Northvolt-Fabrik bei Heide: Enttäuschung und Zweifel wachsen

Stand: 22.01.2025 12:06 Uhr

Viele Schleswig-Holsteiner glauben nicht mehr daran, dass Northvolt die Batteriefabrik bei Heide noch baut. Das ist das Ergebnis einer nicht-repräsentativen NDR Umfrage. In Dithmarschen herrscht Katerstimmung.

von Carsten Rauterberg

An der Umfrage von #NDRfragt haben sich im Januar knapp 4.500 Frauen und Männer in Schleswig-Holstein beteiligt. Ergebnis: 67 Prozent der Befragten halten es für eher unwahrscheinlich oder sehr unwahrscheinlich, dass die Batteriefabrik überhaupt fertig gebaut wird. Als Gründe geben die Menschen die großen wirtschaftlichen Probleme des schwedischen Unternehmens an. Northvolt hatte im vergangenen November an einem Insolvenzgericht in den USA ein Sanierungsverfahren beantragt. Dazu kommen laut den Befragten die Probleme in der Batteriefabrik in Nord-Schweden, unter anderem die Stornierung eines großen Auftrags von BMW. Nur 30 Prozent der Befragten halten den Bau der Batteriefabrik im Kreis Dithmarschen für eher oder sehr wahrscheinlich.

Kritik an Fördermitteln für Northvolt

Kritik gibt es beim Thema Fördermittel. Die Mehrheit der Befragten (57 Prozent) hält die staatliche Förderung von Bund und Land in Höhe von 900 Millionen Euro für eher nicht, beziehungsweise gar nicht gerechtfertigt. Als Begründung geben die Menschen unter anderem an, dass es sich dabei um Steuermittel handelt und um die Förderung für ein einzelnes Unternehmen. Zudem hätte man bei der Bewilligung mehr darauf achten müssen, ob die Batteriefabrik auch tatsächlich gebaut wird. Bei einer Umfrage im vergangenen Jahr war das Ergebnis genau andersherum: Damals hielten 57 Prozent der Befragten die Förderung für gerechtfertigt.

Hohe Zustimmung für den Bau

Eine große Zustimmung gibt es in der #NDRfragt-Gemeinschaft weiterhin bei der Frage, ob es grundsätzlich gut ist, dass Northvolt eine Fabrik in Dithmarschen baut: 80 Prozent bewerten die Ansiedlung positiv.

Norderwöhrden ein Jahr nach der Entscheidung für die Batteriefabrik

Am 22. Januar 2024 - also vor genau einem Jahr - hatte die Gemeindevertretung von Norderwöhrden (Kreis Dithmarschen) mit einer Stimme Mehrheit entschieden, dass Northvolt auf dem Gemeindegebiet bauen darf. Zwölf Monate danach haben die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker Zweifel, ob diese Entscheidung richtig war. Gemeindevertreter Dietmar Fahnert: "Natürlich verfolgen wir die Nachrichten und beobachten das alles. Und heute würde man da vielleicht anders drüber denken." Die Entscheidung würden sie wahrscheinlich so nicht noch einmal treffen, so Fahnert.

Das Firmenlogo von Northvolt. © Screenshot
AUDIO: Northvolt - Ein Jahr nach der Entscheidung in Norderwöhrden (6 Min)

Der ehrenamtliche Bürgermeister Kay Evers (Freie Wählergemeinschaft Norderwöhrden) beschreibt die Stimmung im Dorf: "Wir haben auch damals schon gesagt, dass Norderwöhrden diese Ansiedlung nicht braucht. Aber dass wir uns der Verantwortung stellen, die Riesenchance für die Region zu nutzen." Die Gemeinde Norderwöhrden habe Northvolt damals einen großen Vertrauensvorschuss gegeben, ergänzt der Bürgermeister. Und nun - ein Jahr danach - sei man schon enttäuscht, dass man nicht so richtig wisse, ob die Fabrik überhaupt noch gebaut wird.

Schlechte Stimmung auch in Lohe-Rickelshof

Neben Norderwöhrden soll auch auf den Flächen der angrenzenden Gemeinde Lohe-Rickelshof (ebenfalls Kreis Dithmarschen) die Batteriefabrik gebaut werden. Viele Menschen machen sich auch dort so ihre Gedanken. Denn die Gigafactory sollte Wachstum und Wohlstand in die strukturschwache Region bringen. 3.000 neue Jobs sollten allein bei Northvolt und mehrere tausend weitere bei Zulieferbetrieben entstehen.

Sorge: Entsteht statt einer Fabrik "Europas größter Lkw-Parkplatz"

Die Bürgerinnen und Bürger treffen sich im Januar traditionell zum Weihnachtsbaum-Weitwerfen. Northvolt ist dabei Top-Thema. "Ich hab mich damals schon gewundert, dass die schon 2026 produzieren wollen und gedacht, das wird nichts," sagt Rune Claußen. Auch Silke Zimmermann ist skeptisch: "Alle sagen - kann weitergehen. Aber oft kommt es dann doch anders. Ich will nicht hoffen, dass wir auf dem riesigen Gelände Europas größten Lkw-Parkplatz bekommen."

Straßen, Wohnungen, Kitas: Amtsverwaltung plant vorsichtiger

Die beiden Dörfer Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden sollten sich mit dem Bau der Batteriefabrik entwickeln und wachsen. Verkehrsanbindung, neue Kitas, Wohnungen - viele Aufgaben für die zuständige Verwaltung beim Amt Heider Umland. Doch nun gibt es eine Hängepartie um den Bau der riesigen Fabrik. Amtsleiter Björn Jörgensen und seine Mitarbeitenden stehen vor der Frage, ob sie abwarten oder weiter planen sollen. "Die Schwierigkeiten beim Mutterkonzern sind ja nicht von der Hand zu weisen. Die Verunsicherung hier in der Region ist da, und zwar auf allen Ebenen. Wir werden jetzt bei allen Maßnahmen, die anstehen, sehr sorgsam und mit großem Augenmaß rangehen."

Solange die Restrukturierung läuft und die Hängepartie um Northvolt andauert, werden laut Jörgensen also keine wichtigen Entscheidungen getroffen. "Wir hoffen natürlich, dass es irgendwann Klarheit gibt, und wir hier weitermachen können, zum Beispiel bei den Planungen für den Wohnungsbau in der Region."

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Wirtschaftsförderer bleiben optimistisch - und haben keinen Plan B

Dirk Burmeister ist Chef der Entwicklungs-Agentur Region Heide. Der Wirtschaftsförderer hat den Prozess der Ansiedlung von Northvolt von Anfang an begleitet. Er ist nach wie vor optimistisch. "Wir blicken weiter positiv auf das Projekt. Die Batteriefabrik ist von großer Bedeutung für die Region und das Land." Northvolt müsse sich nun im Rahmen des laufenden Restrukturierungsverfahrens zukunftsfähig aufstellen, ergänzt Burmeister. Und die Kommunen, das Amt und die Agentur müssten für die Rahmenbedingungen sorgen. Er sei regelmäßig in Kontakt mit Northvolt, so der Wirtschaftsförderer. Einen konkreten Plan B für den Fall, dass Northvolt die Batteriefabrik doch nicht bauen sollte, hat er aber nicht.

Dithmarschens Landrat Thorben Schütt (CDU) sagt, alle Planungen seien auf die Ansiedlung von Northvolt ausgerichtet. Entscheidungen mit großen finanziellen Auswirkungen könne man aber erst treffen, wenn das Chapter-11-Verfahren in den USA abgeschlossen sei.

Vorher und nachher: Die Baustelle aus dem All

Die Satelliten-Aufnahmen aus den Jahren 2021 und 2024 zeigen, wie sich die Fläche im Kreis Dithmarschen verändert hat: Wo früher Felder, ein Bauernhof und eine Biogasanlage waren, ist jetzt eine der größten Baustelle des Landes.

Eine Satellitenaufnahme 2021 in Heide. © Vertical 52 Eine Satellitenaufnahme 2024 in Heide. © Vertical 52

Northvolt: Bauarbeiten gehen weiter

Das Unternehmen selbst verweist auf laufende Gespräche mit möglichen Investoren. Zu Einzelheiten könne man keine Angaben machen, so ein Unternehmenssprecher. Das Chapter-11-Verfahren des Mutterkonzerns mache Fortschritte, während sich die Produktion in Schweden zuletzt stabilisiert habe. Und auch die Bauarbeiten für die Batteriezellfabrik bei Heide würden weiter gehen, so der Sprecher. Auf der Fläche werden seit März 2024 aber lediglich Bohrungen für die Pfahlgründungen durchgeführt und Schutzwälle und Regenrückhaltebecken angelegt. Zu den notwendigen Arbeiten für das Fundament der Batteriefabrik und den Rohbau macht Northvolt derzeit keine Angaben.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 22.01.2025 | 19:30 Uhr

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