In Schleswig-Holstein fehlen 17.000 Sozialwohnungen

Stand: 17.01.2024 12:13 Uhr

In Deutschland fehlen mehr als 900.000 bezahlbare Wohnungen - in Schleswig-Holstein mehrere Tausend. Laut einer neuen Studie des Pestel-Instituts treibt aber auch der Staat selbst die Mieten in die Höhe.

von Christoph Deuschle

Jedes Jahr gibt der deutsche Staat auf verschiedenen Wegen 20 Milliarden Euro für Mietzuschüsse aus, zum Beispiel über das Wohngeld oder die Jobcenter. Für den sozialen Wohnungsbau dagegen sind es nur 2,5 Milliarden Euro.

Studie: Jeder Förder-Euro spart Geld - jeder Euro Mietzuschuss kostet

Dabei sind die Mietzuschüsse auf dem freien Wohnungsmarkt für den Staat ein echtes Verlustgeschäft. Denn im Grunde genommen sind sie sofort verbraucht und - aus finanzieller Sicht - nur kurz wirksam. Jeder Förder-Euro im sozialen Wohnungsbau dagegen senkt jahrelang aktiv die Mieten. Und zwar so lange, wie die Wohnungen nur an Berechtigte vergeben werden dürfen. Diese sogenannte Belegungsbindung gilt zwölf Jahre oder länger.

Sozialwohnungen verfügbar für alle auf freiem Wohnungsmarkt

Rund 47.000 Sozialwohnungen gibt es derzeit in Schleswig-Holstein - 17.000 zu wenig, sagt die neue Studie. Und es werden immer weniger. Denn: Bei immer mehr geförderten Wohnungen endet die Belegungsbindung.

Grafik über die Anzahl an Sozialwohnungen in Deutschland. Die Zahl Sank zwischen 2000 und 2024 von 2,6 Millionen auf 1,1 Millionen © NDR
Um 49,9 Prozent ist die Zahl der Sozialwohnungen zwischen 2000 und 2015 gesunken, zwischen 2015 und 2022 um weitere 15,9 Prozent.

So konnten zwar laut Innenministerium 2023 zwar deutlich mehr Sozialwohnungen in Schleswig-Holstein gefördert werden als geplant: Nämlich 2.000 anstelle von 800. In diesem Jahr will die Landesregierung rund 1.900 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau fördern. Das reiche aber nicht - so Carsten Wendt vom Mieterbund in Kiel. Denn gleichzeitig verschwinden 3.500 bestehende Sozialwohnungen im Jahr - weil ihre Belegungsbindung ausläuft. Das gehe noch bis mindestens 2030 so.

Von bundesweit 2,6 Millionen Sozialwohnungen im Jahr 2000 sind heute noch 1,1 Millionen übrig. Die Folge: Immer mehr Menschen mit niedrigen Einkommen brauchen Mietzuschüsse vom Jobcenter oder Wohngeld. Ein Teufelskreis für Land und Bund. Immerhin ist man sich im Kieler Ministerium für Inneres dessen bewusst. Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) erklärt: "Die Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt sind erheblich. So erfreulich die aktuellen Förderzahlen auch sind, bieten sie keinen Anlass, sich darauf auszuruhen. Wir müssen und werden den Wohnungsbau im Land weiter unterstützen." Bis diese Maßnahmen in der Breite spürbar werden, dürfte es aber dauern.

Hausgemachtes Problem

Länder und Kommunen - haben zu dieser Entwicklung selbst beigetragen, findet Matthias Günther vom Pestel-Institut. Sie haben nämlich vor gut 20 Jahren große Teile ihrer baufälligen Sozialwohnungen verkauft.

"Das begann Ende der 1990er. Wir hatten sehr viele öffentliche Wohnungsbestände mit einem hohen Sanierungsstau. Und dann kamen eben Investoren mit so schönen Namen wie Cerberus und Fortress und haben den Eigentümern noch viel Geld dafür geboten, diese Wohnungen zu übernehmen. Und dann hat man eben diese Wohnungen verkauft", sagt Günther. Auch in Schleswig-Holstein.

Mangel an Sozialwohnungen hat Auswirkungen auf alle

Der Mangel an Sozialwohnungen hat für alle Mieter messbare Folgen - auch jene, die selbst gar keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. Denn jeder Euro Mietzuschuss erhöht künstlich das Preisniveau auf dem Mietmarkt. Der neuen Studie nach bedeutet das konkret: Die 20 Milliarden Euro an Mietzuschüssen im Jahr führen gerade in Ballungsräumen zu insgesamt höheren Preisen. Während nur 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben werden.

Erschreckend, findet Carsten Wendt vom Mieterbund in Kiel: "Weil es genau verkehrt herum ist. Wir bräuchten nicht so viel Förderung für die einzelnen Personen, wenn genug Wohnraum zur Verfügung stehen würde, weil die Mieten dann natürlich auch deutlich geringer wären." Hinzu kommt: Das Reallohnniveau hat sich bundesweit seit 2019 verringert und liegt mittlerweile wieder auf dem Stand von 2015. Die Nettokaltmieten, auch in Schleswig-Holstein, sind aber weiter angestiegen. Absolut gesehen geben Mieter mittlerweile also knapp 6 Prozent mehr von ihrem Geld für die Miete aus, als noch vor ein paar Jahren.

Es geht doch: Moderner sozialer Wohnungsbau in Norderstedt

Wie attraktiv und modern der Bau neuer Sozialwohnungen gehen kann, zeigt ein Pilotprojekt im Herzen von Norderstedt (Kreis Segeberg) seit Sommer 2023. Energieautark, in hybrider Bauweise aus Holz und neuartigem sogenanntem Geopolymer-Beton, der sich aus recycelten Rohstoffen und Nebenprodukten der Industrie zusammensetzt. 70 Sozialwohnungen sollen entstehen - allerdings: Sie alle sind schon vermietet, lange vor Fertigstellung oder Richtfest. Denn besonders am Rand der noch teureren Metropole Hamburg ist der Bedarf riesig.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 17.01.2024 | 08:30 Uhr

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