Auf der Fähre mit Habeck: "Die Stimmung war aufgeheizt"
Hunderte Bauern blockierten vergangenen Donnerstag am Hafen von Schlüttsiel das Anlegen einer Fähre, auf der Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) war. Eine Familie, die mit an Bord war, berichtet von der aufgebrachten Situation.
"Die Stimmung war sehr aufgeheizt, und keiner wusste, was passieren wird" - so beschreibt eine Frau die Lage, als ihre Fähre am Donnerstag in Schlüttsiel (Kreis Nordfriesland) anlegen wollte. Mehrere Hundert wütende Landwirte blockierten an dem Abend den Fähranleger - denn an Bord befand sich auch Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Der Grünen-Politiker war zuvor privat auf Hallig Hooge und am Abend auf dem Weg nach Hause, als ihn rund 250 bis 300 Personen am Hafen daran hinderten, die Fähre zu verlassen. Als etwa 25 bis 30 Menschen versucht haben, an Bord der Fähre zu gelangen, kam es laut Polizei zu einem Handgemenge mit den Beamten.
Familie mit an Bord: "Wir waren und sind entsetzt"
Mit auf dem Schiff war auch eine Familie mit zwei Kindern und dessen 80-jähriger Großvater. Im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur erzählt die Mutter von der Situation an Bord der Fähre. Zum Schutz will die Familie ihren Namen nicht öffentlich nennen. Schon während des Anlegens hatten sie versucht, möglichst weit hinten an Deck zu bleiben, um die Kinder zu schützen. "Die Kinder haben richtig Angst bekommen, und es war wirklich unheimlich", erzählt die Frau. Die Stimmung sei nach ihren Angaben aufgebracht gewesen, in Richtung Habeck riefen die Demonstranten: "Komm' raus du Feigling". Auf einem Schild sei ein aufgemalter Galgen zu sehen gewesen.
Als die Fähre dann anlegte, konnte sich die Familie mit ihrem Gepäck langsam durch die Menschenmenge drücken. Laut der Mutter hatten die Demonstranten außerdem "nichts Besseres zu tun, als auch auf die verängstigten Kinder einzubrüllen". Nach einiger Zeit konnten sie endlich auf den bewachten Parkplatz gelangen. Wie die Familie erzählt, seien auf der Fähre viele weitere Fahrgäste gewesen, darunter eine Trauergesellschaft mit mehreren Senioren sowie weitere Kinder. Die Situation sei extrem bedrohlich und feindselig gewesen. "Protestieren ja, aber das war kaum auszuhalten", so der Vater der Familie. Das Schiffspersonal hätte auf die Situation hingegen sehr umsichtig und professionell reagiert.
Fähre muss mit Habeck umkehren - Politiker sind entsetzt
Robert Habeck selbst musste aus Sicherheitsgründen auf der Fähre bleiben und zurück nach Hallig Hooge umkehren. Ein Gesprächsangebot mit einigen der Landwirte lehnten die Demonstrierenden ab. Wie die Flensburger Polizei mitteilte, erreichte der Vizekanzler erst in der Nacht sein Zuhause, nachdem die Fähre nach einer Extrafahrt erneut in Schlüttsiel anlegen konnte. Politiker aus ganz Deutschland verurteilten den Vorfall. "So ein Gebaren hat in Schleswig-Holstein nichts zu suchen", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Auch Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, distanzierte sich am Freitag von der Aktion in Schlüttsiel.
Die Polizei erstattete wegen der massiven Proteste Anzeige gegen Unbekannt wegen Landfriedensbruchs. Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat nach eigenen Angaben ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Nötigung gegen Unbekannt eingeleitet.
Montag gehen Bauernproteste weiter
Aktuell protestieren Landwirte bundesweit wegen des geplanten Abbaus von Subventionen. Am Donnerstag gab es ein Entgegenkommen seitens der Bundesregierung: Die Koalition will auf die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichten. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll gestreckt und in mehreren Schritten vollzogen werden. Der Deutsche Bauernverband hält die Maßnahmen jedoch für unzureichend - und hält an einer ab Montag geplanten Aktionswoche fest.