Wedel bekämpft Ratten in Kanalisation per App

Stand: 22.01.2025 13:14 Uhr

Sie sind nachtaktiv, schlau und vermehren sich rasant. Die Bekämpfung von Ratten ist deshalb eine Herausforderung. Die Stadtentwässerung in Wedel setzt in der Kanalisation jetzt eine Sensor-Technologie ein.

von Lena Haamann

259 Rattenbesuche gab es im Kanalschacht unter ihnen seit dem letzten Köderaustausch, verrät der Blick der Mitarbeiter der Stadtentwässerung aufs Handy. In Wedel bekämpfen sie die Nager seit knapp zwei Jahren per App. "Da lohnt es sich, mehr nachzulegen", stellt Henning Neu fest, während er mit einem Haken den Gullideckel öffnet. Gemeinsam mit seinem Kollegen Bastian Heydenreich will er den Giftköder austauschen, den sie hier vor sechs Wochen ausgebracht haben. "Ratten können für uns zum Problem werden, weil durch ihre Bauten in der Erde Versackungen entstehen. Sie haben sich auch schon durch Rohre gebissen und hohe Kosten verursacht", sagt er, und lässt eine Teleskopstange in den Schacht hinunter. "Deswegen ist es wichtig, dass wir sie eindämmen."

Drei Ratten pro Einwohner

Wie viele der als "Gesundheitsschädlinge" eingestuften Nager es gibt, weiß niemand so genau. Schädlingsbekämpfer schätzen, dass drei bis vier Ratten auf einen Einwohner kommen. Und: dass die zuletzt milden Winter und vermehrten Baustellen dafür gesorgt haben, dass ihr Bestand zugenommen hat. Das Unternehmen Renotec mit Sitz in Quickborn (Kreis Pinneberg) hatte in den vergangenen zwei Jahren zum Beispiel rund 30 Prozent mehr Aufträge zur Rattenbekämpfung im südlichen Schleswig-Holstein, sagt Kammerjäger Daniel Weist. Und auch die Stadtverwaltungen in Kiel, Lübeck, Elmshorn (Kreis Pinneberg) oder Mölln (Kreis Herzogtum Lauenburg) verzeichnen eine leichte Zunahme des Rattenproblems.

37 Giftköder mit Sensoren

Kanalsysteme und Schächte bieten den Nagern ungestörte Rückzugs- und Nistmöglichkeiten. "Vor allem im Winter, weil es hier angenehme zwölf Grad warm ist", erklären die Mitarbeiter der Stadtentwässerung, die für die Rattenbekämpfung speziell geschult sind. In Wedel ist das Hauptkanalsystem für Schmutz- und Regenwasser 180 Kilometer lang. "Ratten sind sehr intelligente und vorsichtige Tiere. Es ist schwierig, sie überhaupt erst einmal an den Köder zu bekommen", sagt Henning Neu. Er deutet auf einen kleinen Knopf im Deckel der Giftköderbox, die er gerade mit der Teleskopstange nach oben befördert hat. "Das ist der Sensor, der Bewegungen aufzeichnet und meldet", erklärt er. 37 solcher Köder sind im Wedeler Kanalsystem verteilt.

Ampelsystem für Rattenbesuche

Die Stadtentwässerung hat mit verschiedenen Alternativen zu den herkömmlichen Giftködern experimentiert, und sich schließlich für die Sensortechnik entschieden. "Weil wir wissen wollen, wie viele Ratten wir wo haben, um gezielter dagegen vorgehen zu können. Sonst bringen wir einfach ohne richtige Ahnung Gift ins System", erklärt Henning Neu. Mit der digitalen Technik können sie nun genau nachvollziehen, welche Köder wie stark frequentiert werden. Ein Ampelsystem zeigt auf dem Handy oder Computer alle Köderboxen mit mehr als 50 Besuchen in zwei Wochen rot an. Weniger frequentierte gelb und grün. "Teilweise ist gar keine Ratte mehr da, und wir können das Gift aus der Box nehmen." Insgesamt hat das System in den vergangenen zwei Jahren rund 36.000 Bewegungen gemeldet.

Spezielle Schließmechanismen der Boxen verhindern außerdem, dass das Gift mit Wasser in Kontakt kommt. Vorher wurden die Köder einfach an Drähten in die Schächte gehängt. Bei Starkregen bestand so die Gefahr, dass das Gift in die Umwelt gelangt. "Es wurde schon Rattengift in Fischen oder Mardern nachgewiesen," erzählt Henning Neu, der mittlerweile mit seinem Kollegen oberirdisch unterwegs ist, um einen Blick in die Vorgärten zu werfen. Denn in der Umgebung von Boxen, die sehr viele Ratten-Besuche aufzeichnen, begeben sich die Mitarbeiter der Stadtentwässerung auch auf Ursachensuche. "Es hat sich bewährt, dass wir nach Komposthaufen gucken, wo unsachgemäß Essensreste abgelegt wurden, nach Vogelhäusern oder Mülltonnen, die gut zugänglich für die Ratten sind." So hofft die Stadtentwässerung, irgendwann einmal ganz ohne Gift auszukommen - im Kampf gegen die Ratten.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 21.01.2025 | 19:30 Uhr

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