Abi mit 0,7: Hate Speech im Netz gegen Dalyan aus Oesede
Hasskommentare und Ausländerfeindlichkeit erlebt der Abiturient Dalyan Unland aus Oesede (Landkreis Osnabrück) aktuell im Internet. Und das alles wegen seiner Herkunft. Der 18-Jährige will sich wehren.
Eigentlich läuft es gerade sehr gut für Dalyan Unland: Er hat sein Abitur in der Tasche, noch dazu mit einem Notenschnitt von 0,7. Als Nächstes geht es für Dalyan auf Europareise und dann als Au-Pair nach Frankreich. Der NDR, aber auch andere Medien hatten darüber berichtet. Alles super also, wären da nicht all die Kommentare im Internet.
Hasskommentare aufgrund von Dalyans Herkunft
Denn nach der Berichterstattung über Dalyans Abi-Note gibt es in den sozialen Medien nicht nur Zuspruch und Gratulationen, sondern auch Hasskommentare. Und die richten sich gegen seine Herkunft. Dalyan hat nämlich türkische Wurzeln. Seine Großeltern kamen als Einwanderer nach Deutschland, doch schon seine Mutter ist in Deutschland geboren. Er selbst hat ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Autoren der Kommentare im Internet interessiert das aber nicht. Für sie ist und bleibt Dalyan ein Ausländer.
Kommentare für Dalyan nicht nachvollziehbar
"Im ersten Moment war das total schockierend für mich. Ich war auch ein bisschen sprachlos", erzählt Dalyan, nachdem er die Kommentare im Internet gesehen hat. "Das hat etwas in mir provoziert, würde ich sagen, und mich zum Nachdenken gebracht. In die Richtung, dass ich mich frage, was geht in den Köpfen der Leute vor, dass sie mir das absprechen oder sagen, das gehört nicht zu mir? Was ist der Grund dafür?"
Hate Speech oft politisch motiviert
"Viele Hasskommentare sind politisch motiviert, das belegen Zahlen des Bundeskriminalamtes", erklärt Josephine Ballon. Sie ist Geschäftsführerin von Hate Aid, einer gemeinnützigen Organisation für Menschenrechte im Netz. "Das heißt, da gibt es Personen mit bestimmten Interessen. Die wollen zum Beispiel Stimmung machen gegen Menschen, die vielleicht nicht ursprünglich aus Deutschland kommen." Das sei sogar eine politische Taktik, die genutzt wird, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Denn besonders Hasskommentare bekommen online sehr viele Reaktionen und Likes, so Ballon. Die Algorithmen der sozialen Netzwerke seien so eingestellt, dass sie diese Kommentare dann erst recht prominent ausspielen. Das könne den Eindruck erwecken, als seien fremdenfeindliche Meinungen in der Mehrheit, auch wenn das eigentlich nicht der Fall ist.
Dalyan: Wir pauschalisieren viel zu schnell
Dalyan will sich dagegen wehren und dafür sorgen, dass seine Geschichte nicht instrumentalisiert wird. Er sieht sich selbst nicht etwa als Opfer, sondern will seine aktuelle Lage nutzen, um an seine Mitmenschen zu appellieren. "Es ist ein Wahnsinn, dass man die Information, dass meine Mutter Tochter türkischer Migranten ist, so benutzt. Dass man sich an so einem Detail festhält, zeigt für mich, dass wir schnell pauschalisieren und ein schlechtes Klima in unserer Gesellschaft haben." Einige der Kommentare gegen Dalyan schätzt Josephine Ballon von Hate Aid auch dementsprechend ein: "Bei so einem Kommentar muss man sich fragen, ob der nicht auch strafrechtlich relevant ist. Er ist in jedem Fall beleidigend, wenn nicht schon volksverhetzend." Auch deshalb hat Dalyan sich entschieden den Fall der Polizei zu melden und Strafanzeige zu stellen.
Einsatz gegen Rechtsextremismus
Erneut an die Öffentlichkeit zu gehen, da gehört eine ordentliche Portion Mut dazu, denn damit macht Dalyan sich ganz bewusst noch einmal zur Zielscheibe. Der 18-Jährige hat sich aber schon früher gegen rechtes Gedankengut starkgemacht, unter anderem erst zu Beginn dieses Jahres eine Demo gegen Rechtsextremismus mit organisiert. Auf diesen Hass will Dalyan aufmerksam machen. Sein Ziel sei es, die Menschen zum Umdenken zu bewegen und andere nicht so schnell in Schubladen zu stecken: "Ich finde, eine pluralistische, bunte Gesellschaft in Deutschland ist eine echte Bereicherung. Und das heißt, wir dürfen Menschen nicht allein auf ihre Herkunft reduzieren."