Innenstädte in SH: Der Kampf gegen den Leerstand
Überall in SH zeichnen die Innenstädte ein klares Bild des Umbruchs: Kundenströme bleiben aus, Einzelhändler ziehen sich zurück. Für viele Städte ist klar: Die Zukunft liegt in der Multifunktionalität.
Wo einst der urige Plattenladen ansässig war, suchen nun Hobby-Detektive verzweifelt den Ausgang des Escape-Rooms. Nebenan, im Gebäude einer ehemaligen Bank, läuft gerade eine Kunstausstellung inklusive Kulturflohmarkt. Und dort, wo lange Zeit Karstadt war, ist heute oft - nichts. Längst hat der Onlinehandel nicht nur den Einkauf bei großen Ketten hinfällig gemacht, auch für Anbieter von Nischen-Produkten ist es mittlerweile lukrativer, einen Internet-Shop ins Leben zu rufen und so von der teuren Miete in der Innenstadt wegzukommen. Die Folge: Leerstand.
Einigen Städten in Schleswig-Holstein ist es gelungen, durch schnelles und proaktives Nachvermieten sowie flexible Nutzungskonzepte effektiv Leerstand zu bekämpfen. So stellte sich Itzehoe im Kreis Steinburg schon vor mehr als zehn Jahren dem Problem. Laut Leerstandsmanager Mirko Heim lag die Quote damals bei 20 Prozent - nun stehen von den 184 Gewerbe-Immobilien nur noch fünf leer. Heute sehr erfolgreiche Geschäfte wie "Küstenrad" habe man damals intensiv umworben. "Das war richtige Arbeit", erklärt Heim.
Bis zu 40 Prozent Leerstand in Kiel
In Neumünster hingegen bleibt der Leerstand nach Stadtangaben auf konstantem Niveau. Während für das große AOK-Gebäude noch immer kein neuer Nutzen gefunden werden konnte, soll zumindest laut Stadt das ehemalige Karstadt-Gebäude saniert werden und künftig als neue Zentrale der Sparkasse Südholstein dienen.
Leicht zurückgegangen ist die Quote in Lübeck - doch auch dort stehen laut Hansestadt 7.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche leer. Die Stadt Rendsburg (Kreis Rendsburg-Eckernförde) nennt zum Leerstand zwar keine Zahlen, doch die Quote nehme zu. Man wolle nun selbst leerstehende Gebäude kaufen, um sie neu zu beleben.
Nach wie vor dramatisch ist die Lage in Teilen der Landeshauptstadt. Trotz Innenstadtmanagement liegt die Leerstandsquote laut Stadt Kiel in der oberen Holstenstraße bei 38,5 Prozent. Das Motto laute derzeit "try and error" - Geschäfte sollen zum Beispiel durch kurze Mietverträge die Möglichkeit bekommen, sich in "Pop-up-Stores" auszuprobieren.
Erleben statt Einkaufen - Kultur statt Konsum
Doch wie unterschiedlich die Herausforderungen in den einzelnen Städten des Landes aussehen, so vielfältig sind auch die Ansätze, die die Innenstädte transformieren und letztlich beleben sollen. Zentrales Muster ist dabei der Übergang von der konsumorientierten Fußgängerzone hin zum Ort des Erlebens.
Mit verkaufsoffenen Sonntagen, Aktivitätsangeboten und Stadtfesten versucht Bad Segeberg (Kreis Segeberg) Besucher in die Innenstadt zu locken. In Bad Oldesloe sorgt dafür schon seit 2016 das Kultur- und Bildungszentrum mit Veranstaltungen. Außerdem soll ein Städtebauförderprogramm die Modernisierung der Innenstadtinsel möglich machen. Nach eigenen Angaben glänzt Bad Oldesloe schon jetzt mit einer niedrigen Leerstandsquote. "Es sind nur wenige Ladenflächen zu haben", sagt Dagmar Wendland von der Stadt.
Die Hansestadt Lübeck verfolgt derweil einen ganzheitlichen Ansatz, der Verkehrsberuhigung, Inklusion und Erreichbarkeit groß schreibt. Als Schlaglichter nennt die Stadt unter anderem den Fahrradreinigungsservice "BlingBlingBikes" und das Mixed-Use-Konzept in der Breiten Straße 81. Außerdem finden in Lübeck regelmäßig Immobiliengipfel, Quartiersgespräche und Passantenfrequenzmessungen statt.
Grüne Innenstädte: Geesthacht macht es vor
"Es gibt in der Innenstadt keinen nennenswerten Leerstand", berichtet Wiebke Jürgensen, Sprecherin von Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg). Schon 2015 habe man die Einkaufsstraße umfangreich saniert, um den Weg zu einer grünen Fußgängerzone zu ebnen, so Jürgensen. Barrierefreiheit und Aufenthaltsqualität stehen dabei im Fokus. Nun gibt es kleine Oasen mit Wasserspiel, Bänken und Holzdecks sowie Spielgeräte für Kinder. "Hin und wieder werden Geschäfte geschlossen. Für die dann freiwerdenden Ladenflächen gibt es in der Regel aber rasch wieder Interessenten", erklärt die Sprecherin.
Auch in Kiel konnte man mit dem verkehrsberuhigten und naturnah gestalteten Holstenfleet zumindest einem Teil der Innenstadt neues Leben einhauchen. Darauf, dass die Rückkehr des Wassers auch die Besucher in die Innenstadt zurück strömen lässt, hofft auch Itzehoe: Mit dem Projekt "Störauf" will die Stadt rund um das Theater das Wasser zurückholen. "Der aktuelle Anblick ist ziemlich trist und lässt sich gut mit 'Betonwüste' umschreiben. Dort sollen sich neue Cafés und Restaurants ansiedeln", erklärt Leerstandsmanager Mirko Heim.
Fehlendes Personal in Heide
"Wir hätten gerne jemanden wie Mirko Heim, denn Leerstand ist ein Fulltime-Thema", klagt Michael Schitteck. Er ist Stadtmanager in Heide (Kreis Dithmarschen), doch ihm fehlten die Kapazitäten, das Problem anzugehen. Eine Agentur habe man 2020 beauftragt. Ihr Fazit: Die Bereitstellung der erforderlichen Personalressourcen sei "der nächste wichtige Schritt". Dennoch habe man, so Schitteck, schon einige Projekte auf den Weg gebracht: Am Südermarkt - der einst als "Gefährlicher Ort" Schlagzeilen machte - habe man das Multifunktionshaus errichtet. Darin finden Seminare und Vorträge sowie Ausstellungen statt.
Ein weiterer Versuch, die Innenstadt zu beleben: das Heider Sommereck. Den Sommer über bot das Event an der südöstlichen Ecke des Marktplatzes ein Programm aus Kulinarik, Kultur, Freizeitaktivitäten und Live-Auftritten. Doch laut Schitteck bleibt der Großteil des Marktplatzes bis auf wenige Veranstaltungen weiter ungenutzt. Finanziert wurde das Sommereck mit Fördermitteln vom Land. Knapp eine halbe Million Euro hatte Heide über ein Zuschussprogramm bekommen.
12,5 Millionen Euro vom Land für Innenstadtentwicklung
Um Kommunen und Gemeinden bei der Modernisierung ihrer Ortszentren zu unterstützen, startete Schleswig-Holstein - im Rahmen der Corona-Hilfen - vor drei Jahren das Innenstadtprogramm. Nach Angaben der BIG Städtebau GmbH, die das Programm begleitet, sind seitdem 38 Kommunen im Land mit insgesamt 12,5 Millionen Euro gefördert worden: Leerstandmanagement, Beteiligungsformate und innovative Aktionen sollen so ermöglicht worden sein.
Eine erste Zwischenbilanz zog die BIG Städtebau Anfang 2023 - bis dahin waren aber nur sechs Prozent aller geförderten Maßnahmen im Land umgesetzt worden - die spürbaren Effekte in den Innenstädten hielten sich dementsprechend in Grenzen. Ende dieses Jahres - wenn weitere Projekte abgeschlossen sein werden - soll das Programm abschließend evaluiert werden. Laut Innenministerium ist der Fördertopf inzwischen ausgeschöpft - eine Verlängerung ist nicht vorgesehen. Das Innenstadtprogramm sei von vorn herein als einmaliger Impuls angelegt gewesen, so ein Sprecher.