Start des Ausbildungsjahres: Wie der Berufseinstieg gelingen kann
Blaumann statt Bio-Buch, Kittel statt Klassenarbeit: Auch in Schleswig-Holstein startet am 1. August der neue Azubi-Jahrgang. Die ersten drei Monate sind laut Handelskammer für viele Berufsanfänger die schwierigsten.
"Lehrjahre sind keine Herrenjahre" oder "Aller Anfang ist schwer" - diese und andere Plattitüden dürften viele Auszubildende in den kommenden Wochen häufiger hören. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit Schleswig-Holstein beginnen nach aktuellem Stand in diesem Sommer rund 9.200 junge Menschen ihre Ausbildung in einem Betrieb. Sie auch zu halten ist nun die Aufgabe für die Unternehmen. Denn nicht immer verläuft der Ausbildungsstart so reibungslos, wie es sich beide Seiten wünschen.
Auszubildende fehlen in allen Branchen
Mehr als 7.300 Ausbildungsstellen konnten die Betriebe bislang nicht besetzen. Für die Schulabgängerinnen und -abgänger ein komfortabler Zustand, sagte ein Sprecher der Agentur für Arbeit NDR Schleswig-Holstein. Sie hätten eine große Auswahl an Ausbildungsstellen und mehr als 300 unterschiedlichen Ausbildungsberufen.
Doch die Betriebe finden vielfach keinen Nachwuchs. "Früher waren ja vor allem eher Gastronomie und Logistik betroffen, nun haben wir auch den Handel dabei und eigentlich jede andere Branche auch", berichtet Sebastian Grothkopp, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung. Neben dem demografischen Wandel macht er auch die fehlende Berufsorientierung in den Corona-Jahren dafür verantwortlich. Ähnlich sieht die Azubi-Situation auch im Handwerk aus, berichten die Handwerkskammern im Land.
Ausbildungsbetriebe stellen sich um
Die schwierige Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat laut IHK und Handwerkskammer zu einem Umdenken in den Betrieben geführt. "Der Obstkorb und der Wasserspender im Betrieb reichen nicht mehr aus, um Beschäftigte und Bewerber zu begeistern", so Sebastian Grothkopp von der IHK zu Lübeck. Daher würden manche Firmen zum Beispiel mit einer Ausbildung in Teilzeit locken oder indem sie besondere Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen anbieten, die im späteren Berufsleben wertvoll sein können - beispielsweise die Zusatzqualifikation "Bartender" im Gastronomiebereich.
Unternehmen stellen sich auf junge Menschen ein
Sowohl die IHK als auch die Handwerkskammer bieten den Unternehmen im Land ihre Unterstützung in Ausbildungsfragen an. Sogenannte Soft Skills, also die Sozialkompetenz in den Betrieben, sei wichtiger denn je. "Die jungen Auszubildenden möchten wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Klassische Hierarchien sind nicht mehr en vogue", so die IHK.
Die Handwerkskammer beobachtet zudem, dass die Firmen beim Thema Freizeit flexibler werden, sich also mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Auszubildenden einstellen. Außerdem würden Ansprechpartner im Unternehmen für bestimmte Anliegen klar benannt, es gebe häufiger Verantwortliche, die sich um die Auszubildenden kümmern. Und in vielen Betrieben unterstützen die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen den Nachwuchs beim Lernen für die Berufsschule, so die Handwerkskammer Lübeck.
Ausbildungsabbrüche: Die ersten drei Monate sind entscheidend
Nicht alle, die eine Berufsausbildung beginnen, halten sie auch bis zum Ende durch. "Die ersten drei Monate sind die kritische Phase", heißt es von der Handwerkskammer. Hintergrund sei, dass sich der Tagesablauf für die Auszubildenden nach der langen Schulzeit komplett umstelle. Für manche fühle es sich so an, als würden sie nur noch arbeiten und schlafen. Betriebe sollten deshalb klar machen, dass diese Phase vorbeigehe. Die Kammer biete zudem die Veranstaltungsreihe "Willkommen im Handwerk an", bei der die jungen Auszubildenden Hilfe bekommen sollen für den Start in das Berufsleben. Die IHK rät zudem, vor einem Ausbildungsabbruch mit dem jeweiligen Unternehmen das Gespräch zu suchen und Dinge offen anzusprechen. Auch die Ausbildungsberater der IHK könnten in solchen Fällen unterstützen.
Falsche Vorstellungen vom Job führen zu Abbrüchen
Viele Berufsanfänger hätten zudem falsche Vorstellungen vom neuen Job, so die Handwerkskammer. Das könne zu Frust führen. Sie rät deshalb dringend zu Praktika oder dem neuen "Freiwilligen Handwerksjahr", das sie vor wenigen Wochen ins Leben gerufen hat. Hier könnten junge Leute innerhalb eines Jahres in vier Betriebe hineinschnuppern, um sich anschließend für ihren Wunschberuf zu entscheiden. Dafür bekommen sie eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 450 Euro. In den ersten zwei Wochen nach dem Start hätten sich allein im Bezirk der Handwerkskammer Lübeck 100 Betriebe und 50 Interessenten gemeldet, die mitmachen wollen.