Forschungsprojekt: Wie St. Peter-Ordings Küste in Zukunft bestehen kann
Seit etwa drei Jahren läuft das Projekt "Sandküste St. Peter-Ording". Ziel ist es, Strand, Dünenlandschaft und Wald in Zeiten des Klimawandels und der zunehmenden Sturmfluten zu erhalten. Jetzt ist Halbzeit. Forscher der Universitäten aus Kiel und Braunschweig stellen erste Ergebnisse vor.
Das Meer kommt, jedes Jahr ein bisschen näher. Und der Strand geht, im Ortsteil Ording um bis zu acht Meter pro Jahr. Zu sehen ist das an den Pfahlbauten in St. Peter-Ording (Kreis Nordfriesland). Die Strandbar 54 Grad Nord am Ordinger Strand steht bei Flut regelmäßig im Wasser. Deshalb wird sie neu gebaut, deutlich weiter strandeinwärts. Ihr Vorgänger steht 245 Meter weiter draußen. Doch der Strand wird nicht überall schmaler, sagen die Forscher des Projekts "Sandküste St. Peter-Ording". Seit etwa drei Jahren untersuchen Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Technischen Universität (TU) Braunschweig den Strand von St. Peter Ording. Sie unterscheiden zwischen drei Abschnitten: Der Zentrale Abschnitt bei Ording schrumpft, aber die nördlichen und südlichen Abschnitte dehnen sich aus, sagt Clayton Soares von der CAU. "Der nördliche Teil wächst um 15 Meter und der südliche Teil breitet sich ebenfalls weiter aus in südliche Richtung."
Für ihre Berechnungen sammelten die Forscher an verschiedenen Stellen Sand und erstellten Computermodelle, um zu berechnen, wie sich der Sand bewegt. "Aber wenn der Meeresspiegel auch noch ansteigt, wir mehr Stürme bekommen, das würde die Berechnungen sehr kompliziert machen. Für uns ist es erst einmal wichtig, die Schlüsselprozesse zu verstehen, die auf den Strand einwirken", so Clayton Soares.
Zwischenfazit: Dünen schützen
Erstes Zwischenfazit der Forscher nach drei Jahren Forschung ist, dass die Dünenvegetation einen ausreichenden Schutz bietet, auch in der Zukunft. Strand und Hinterland sind vorerst noch sicher. Auch dank der Natur, erklären die drei Küstenforscher Oliver Lojek und Björn Mehrtens von der TU Braunschweig sowie Clayton Soares von der CAU. Das größere Problem sind im Moment die nichtheimischen Arten, deren Ausbreitung eingedämmt werden müsse. Inwiefern diese Maßnahmen aber ausreichen, wenn die Stürme noch stärker werden und der Meeresspiegel noch weiter ansteigt, lasse sich heute noch nicht berechnen.
Strandzugang ist Schwachstelle bei Sturmflut
Der Küsteningenieur Oliver Lojek von der TU Braunschweig steht am Strandzugang. Hinter ihm parken die Besucher ihre Fahrzeuge fast direkt am Strand. "Was den Küstenschutz betrifft, ist dieser Zugang das schwächste Profil der langen Dünenlandschaft", sagt er. Dort gibt es keine Vordünenlandschaft, sondern einen direkten Zugang zur Nordsee. Schön für die Besucher, aber auch eine Schwachstelle bei einer möglichen Sturmflut. Lojekt erklärt: "Der Zugang ist wie eine Schneise. Deshalb wäre es ein Gedanke, ob hier nicht eine aufgeständerte Seebrücke verlaufen könnte." Darunter könnte schützende Vegetation entstehen, meint er.
Die Rolle des Strandhafers
Der Bewuchs der Dünen spiele eine wichtige Rolle beim Hochwasserschutz, so Küsteningenieur Oliver Lojek von der TU Braunschweig. "Ein Aspekt sind dabei die Pflanzen, wie zum Beispiel der Strandhafer, der in den Dünen wächst. Der wurzelt sehr tief und hält dank der trassenförmigen Wurzelstruktur den Sand gut fest. Und damit wächst auch die Düne in die Höhe, sofern genug Sand vorhanden ist."
Seit 1949 wuchsen die Dünen in St. Peter-Ording nach Berechnungen der Forscher um bis zu elf Meter. "Für uns war erstmal wichtig, dass wir das Wachstum der Düne bemessen können. Um auch ein Schutzpotential abzuleiten", sagt Lojeks Kollege Björn Mehrtens. "Die Wellen können die Hauptdüne weniger angreifen", sagt er. "Der Strand allerdings ist sehr flach und es ist die große Frage, ob er genauso schnell wie der Meeresspiegel mitwachsen kann. Das kann man kaum prognostizieren."
Ausbreitung nichtheimischer Arten
Eingewanderte Pflanzenarten haben den Dünen auch geschadet. Einige Abschnitte sind zu stark bewachsen, eine natürliche Versandung findet dort nicht mehr statt. Zusätzlich haben sich Nadelgehölzer aus den umliegenden Wäldern in den Dünen ausgebreitet. Ein Problem ist längst auch die eingewanderte Moosbeere, besser bekannt als Cranberry. Auch das ursprünglich aus Neuseeland stammende Kaktusmoos hat sich großflächig auf den Sandflächen ausgebreitet. Seit 2013 rücken regelmäßig Arbeiter an, um die Dünen vom Fremdbewuchs zu befreien. Diese Arbeiten sollen auf weitere Dünengebiete ausgebreitet werden, damit möglichst viele offene Sandstellen entstehen. Dann hätte wiederum der für Dünen typische und einheimische Strandhafer mehr Platz - und mit dem Strandhafer würde die Düne wachsen.
Laubmischwald soll helfen
Die Kiefernwälder wurden von einem dänischen König gepflanzt, um die Felder dahinter vor dem Flugsand zu schützen. Die Kiefern sind aber nicht hitzebeständig, sagen die Forscher. Sie kommen mit den länger dauernden Hitzeperioden nicht zurecht. "Sie sterben dann ab und fallen um", sagt Oliver Lojek. Deshalb setzen die Forscher im Hinterland auf einen Laubmischwald, einen Klimawald. "Durch standortgerechte Baumartenwahl, höhere Baumartenvielfalt und genetische Vielfalt soll das Risiko großflächiger Schäden reduziert werden", heißt es im Zwischenbericht. "In einem derartigem Mischwald schaffen wir ein Mikroklima, das auf natürliche Art und Weise Bestand hat", hofft Oliver Lojek. Ziel muss es sein, in St. Peter Ording den jetzigen, standortuntypischen Nadelwald zu einem dünentypischen und zukunftsfähigen Eichen-Buchen-Mischwald umzuwandeln. "Das ist allerdings eine Generationenaufgabe und funktioniert nicht, wie bei Asterix und Obelix mit den Zaubereicheln", lacht Lojek.
Physikalische Modelle im Labor
Die Forscher schauen sich genau an, wie sie die Natur bestmöglich beim Hochwasserschutz unterstützen können. Dafür haben sie einen Dünenabschnitt im Labor an der TU Braunschweig nachgebaut. "Wir haben sehr viele physikalische Modelle durchgeführt in unserem Labor in Braunschweig und sie verschiedenen Sturmfluten ausgesetzt. Und wir haben geprüft, wie das System verstärkt werden kann, wenn es denn verstärkt werden müsste." Zum Beispiel mit einer Spundwand, die in die Dünenlandschaft versenkt werden könnte. "Wir können aber sagen, das ist hier alles noch sehr, sehr sicher." Und wenn der Meeresspiegel doch auf mehr als einen Meter ansteigt? "Dann müssen wir schon über Verstärkungen nachdenken. Aber es ist schwierig, beim Thema Dünenwachstum in die Zukunft zu schauen", gibt Björn Mehrtens zu.