Kriminalstatistik: Cannabis-Teillegalisierung wirkt sich deutlich aus
2024 ist die Zahl der Straftaten in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahr gesunken - unter anderem durch die Teillegalisiserung von Cannabis. Das Innenministerium bewertet die Entwicklung nicht nur positiv.
Am Donnerstag hat Innenministerin Daniela Behrens (SPD) die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2024 vorgestellt. "Das Kriminalitätsgeschehen in Niedersachsen geht zurück, die Aufklärungsquote steigt", fasste die Innenministerin zusammen. Niedersachsen sei ein sicheres Land. Nach Angaben des Innenministerium nahmen die registrierten Straftaten 2024 im Vergleich zu 2023 um rund 4,3 Prozent ab - von 553.202 (2023) auf 529.264 (2024). Gleichzeitig habe die Aufklärungsquote der Straftaten leicht zugenommen und lag 2024 bei 62,77 Prozent. Zum Vergleich: 2023 waren es 62,51 Prozent. Rückgänge verzeichnete das Innenministerium unter anderem bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Diebstahls- sowie Vermögens- und Fälschungsdelikten. Ein Rückgang wurde auch bei sogenannten strafrechtlichen Nebengesetzen festgestellt, zu denen auch Rauschgiftdelikte gehören. Dort habe sich die Teillegalisierung von Cannabis "deutlich auf die Entwicklung der Fallzahlen ausgewirkt", so das Innenministerium in einer Mitteilung.
Ministerium: Bedarf an Cannabis gestiegen
Die Zahl der Rauschgiftdelikte ist 2024 laut Innenministerium um rund 38 Prozent im Vergleich zu 2023 gesunken. Bei polizeilich bekannten Straftaten im Zusammenhang mit dem Umgang von Cannabis habe es einen deutlichen Rückgang von mehr als 50 Prozent gegeben. Diese Entwicklung sei aber nicht nur positiv zu bewerten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass mit der Teillegalisierung der Bedarf an Cannabis gewachsen sei und dieser weder durch Eigenanbau noch Anbau-Vereinigungen gedeckt werden könne. "Es ist deshalb naheliegend, dass die Beschaffung zu einem großen Teil weiterhin auf dem illegalen Markt erfolgt", so das Ministerium. Einblicke in diesen illegalen beziehungsweise organisierten Cannabis-Handel zu erlangen sei aber nach der Teillegalisierung schwerer geworden. "Die Cannabis-Gesetzgebung erweist sich in der Praxis, wie zu befürchten war, in mehrerlei Hinsicht als wenig praktikabel", so Behrens. Sie erwarte vom Bund, "dass die angekündigte Evaluation vor diesem Hintergrund ernsthaft betrieben wird und dass die Erfahrungen in der Praxis auch tatsächlich in eine Anpassung der Rechtslage münden."
Weiter steigende Zahlen bei häuslicher Gewalt
Auch wenn die Straftaten in Niedersachsen insgesamt rückläufig seien, "sehen wir uns mit einem Anstieg der Gewaltkriminalität konfrontiert, den wir entschieden bekämpfen", sagte Behrens. Die Polizei registrierte beispielsweise für das vergangene Jahr insgesamt 32.545 Fälle von häuslicher Gewalt. Das bedeute eine Zunahme von knapp neun Prozent im Vergleich zu 2023. Hauptursache ist laut Innenministerium die Entwicklung bei einfachen Körperverletzungen und Bedrohungen. In Niedersachsen wurden demnach von der Polizei 19.521 Körperverletzungen registriert - 3.220 davon waren gefährliche und schwere Körperverletzungen. Zudem seien 9 vollendete und 14 versuchte Morde, sowie 20 vollendete und 40 versuchte Totschlagsdelikte im Bereich der häuslichen Gewalt festgestellt worden, so das Innenministerium. Im Jahr zuvor wurden von der Polizei 32 Mord- und 50 Totschlagsdelikte registriert.
18 Tote durch Messerangriffe
Die Zahl der Messerangriffe stagnierte 2024 laut Kriminalstatistik nahezu auf hohem Niveau. Die Zahlen stiegen im Vergleich zu 2023 um 0,23 Prozent leicht an - von 3.048 (2023) auf 3.055 (2024) Fälle. Fast die Hälfte der Delikte waren Bedrohungen. Vergangenes Jahr endeten 18 Messerangriffe tödlich, 11 Taten davon zählen zur häuslichen Gewalt. 2023 hatten 10 Messerangriffe tödlich geendet. "Die Zahl der Messerangriffe ist weiterhin auf einem deutlich zu hohen Niveau", sagte Behrens. Prävention bleibe essentiell: "Mit Waffenverbotszonen, gezielten Maßnahmen und Forschungskapazitäten setzen wir alles daran, Messerangriffe einzudämmen."
Verbreitung von Kinderpornografie rückläufig
Während bei der Verbreitung von Jugendpornografie 2024 ein Anstieg um rund 6 Prozent zu verzeichnen war, nahm die Verbreitung von Kinderpornografie ab. Kinderpornografische Delikte sanken laut Innenministerium im vergangenen Jahr um rund 9 Prozent - von 6.855 (2023) auf 5.574 (2024) Fälle. Den größten Einfluss auf die niedersächsischen Fallzahlen hätten die Meldungen des amerikanischen National Centers for Missing and Exploited Children (NCMEC), die die niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden über das Bundeskriminalamt erreichen, so das Innenministerium.
Weniger Straftaten junger Menschen
Ebenfalls rückläufig mit einem Rückgang von rund 10 Prozent war 2024 die Kriminalität durch junge Menschen. Die nach der Coronapandemie jährlich verzeichneten Anstiege würden sich nicht fortsetzen, so das Innenministerium. Rückgänge der Taten seien besonders bei den "jugendtypischen Delikten" Diebstahl und Sachbeschädigung zu erkennen. Das sei nach der Teillegalisiserung von Cannabis auch bei Rauschgiftdelikten der Fall. Markante Rückgänge seien ebenfalls bei den Raubdelikten zu beobachten. Einen Anstieg hätten die Behörden allerdings bei Rohheitsdelikten festgestellt, insbesondere bei Körperverletzungsdelikten, heißt es weiter - auch wenn sich der ansteigende Trend im Vergleich zu den Vorjahren abschwäche. "Die Kinder- und Jugendkriminalität bleibt ein dynamisches Phänomen", so Innenministerin Behrens. Prävention und frühe Intervention seien entscheidend, um junge Menschen vor kriminellen Karrieren zu bewahren und die Gesellschaft nachhaltig zu schützen.
Bock: Polizei muss Messerangreifer wirksam stoppen können
Im Anschluss an die Vorstellung der Kriminalstatistik meldete sich die CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag zu Wort. "Der leichte Rückgang der polizeilich registrierten Straftaten täuscht über das wahre Ausmaß der Kriminalität in Niedersachsen hinweg", sagte André Bock, innenpolitischer Sprecher der Fraktion. Wer mit einer verfehlten Drogenpolitik wie dem Cannabisgesetz die Fallzahlen nach unten manipuliere und damit die Statistik fälsche, der könne sich dafür nicht loben. Auch bei der Messerkriminalität gebe es keine Entspannung. Die Polizei müsse in die Lage versetzt werden, Messerangreifer wirksam stoppen zu können. "Hier steht die Innenministerin permanent auf der Bremse", so Bock. Auch der konsequente Ausbau der Videoüberwachung unter Einsatz künstlicher Intelligenz könne helfen, die Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum einzudämmen. "Wir brauchen dazu endlich die rechtlichen Grundlagen im Polizeirecht."
