Hetze im Internet: Mehr Anzeigen wegen Hasskriminalität
Hass im Netz wird in Niedersachsen immer häufiger angezeigt. Laut Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet (ZHIN) in Göttingen sind 2023 doppelt so viele Fälle eingegangen wie im Vorjahr.
Demnach wurden im vergangenen Jahr mehr als 2.500 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Davon kamen fast 1.500 über die Meldeplattform "hassanzeigen.de", wie die Behörde mitteilte. Für das Team der Zentralstelle bedeutet das mehr Arbeit - und doch findet es Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue gut. Aus seiner Sicht stehen die Zahlen dafür, dass sich mehr Menschen die Mühe machen, Hass im Netz anzuzeigen. "Unsere Linie ist, dass wir diese Kommentare mit Nachdruck verfolgen. Wir versuchen auch, die Grenzen der Rechtsprechung auszuloten und schauen, dass wir notfalls Rechtsmittel einlegen, um festzustellen, ob ein bestimmter Kommentar strafbar ist oder nicht", sagte Laue dem NDR Niedersachsen.
Oberstaatsanwalt sieht soziale Netzwerke in der Verantwortung
Der Bundestag habe in der Vergangenheit Gesetze angepasst, die es einfacher machen, juristisch gegen Hasskriminalität vorzugehen, so Laue. Der Landtaghat mehr Stellen ermöglicht. Seit 2024 sind sie in Göttingen ein Team von insgesamt zehn Juristen und Juristinnen und Informatikern. Laut Laue gibt es aber auch noch Luft nach oben. Etwa bei der Mitwirkung mancher sozialer Netzwerke, Tatverdächtige aus ihrer Anonymität herauszuholen, wie er sagt. Dabei könne auch die politisch umstrittene Vorratsdatenspeicherung weiterhelfen.
Transparenz für Erstatter der Anzeige
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft habe sich auch vorgenommen, jedem Erstatter einer Anzeige gegenüber transparent zu machen, wie der Fortgang ist: Wurde der Täter bestraft oder das Verfahren eingestellt? Im Jahr 2023 sind nach Angaben der Behörde etwa 272 der mehr als 2.500 Ermittlungsverfahren mit einem Strafbefehl geendet. Laut Oberstaatsanwalt Laue sind etwa 80 Prozent der Verfahren politisch motiviert. Überwiegend würden sie aus dem rechtsextremen Spektrum stammen. "Aber Hass kann aus allen Richtungen kommen und jeden treffen", so Laue. Er verweist auf Konzepte, wie Userinnen und User Hassbotschaften im Netz begegnen können.
Stadt Braunschweig bringt Hasskommentare zur Anzeige
Adrian Foitzik und sein Team von der Kommunikationsabteilung der Stadt Braunschweig haben es selbst erlebt. Im November ging es um ein Posting bei Instagram, wie Foitzik dem NDR Niedersachsen sagte. Das Jugendamt habe darin dringend Pflegefamilien gesucht - für Jugendliche, die allein in Deutschland sind und aus arabischen Ländern stammen. Es folgten unterstützende Kommentare, aber auch mehr als 100 hasserfüllte, wie Foitzik beschreibt. 20 bis 30 habe er zur Anzeige gebracht: "Da wurde unterstellt, dass diese Jugendlichen kriminell sind. Es war eine systematische Herabwürdigung dieser Menschen, die man noch gar nicht kennt."
Die Gegenstrategie: Kommunikation positiv wenden
Das Team veröffentlichte daraufhin einen neuen Post: Kommentare ja - aber herablassend und entwürdigend über andere Menschen sprechen, das gehe nicht. Braunschweig sei eine weltoffene Stadt. Dieser Post bekam mehr als 1.800 Likes. Der Hass war in diesem Fall verstummt.