FSG-Betriebsrat: "Die Auszubildenden sind die ärmsten Schweine"

Stand: 24.10.2024 10:31 Uhr

Gehälter fehlen, die Arbeit ruht, der Investor schweigt: Die Krise der FSG-Nobiskrug-Werftengruppe in Schleswig-Holstein spitzt sich zu. Der Betriebsrat macht deutlich, was das für Azubis bedeutet.

Die FSG-Nobiskrug-Werftengruppe mit Standorten in Flensburg und Rendsburg (Kreis Rendsburg-Eckernförde) ist in der Krise. Am Donnerstag (24.10.) haben sich 70 Beschäftigte vor den Toren der Nobiskrug-Werft in Rendsburg versammelt, laut Betriebsrat für einen Austausch. Nach Angaben des FSG-Betriebsrats ist der Lohn in den vergangenen zwei Jahren mindestens in 15 Monaten zu spät gekommen. Momentan stünden noch Gehälter aus dem September aus. Und 500 der verbliebenen rund 530 Arbeitskräfte sind freigestellt. Die Arbeit an beiden Standorten ruht. Wie es für die Beschäftigten weitergeht, ist ungewiss.

Madsen soll im Landtag Rede und Antwort stehen

Mehrere Politiker fordern deshalb einen Einstieg des Landes bei den Werften. Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) hat das am Dienstag zumindest vorläufig ausgeschlossen. Der SSW forderte daraufhin am Mittwoch, dass Madsen im Wirtschaftsausschuss des Landtags erklären solle, welche Perspektiven den Werften und ihren Angestellten noch blieben.

Wirtschaftsminister: Zuerst muss Windhorst verkaufen

Auf dem Gelände der FSG steht ein Schild mit "Seit 26 Tagen Lohn überfällig, Herr Windhorst". © NDR Foto: Jörn Zahlmann
Am FSG-Gelände in Flensburg warten die Mitarbeiter quasi öffentlich auf ihren Lohn.

Madsen selbst legte dem Eigentümer der Werftengruppe, Lars Windhorst, erneut einen Verkauf nahe. Dann könne man über neue Investoren sprechen und einen neuen Weg aufzeichnen, so der CDU-Politiker: "Und dann werden wir natürlich selbstverständlich als Land weiterhin unterstützen. Aber im Moment werden wir nicht in ein Werk einsteigen. Das ist nicht Sinn und Zweck vom Staat."

Kommt am Freitag Bewegung in die Sache?

Der Betriebsrat zeigt sich enttäuscht, dass die Politik Windhorst - der zu seinen Plänen derzeit schweigt - nicht schon längst unter Druck gesetzt hat. Am Freitagvormittag soll es ein Gespräch zwischen Betriebsrat, Gewerkschaft IG Metall und Madsen in Kiel geben.

33 Auszubildende in Flensburg und Rendsburg

Michael Nissen, stellvertretender FSG-Betriebsratsvorsitzender, nennt im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein Folgen der aktuellen Krise für die Beschäftigten - und erklärt, warum die 33 Auszubildenden in Flensburg und Rendsburg aus seiner Sicht "die ärmsten Schweine" sind.

Viele Beschäftigte warten seit September auf ihr Gehalt. Welche konkreten Konsequenzen hat das für die Betroffenen?

Michael Nissen: Die erste Konsequenz ist, dass dadurch, dass jetzt schon seit 26 Tagen kein Gehalt mehr geflossen ist, viele Konten überzogen sind - weil laufende Mieten abgehen, Kredite et cetera.

Michael Nissen, stellv. FSG-Betriebsratsvorsitzender. © NDR
Michael Nissen, stellvertretender FSG-Betriebsratsvorsitzender, arbeitet seit 46 Jahren im Betrieb.

Ganz hart trifft es natürlich unsere Auszubildenden. Das sind Kollegen, die mit ca. 1.100 Euro netto nach Hause gehen. Davon gehen dann die Miete - 500, 600 Euro - und die Lebenshaltungskosten von Essen, Trinken et cetera weg.

Das heißt, sie haben wirklich am Ende des Monats kein Geld mehr in der Tasche. Das sind die ärmsten Schweine. Die kommen bei uns rein und fragen, ob wir als Betriebsrat irgendwie helfen können. Und wir machen das: Wir zahlen aus eigener Tasche.

Das sind nicht viele Auszubildende, aber einige, wenn sie denn zu uns reinkommen. Wir greifen denen mit Geld unter die Arme, was sie uns dann zurückzahlen, wenn wieder Geld zurückkommt.

Mitarbeiter springen privat ein und es geht auch um die Existenz. Wie geht man mit der ganzen Wut um?

Nissen: Es ist schwer auszuhalten. Jeder nimmt das anders auf. Jeder nimmt das mit nach Hause, und dann werden dort auch diverse Gespräche geführt. Ich glaube, es kommt in dem einen oder anderen Haushalt auch mal zu ein bisschen Knatsch.

Die Auszubildenden kommen bei uns rein und fragen, ob wir als Betriebsrat irgendwie helfen können. Und wir machen das: Wir zahlen aus eigener Tasche. FSG-Betriebsrat Michael Nissen

Wir wissen ja alle: Wenn das Geld knapp wird, dann fängt es auch im Kopf an zu arbeiten. Das macht was mit jedem von uns.

Man ist sicherlich stolz auf so eine Traditionswerft. Auf der anderen Seite sehen Sie sich mit Chaos konfrontiert. Wie geht man damit als Betriebsrat um?

Nissen: Es ist sehr schwierig, damit umzugehen. Wir müssen damit umgehen. Ich selber bin jetzt schon seit 46 Jahren in diesem Betrieb tätig und habe schon zwei Insolvenzen mitgemacht. Und so wie die Sache aussieht, schlittern wir ja der dritten Insolvenz entgegen.

Und diese Insolvenz ist eine ganz andere Insolvenz als die beiden vorigen. Das schlägt dem Fass den Boden aus. Das sind wirklich ganz schlechte Gefühle, weil diese Situation, in der wir uns jetzt befinden, ist eine ganz andere wie in der Vergangenheit.

Das Gespräch führte Jörn Zahlmann, NDR Schleswig-Holstein.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 24.10.2024 | 09:00 Uhr

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