Bahn-Streik: Wie viel Lokführer in SH verdienen
Durch den Streik der GDL sind auch in Schleswig-Holstein von Donnerstag- bis Freitagabend kaum Züge gefahren. Den Eisenbahnern geht es um ein sattes Lohnplus und verbesserte Arbeitsbedingungen. Wie wichtig das ist, berichten zwei Lokführer.
Im vergangenen Jahr zog Thorsten Adler die Reißleine: Statt im Wechsel in der Früh-, Mittel- oder Spätschicht zu arbeiten, bat der 59-jährige Lokführer darum, nur noch ab dem frühen Mittag zu fahren. Zudem reduzierte er seine Arbeitszeit von 39 auf 35 Stunden. "Der jahrzehntelange Schichtdienst hat an meiner Gesundheit gezehrt", erzählt Adler. "Ich litt an schweren Schlafstörungen, war ständig müde."
25 Berufsjahre - 3.700 Euro brutto
Seine Gesundheit- sie war dem Eisenbahner einiges Wert: Mit seinen gut 25 Berufsjahren käme Adler auf einen Grundlohn von knapp 3.700 Euro brutto monatlich. Durch die Arbeitszeitverkürzung liegt er nun bei etwa 3.400 Euro. Außerdem fällt ein guter Teil der Schichtzulagen weg, weil er nun tagsüber arbeitet und nicht mehr abends oder nachts. Früher brachten die ihm noch einmal 250 bis 400 Euro brutto monatlich ein. "Zum Glück hat sich die GDL aber stets für höhere Grundlöhne eingesetzt, sodass man die Schichtzulagen nicht zum Überleben braucht", meint Adler.
Der 59-Jährige ist selbst Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und Ortsgruppenvorsitzender bei der AKN. Für das Unternehmen fährt er Züge von Kaltenkirchen (Kreis Segeberg) nach Neumünster, Elmshorn (Kreis Pinneberg), Norderstedt (Kreis Segeberg) und Burgwedel. Adler gehört zu den Eisenbahnern, die durch ihren Streik seit Donnerstagabend auch in Schleswig-Holstein den Zugverkehr weitgehend lahmlegen. "Wir wollen den Beruf aufwerten, der leider total unattraktiv geworden ist", sagt Thorsten Adler, der in Neumünster und damit 35 Kilometer von seinem Dienstort entfernt wohnt. Um die Frühschicht um 3.10 Uhr beginnen zu können, stand er früher also immer vor zwei Uhr auf.
Mehr Geld - und Freizeit
Harald Ketelhöhn ist stellvertretender Vorsitzender des GDL-Bezirks Nord. Ihm zufolge erhalten Lokführer und Lokführerinnen im Personenverkehr zurzeit ein Einstiegsgehalt von knapp 3150 Euro brutto - zumindest, wenn sie Mitglied der GDL sind. "In einigen Bahnunternehmen gilt neben unserem Tarifwerk auch das der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG", erklärt er. Beschäftigte müssten sich entscheiden - und gegenüber ihrem Arbeitgeber auch beweisen, dass sie Mitglied bei der jeweiligen Gewerkschaft sind. Allein bei der Deutschen Bahn und ihren Tochterunternehmen gelte das sogenannte Tarifeinheitsgesetz, sagt Ketelhöhn. Damit gelte mal der EVG- und mal der GDL-Tarif für alle Beschäftigten, letzteres sei in Schleswig-Holstein bei der DB Regio der Fall.
Das Plus von 455 Euro, das die GDL für ihre Beschäftigten fordert, würde Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen jedenfalls gleich in eine Gehaltsregion befördern, in der Thorsten Adler nach 25 Berufsjahren ist. Die Lohnstruktur kennt sieben Stufen, alle fünf Jahre geht es für Beschäftigte eine hinauf. Daneben will die GDL die Arbeitsbedingungen verbessern, durch eine schrittweise Absenkung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 35 Stunden sowie dadurch, dass nur noch maximal fünf Schichten aufeinander folgen dürfen - und dann garantiert zwei Tage frei sind.
3.800 Euro als Lokführer und Ausbilder
Für Helge Holm ist das der Hauptgrund, weshalb er voll hinter dem Streik steht: "Es kommt einfach oft vor, dass man nach fünf oder sechs Schichten nur einen Tag frei hat", erzählt der 51-Jährige, der in Schönberg bei Kiel lebt. "Den braucht man dann zur Regeneration. Zeit für Freunde oder für Vereinsarbeit und für die Familie bleibt damit kaum." Der Vater bedauert vor allem, zu wenig Zeit mit seinem mittlerweile 13-jährigen Sohn verbracht zu haben. Auf mehr als die 16 freien Wochenenden pro Jahr, die die GDL in der Vergangenheit erstritten habe, komme er nicht. Auch GDL-Funktionär Harald Ketelhöhn sagt, dass Lokführer und Lokführerinnen im Personenverkehr häufig fast genauso viele Stunden am Wochenende wie innerhalb der Woche fahren.
Holm arbeitet als Lokführer für die DB Regio in Schleswig-Holstein und fährt zum Beispiel die Züge zwischen Kiel und Hamburg. Er hat noch bei der Deutschen Bundesbahn gelernt und arbeitet seit 1994 in Schleswig-Holstein. "Ich habe das ganze Drama miterlebt", meint Holm und erzählt von zahlreichen Einsparungen nach der Privatisierung der Bahn 1994. Als Ausbilder nimmt er oft Lehrlinge auf seinen Fahrten mit und erhält dafür insgesamt ein Grundgehalt von rund 3.800 Euro brutto.
Reine Wirtschaftlichkeit?
Holm ist ebenfalls GDL-Ortsgruppenvorsitzender und das in Kiel. Ihm geht es bei dem Streik ebenfalls mehr um die Arbeitsbedingungen als ums Geld, auch wenn die Inflation bei ihm natürlich zugeschlagen habe. "Richtig gepackt hat mich aber erst die 48-Stunden-frei-Forderung", erzählt Holm, der 39 Stunden in der Woche arbeitet. Auf die Frage, wann seine Schichten beginnen, antwortet er: "Wir fahren wild." Was das heißt, macht er an einer Beispielwoche deutlich, in der er mal um 2.50 Uhr, mal um 3.41 Uhr und mal um 5.07 Uhr starten musste. "Die Schichten werden nicht mehr von Menschen, sondern vom Computer geplant - und der scheint nicht auf Schlafqualität, sondern allein auf Wirtschaftlichkeit zu achten", so Holm.
Zuletzt hatte er zwei Hörstürze, seitdem leidet er an einem Tinnitus. Auch für ihn müssen sich dringend die Arbeitsbedingungen verbessern - allerdings in der Branche insgesamt: "Wir haben ja nicht nur keine Lokführer mehr, sondern es fehlt uns auch an Schaffnern im Zug, an Schlossern in der Werkstatt und an Fahrdienstleitern im Stellwerk." Das, sagt Holm, sollte zu denken geben.