Air Defender 2023: "Zufrieden mit dem ersten Tag"
Die größte Übung der Luftwaffe mit anderen NATO-Staaten ist am Montag reibungslos angelaufen. Es ist nach Angaben der Bundeswehr die größte Übung dieser Art seit Bestehen der NATO mit Tausenden Soldatinnen und Soldaten aus 25 Nationen.
Nach Tag eins der bislang größten Luftwaffenübung in der Geschichte der Militärallianz NATO hat sich Jörg Schroeder, Kommodore des Luftwaffengeschwaders in Jagel und Hohn, zufrieden geäußert. Allein von den beiden schleswig-holsteinischen Fliegerhorsten aus seien 50 Maschinen im Einsatz gewesen. Insgesamt gab es laut Luftwaffe dort 120 Starts. Bis zum Abend seien alle Maschinen wieder gelandet. "Alle Ziele, die wir uns für die heutigen Manöver gesetzt haben, konnten wir erreichen. Wir sind sehr zufrieden mit dem ersten Tag", sagte Schroeder im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein.
Fototermine in der Luft
Die Übung Air Defender 2023 begann am Montagmorgen. Um 9 Uhr starteten die ersten Flugzeuge in Hohn (Kreis Rendsburg-Eckernförde), knapp anderthalb Stunden später stiegen in Jagel (Kreis Schleswig-Flensburg) Kampfjets der Typen A10, F16 und Tornado in den Himmel auf, um sich auf den Weg Richtung Ostdeutschland zu machen. Dort standen unter anderem Fototermine in der Luft auf dem Programm.
Später wurde es taktischer: "Heute morgen konnten zunächst Nationen, die unsere Lufträume in der vergangenen Woche noch nicht kennenlernen konnten, ihre Gewöhnungsflüge durchführen", erklärte Kommodore Schroeder am Montag.
Kampjets mit simulierter Bewaffnung unterwegs
Die Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern funktioniere hervorragend, die Stimmung sei gut, so Schroeder. "Die Nachmittagsflüge heute sind geprägt von taktischen Verfahren. Das reicht von Luftkampfmanövern bis zu taktischen Bodeneinsatzverfahren." Die Kampfjets fliegen zwar ohne scharfe Waffen, dafür aber teilweise mit simulierter Bewaffnung. "Damit können wir wie mit Realwaffen Simulationsverschüsse durchführen und im Nachhinein analysieren, ob die angewandte Taktik erfolgreich war", sagt Schroeder.
Eine Auftaktveranstaltung gab es am Montagmittag auch auf dem Militärflugplatz Wunstorf bei Hannover, der als Logistik-Drehkreuz für das Manöver dient - mit dabei waren der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, und der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, sowie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). In Wunstorf landeten und starteten am Montag mehrere Maschinen, darunter deutsche A400M und eine amerikanische Transportmaschine. Auch ein rumänisches Flugzeug ist in Wunstorf stationiert.
250 Flugzeuge bei Air Defender 23 im Einsatz
In den kommenden zwei Wochen fliegen täglich jeweils 40 bis 80 Kampfjets in mehreren Übungsgebieten. 10.000 Soldatinnen und Soldaten trainieren bis zum 23. Juni unter der Führung der deutschen Luftwaffe. Die Intensität der Übungen soll laut Luftwaffe in den kommenden Tagen schrittweise steigen. "Es gibt innerhalb der unterschiedlichen Truppen immer verschiedene Erfahrungsgrade. Da gilt es, jüngere Damen und Herren, die vielleicht noch keine jahrzehntelange Erfahrung haben, mit in so eine Übung zu integrieren. An Tag 1 und Tag 2 lernen wir also auch Stärken und Schwächen des Personals kennen", so Kommodore Schroeder. Insgesamt sind 25 Nationen mit 250 Flugzeugen an der Übung beteiligt, 70 Militärmaschinen kommen davon aus Deutschland.
Karte: Das sind die Übungsgebiete
Insgesamt gibt es für das Manöver drei Übungsgebiete. Über großen Teilen Ostdeutschlands befindet sich der "Übungsraum Ost". Hier gilt immer montags bis freitags von 10 bis 14 Uhr ein Flugverbot für zivile Maschinen. Das einzige Tieffluggebiet für die Übung befindet sich über Mecklenburg-Vorpommern und Teilen Brandenburgs. Es erstreckt sich östlich von Rostock und Parchim bis nach Wolgast, im Norden bis zum Hafen Mukran und südlich bis Neustrelitz. Hier könnten auch Betankungsmanöver in der Luft vom Boden aus zu sehen sein. Über bewohnten Gebieten werde laut Bundeswehr aber grundsätzlich ein Abstand zum Boden von 150 Metern eingehalten. Nachmittags sind die Flugzeuge dann in einem Streifen über Süddeutschland unterwegs. Über weiten Teilen Schleswig-Holsteins wird ebenfalls ein Übungsluftraum eingerichtet, der für den zivilen Flugverkehr in bestimmten Flughöhen zwischen 16 und 20 Uhr gesperrt werden wird.
Flughäfen Hamburg, Sylt und Kiel von Auswirkungen betroffen
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) erwartete im Vorfeld "große Auswirkungen auf die zivile Luftfahrt". Da für das Militär große Lufträume reserviert werden, steht dem zivilen Flugverkehr weniger Raum zur Verfügung. Der Hamburger Flughafen vermeldete am Montag zahlreiche Flugverspätungen und bat Passagiere darum, den Status ihrer Flüge im Auge zu behalten. In Hamburg können Flugzeuge während der Übung bis 1 Uhr landen, denn zivile Maschinen müssen zum Teil Umwege fliegen, was zu Verspätungen im Flugplan führen kann. Vorhersagen über Verzögerungen im Flughafen seien nicht möglich, teilt der Airport. Die Fluglotsengewerkschaft GdF geht in den kommenden Tagen von massiven Einschränkungen aus. Die Bundeswehr rechnet dagegen nur mit geringen Beeinträchtigungen. "Das wird sich maximal im Minutenbereich bewegen", sagte der Inspekteur der Deutschen Luftwaffe, Ingo Gerhartz, in der vergangenen Woche zu möglichen Verspätungen von Flügen. Zudem laufe die Übung vor den Schulferien und der großen Urlaubsreisewelle. In Schleswig-Holstein sind unter anderem die Flughäfen Sylt und Kiel betroffen, sie liegen genau im Übungskorridor. Der Hauptstadtflughafen BER vermeldete am Montag keine Behinderungen durch Air Defender 23.
Kritik von der Linken und Friedensinitiativen
Kritik an der Militärübung gab es von der Partei Die Linke. Die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Ali Al-Dailami, sprach von Machtdemonstration und einem falschen Signal. Vor dem niedersächsischen Militärflugplatz Wunstorf demonstrierten laut Polizei am Sonnabend rund 300 Menschen unter dem Motto "Frieden üben - statt Krieg. Aufgerufen zu dem Protest hatten mehrere Friedensinitiativen. Die Teilnehmenden sprachen sich für diplomatische Lösungen und einen Waffenstillstand im Krieg in der Ukraine aus. Am Mittwoch ist in Jagel eine Mahnwache geplant.
Militärexperte Sebastian Bruns vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel hat Verständnis dafür, dass die Übung einigen Menschen auch Sorgen bereitet: "Seit Ende des Kalten Krieges haben wir gehofft, dass wir das Militär abschaffen. Oder es zumindest soweit reduzieren, weil der allgemeine Frieden ausgebrochen ist. Dem ist nicht so. Und, dass wir uns jetzt wieder an solche Manöver gewöhnen müssen, ja, das sorgt für Schreckmomente oder beim ein oder anderen auch für Angst. Das verstehe ich sehr gut."
Bundeswehr betont: Es geht nur um Verteidigung
Die Bundeswehr und ihre Partner weisen immer wieder auf die defensive Ausrichtung der Übung hin, dennoch wollen die Luftstreitkräfte auch ein Zeichen der Stärke setzen. Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz sagte am Montag im ZDF-Morgenmagazin: "Das wesentliche Signal ist, dass wir in der Lage sind, uns zu verteidigen". Die Übung sei zudem ein Signal an die Nato-Nationen und die dazu gehörigen Bevölkerungen, "dass wir in der Lage sind, sehr schnell zu reagieren". US-Botschafterin Amy Gutmann sagte in der vergangenen Woche bei einer Pressekonferenz mit Gerhartz: "Es würde mich sehr wundern, wenn irgendein Staatsoberhaupt der Welt nicht zur Kenntnis nehmen würde, was dies in Bezug auf den Geist dieses Bündnisses, das heißt die Stärke dieses Bündnisses, zeigt."
Dutzende Planespotter vor dem Flughafengelände
Vor dem Fliegerhorst in Jagel hatten sich am Montag auch mehrere Dutzend sogenannter Planespotter aus dem gesamten Bundesgebiet mit teilweise riesigen Foto-Objektiven auf die Lauer gelegt. Sie verfoltgen und dokumentierten die Starts der verschiedenen Kampfjets. Einer dieser Planespotter ist Nico Fanke aus Berlin, der sich mit zwei Kollegen auf den Weg nach Schleswig-Holstein machte: "Wir sind direkt von der Arbeit knapp vier Stunden hergefahren. Heute Abend geht es dann wieder zurück. In dieser Woche werden wir auch noch mal nach Hohn fahren", erzählte er.