Jugendliche aus SH erforschen Rauchgewohnheiten ihrer Mitschüler
Bei einem neuen Präventionsprojekt der Lübecker Uniklinik werden Jugendliche nicht einfach frontal über Risiken des Rauchens informiert. Stattdessen tauchen sie in ihre eigene wissenschaftliche Forschung ein.
Zigaretten und Joints zu rauchen sowie das Vapen, also das Dampfen von Einweg-E-Zigaretten: All das ist schädlich - besonders für Jugendliche. Deshalb ist es für unter 18-Jährige auch verboten. Trotzdem wird gerade Vapen bei Jugendlichen immer beliebter. Ein neues Präventionskonzept soll sie wirkungsvoll davon abhalten.
Jugendliche befragen Mitschüler und werten Daten aus
Nikotinabhängigkeit, Lungenschäden, Herz-Kreislauf-Probleme: Statt die Schülerinnen und Schüler einfach mit den Gefahren des Rauchens zu konfrontieren, bekommen sie im Schulunterricht einen Auftrag: Sie sollen das Thema über mehrere Wochen hinweg bearbeiten, so wie Wissenschaftler damit umgehen würden. Dazu befragen sie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler zu ihrem Zigaretten-, Vape und Cannabiskonsum, fragen sie nach ihren Einstellungen dazu, messen Blutdruck, werten die Daten aus und präsentieren am Ende ihre Ergebnisse. Dabei werden sie von Medizinerinnen und Medizinern des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck begleitet. Dabei erfahren die Jugendlichen nebenbei viel über die gesundheitlichen Auswirkungen des Rauchens, über die Psychologie der Sucht und auch über die Marketingstrategien der Tabak- und Vape-Industrie.
Bente Clauß, 15 Jahre alt, ist erleichtert. Sie und ihre Mitstreiter aus dem Forschungsteam vom Carl-Jacob-Burckhardt-Gymnasium in Lübeck haben die Präsentation im Uni-Hörsaal souverän hinter sich gebracht. Hunderte Jugendliche ihrer Schule hatte das Team unter anderem gefragt, ob sie schon mal eine Zigarette geraucht haben, ob ihre Eltern rauchen und für wie schädlich sie E-Zigaretten halten. "68 Prozent haben gesagt, dass sie noch nie eine Vape probiert haben", sagt Bente. Heißt: Rund jeder und jede Dritte der befragten Mitschülerinnen und Mitschülern hat schon mal eine Einweg-E-Zigarette mindestens einmal ausprobiert.
Lungenfachärztin: Vapes sind mit Alkopops vergleichbar
Das deckt sich mit bundesweiten Zahlen: Laut Wolfram Windisch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat mehr als jeder Dritte zwischen 14 und 17 im Jahr 2023 schon mal E-Zigaretten konsumiert. Im Interview mit tagesschau.de sagte er, dass er die Aromastoffe darin am liebsten komplett verbieten würde.
Das Problem: Anders als Filterzigaretten, die bitter schmecken, sind die aromatisierten E-Zigaretten gerade für Jugendliche leichter zu konsumieren. Mit ihrem hohen Nikotinanteil machen Vapes aber ebenso süchtig wie Tabakzigaretten. "Es schmeckt sehr fruchtig, da ist der Vergleich mit den Alkopops gar nicht so schlecht" sagt Professorin Folke Brinkmann, Leiterin der Kinder-Lungenfachkunde und Allergologie am UKSH in Lübeck. "Es ist für viele Jugendliche viel angenehmer, als eine Zigarette zu rauchen."
Dazu seien der heiße Dampf und die darin gelösten Aroma- und Zusatzstoffe giftig, sagt die Lungenfachärztin, die das Präventionsprojekt an der Lübecker Uniklinik mitentwickelt hat. "Die Stoffe an sich sind etwas weniger schädlich als das, was im Tabak enthalten ist. Aber mit der Hitze in die Lungenbläschen gebracht, verursachen sie zum Teil heftige Schäden." Schülerin Bente hatte sich vor dem Forschungs-Präventions-Projekt nie für Vapes interessiert, sagt sie. Und spätestens seit ihren Forschungsarbeiten weiß sie: „Das ist jetzt nicht das Beste, was man machen kann.“
Teilnehmer Lukas: "Vielleicht habe ich jemandem geholfen, aufzuhören"
Auch der 17-jährige Lukas, Schüler der Grund- und Gemeinschaftsschule Sandesneben (Kreis Herzogtum Lauenburg) hat bei dem freiwilligen Schulprojekt zwischen Prävention und Forschung mitgemacht. Ein Ergebnis hat ihn besonders beeindruckt: "Alle Kinder, die rauchen, haben auch Eltern, die rauchen. Ich fand ganz schön erschreckend, wie das vererbt wird.“ Die wissenschaftliche Arbeit habe ihm Spaß gemacht: "Mal etwas ganz anderes als der normale Unterricht." Herausfordernd fand er allerdings, wie präzise man in der Forschung arbeiten muss. "In der Schule muss man manchmal nicht ganz so auf die Zahlen gucken, aber in der Wissenschaft kommt es auf die dritte und vierte Nachkommastelle an."
Dazu habe es Lukas gefallen, mit Mitschülerinnen und Mitschülern ins Gespräch zu kommen. Manche habe er zum Nachdenken bringen können, glaubt er: "Das hat bei mir etwas bewegt, dass ich sehen konnte: Vielleicht habe ich jemandem geholfen, mit dem Rauchen aufzuhören."
Jugendliche teilen ihre Forschungsergebnisse mit Mitschülern
Lungenfachärztin und Projekt-Mitinitiatorin Folke Brinkmann ist überzeugt: Wenn die Jugendlichen selbst zu Zigaretten- Vape- und Cannabiskonsum forschen, interessieren sie sich viel mehr für die Risiken, als wenn sie von Erwachsenen belehrt werden. Und wenn die Jugendlichen am Ende selber ihr Wissen teilen, komme es wiederum auch besser bei den Mitschülerinnen und Mitschülern an. „Wir denken, dass die Prävention am besten dann umzusetzen ist, wenn sie aus der Gruppe der Jugendlichen, also aus der Peergroup selbst kommt."
In den Forschungsteams hätten auch Schülerinnen und Schüler mitgemacht, die rauchen. Inwiefern sich ihre Einstellung dazu durch das Projekt verändert hat, wollen die Initiatoren noch nachträglich herausfinden. Teilnehmer Lukas ist sich sicher: „Jeder aus unserer Schule, der mitgemacht hat, hört spätestens jetzt auf." Das Präventionsprogramm soll nach der Pilotphase auch künftig in Schulen stattfinden, sagt UKSH-Ärztin Brinkmann: "Der Plan ist, dass wir das weiterführen - erstmal an den Lübecker Schulen."