Brunsbüttel: Unternehmen lockt Azubis mit neuem WG-Haus
Pünktlich fertig zum Start in die Ausbildung: Nach neun Monaten Sanierung ziehen Ende Juli die ersten Auszubildenden der SCHRAMM group ins Azubi-Haus in Brunsbüttel ein. Ein ähnliches, erfolgreiches Angebot gibt es seit zwei Jahren in St. Peter-Ording.
"Cool, so habe ich mir das gar nicht vorgestellt", sagt Louis Ramao, der gerade im neuen Azubi-Haus seines zukünftigen Arbeitgebers in Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) angekommen ist. Unten im Erdgeschoss sitzen seine neuen Kollegen in einer Sofaecke, gleich neben der neuen, offenen Küche. Der junge Mann aus Plön will Schiffsmechaniker werden. Seit Januar hat er die Zusage für den Ausbildungsplatz bei der SCHRAMM Group, einem Logistik-Dienstleister in der Schifffahrt.
Jetzt steht er zum ersten Mal in seinem Zimmer im ersten Stock. Liegeplatz 9 steht draußen an der Tür. Er zieht eine Schublade seiner Kommode auf und wieder zu, lässt sich aufs Bett fallen. "Das ist ja echt super, super modern. Wirklich ein schöner erster Eindruck." Louis Ramao blickt voller Vorfreude auf seine Ausbildung, wie er sagt. Vor drei Jahren hatte er Abitur gemacht und einiges ausprobiert. Dann aber lernte er einen Ausbilder kennen, der sich mit der Schifffahrt auskennt. "Ich hatte vorher ein ganz anderes Bild, eher klischeehaft: raue See, alte Männer. Aber durch die Gespräche mit meinem Bekannten habe ich einen ganz anderen Einblick in diese Welt bekommen."
Denkmalgeschütztes Haus in neun Monaten umgebaut
Fünf Auszubildende zwischen 17 und 25 Jahre alt, vier Männer und eine Frau, sind in das neue Haus eingezogen. Vier Zimmer sind noch frei. Die SCHRAMM group hat das denkmalgeschützte Haus von der Stadt erworben und mehrere hunderttausend Euro investiert. Neun Monate habe die Sanierung des Hauses gedauert, berichtet der Bauleiter. Das Haus ist fast 100 Jahre alt. Es wurde Anfang des 20. Jahrhunderts für die Bauarbeiter des Nord-Ostsee-Kanals gebaut. Später wohnten dort vier Familien, zuletzt eine ältere Dame. Bis kurz vor dem Einzug haben die Mitarbeiter des Unternehmens noch Fernseher an die Wände montiert, Trockner installiert, Bilder aufgehängt. Die Zimmer sind 14 bis 28 Quadratmeter groß und kosten zwischen 220 und 280 Euro im Monat.
WG-Haus als Anreiz für neue Mitarbeiter
Der Personalleiter der Reedereisparte, Stefan Pohlmann, mischt sich unten im Erdgeschoss unter die Azubis, begrüßt jeden per Handschlag. Der Umgangston ist lässig, alle duzen sich. "Musst mal schauen, ich glaube, die Bilder hängen etwas schief", sagt er zu Louis, als der sein Zimmer bezieht. Der Personalleiter ist happy mit dem Feedback der Neuen. "Ich habe viele große Augen gesehen und glückliche Gesichter. Als ich mich vor längerer Zeit mit denjenigen unterhalten hatte, die von außerhalb kommen, aus Gießen, Hannover und München, die hatten gleich gesagt, dass sie hier gern ein Zimmer hätten", erzählt er. "Und wir merken, dass wir mit dem Haus neue Azubis viel besser generieren können." Insbesondere zukünftige Binnenschiffer und Schiffsmechaniker sind schwierig zu bekommen, wie er sagt. Die sind in der Regel zwei Wochen an Bord und dann zwei Wochen zu Hause. Schwierig, wenn der Wohnungsmarkt in Brunsbüttel nichts hergibt.
Ein Münchner in Brunsbüttel: "Wie ein Auslandsaufenthalt"
Jonathan Rasch hatte den weitesten Weg. Er kommt aus der Nähe von München und segelt gern, allerdings auf dem Mittelmeer. Schleswig-Holstein kennt er so gar nicht. "Ich bin sehr gespannt, wie die Schifffahrt hier oben ist, im Vergleich zum Mittelmeer. Und wie die Norddeutschen so drauf sind." Er sei ohne Erwartungen nach Brunsbüttel gekommen. "Ein schönes Fleckchen Erde", so sein erster Eindruck. Er hat in Bayern seine Freunde hinter sich gelassen, weiß, dass er sie jetzt länger nicht mehr sehen wird. "Ich vergleiche das mit einem Auslandsaufenthalt." Sein Zimmer in der Azubi-WG sieht er als Rückzugsort. Nebenan ist ein größeres Zimmer mit zwei bodentiefen Fenstern noch frei. Jonathan Rasch ist schnell angefixt und überlegt, ob er noch mal umziehen soll.
"Crew House" in St. Peter Ording: Neue Heimat für neue Mitarbeiter
Ein ähnliches Konzept wie hier gibt es rund 75 Kilometer weiter nördlich von Brunsbüttel, in St. Peter Ording. Dort haben sich vor zwei Jahren Hotel- und Restaurantbetreiber zusammengetan und das sogenannte Nordseekollektiv gegründet. Gemeinsam mieteten sie das Crew House für neue Mitarbeiter und Azubis an, 16 Appartements für 16 Mitarbeiter, denn auch in St. Peter Ording ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Ein echtes Problem sei das gewesen, sagt die Direktorin des Hotels "Zweite Heimat", Helga Herbers: "Wenn sie einen guten Bewerber haben, aber keine Wohnung, habe ich kaum eine Chance. Aber mit dem Crew House ist es wesentlich leichter." Die Zimmer kosten zwischen 400 und 460 Euro.
"Niemand sitzt allein im kleinen Kämmerlein"
Das Fazit nach zwei Jahren fällt positiv aus. Für die Betriebe sei das Haus eine "super Lösung", bei der jeder Beteiligte ein eigenes Kontingent an möblierten Zimmern hat. Der Vorteil für die neuen Mitarbeiter, Ferienjobber und Auszubildende liegt auf der Hand: "Die 'Neuen' finden schnell Anschluss, da sitzt niemand allein im kleinen Kämmerlein", sagt Herbers. Die Bewohner bleiben im Schnitt mehrere Monate und suchen sich in dieser Zeit etwas eigenes. "Die meisten von ihnen stehen am Anfang ihres Berufslebens. Sie kommen von überall her und haben erst einmal nur einen Koffer dabei."
Brunsbüttel: Zweites Haus für neue Fachkräfte in Arbeit
Die SCHRAMM group hat nach dem denkmalgeschützten Haus für die Azubis ein weiteres Gebäude erworben. Bauarbeiter sind gerade dabei, es komplett zu sanieren. Auch dort sollen Wohnungen für neue Mitarbeiter entstehen. Für die neuen Azubis in Brunsbüttel wird es am nächsten Morgen ernst. Um 8 Uhr müssen alle in der Unternehmenszentrale nahe der Brunsbüttler Schleuse sein.