jetzt hat die Deutsche Krebshilfe das Biochemische Institut der Uni Kiel mit knapp einer Million Euro gefördert. Hier wird an erfolgversprechenden Substanzen geforscht.
"Tumorzellen haben die besondere Eigenschaft, dass sie sich immer teilen und das macht sie so gefährlich", sagt Professor Elmar Wolf. Er ist Direktor am Biochemischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und hat neuartige Substanzen entwickelt. Diese sollen die besonders aggressiven Tumorzellen von Bauchspeicheldrüsenkrebs vernichten.
Lebenswichtig ist sie, die Bauchspeicheldrüse. Sie produziert Verdauungssäfte und wichtige Hormone. Als eine der größten Drüsen in unserem Körper ist sie 15 bis 20 Zentimeter groß und 70 Gramm schwer. Doch ist sie von Krebs befallen, endet das für den Menschen meist tödlich. Die relative "Fünf-Jahres-Überlebensrate" liegt in Deutschland für beide Geschlechter bei elf Prozent. Das Pankreaskarzinom weist neben Rippenfellkrebs die niedrigste Überlebensrate unter allen Krebserkrankungen auf.
Fast eine Million Euro für Kieler Forscherteam
Elmar Wolfs Forschungsgruppe ist im vergangenen Dezember in das Institut für Biochemie der CAU Kiel gezogen. Von der Deutschen Krebshilfe, einer gemeinnützigen Stiftung, die ihre Leistung durch Spenden finanziert, bekam Wolfs Arbeitsgruppe 952.000 Euro. Das Ziel ist, aussichtsreiche Wirkstoffe hervorzubringen, die zu Medikamenten für die Krebstherapie weiterentwickelt werden können. Ausgewählt wurde das Team, weil es in Kooperation mit einer Gruppe der Universität Frankfurt am Main neuartige Substanzen entwickelte, die Hoffnung machen im Kampf gegen eine der tödlichsten Krebsarten. Der aktuelle Forschungsstand? "Wir sind auf einem guten Weg", sagt Wolf und schmunzelt. Mehr verrät er nicht. Die Wissenschaft sei kompetitiv, bemerkt er.
Die Vorgehensweise der Wissenschaftler: "Trial and Error"
Die vom Team entwickelten Substanzen, sogenannte PROTACs (Proteolysis Targeting Chimeras), werden mit einer Pipette in Krebszellen injiziert. In weiteren Experimenten wird dann geschaut, wie die Tumorzellen reagieren. Im besten Falle sterben sie ab. Die Forschenden untersuchen anschließend, "ob die Substanzen so wirken, wie wir uns das vorstellen. Die wirken wie ein Protein-Schredder und führen dazu, dass bestimmte Proteine abgebaut werden", sagt Wolf. Dabei geht auch einiges schief. Der Ansatz dabei gleicht dem typischen "Trial and Error"-Prozess, der in der Wissenschaft üblich ist, erklärt der Professor. "Eine Zauberfomel von Wissenschaftlern heißt: noch mal", sagt Wolf lachend.
Das Highlight im Leben der Krebsforschenden: Wenn die Zellen sterben
Im Kernteam um Wolf sind die beiden Doktorandinnen Katharina Schneider und Pranjali Bhandare. Für sie ist die tägliche Arbeit an potenziell lebensrettender Medizin zwar oft frustrierend, dafür wirken die Highlights umso motivierender. "Ich finde, der beste Moment ist, wenn du eine Hypothese aufstellst und du siehst den Effekt in den Zellen. Das ist dann ein richtig guter Tag im Labor", erzählt Bhandare. Insbesondere der Fakt, dass die Arbeit ein stetiges Vor und Zurück ist, macht ihr Spaß: "Meistens ergibt sich aus einem Experiment eine neue Frage: Ist das eine Rätsel gelöst, beginnt das nächste." Katharina Schneider sieht das ähnlich: "Wenn die Arbeit dann erfolgreich ist und man sieht, dass die Krebszellen, wenn man sie behandelt, dann sterben, das ist schon faszinierend."
Das Ziel: Aus den PROTACs Krebsmedikamente herstellen, die die Bauchspeicheldrüsenkrebstumore nicht nur hemmen wie andere Krebsmedikamente, sondern die Krebszellen komplett abbauen. Wann diese Medikamente in den Handel kommen, können die Forschenden noch nicht sagen. Doch mit der Förderung von einer Million Euro ist die Forschung von Wolfs Arbeitsgruppe für die nächsten Jahre gesichert. Und so wächst mit jedem Tag Forschung die Hoffnung auf neue Medizin. Schritt für Schritt, Experiment für Experiment.