Eine Frau in hohen Schuhen steht vor einem Mann, der die Hände vor dem Kof zusammenschlägt und auf dem Boden sitzt. © picture alliance / photothek | Ute Grabowsky Foto: Ute Grabowsky

Schutzhaus Oldenburg: Wenn Männer Opfer häuslicher Gewalt werden

Stand: 19.11.2024 16:24 Uhr

Wenn Männer Opfer häuslicher Gewalt werden, gibt es wenig Schutzräume für sie - dabei ist der Bedarf durchaus vorhanden. Die Männerwohnhilfe Oldenburg ist das einzige Männerschutzhaus in Niedersachsen.

von Viktoria Koenigs

Die Einrichtung umfasst eine Wohnung mit drei Zimmern, eine Küche und ein Wohnzimmer. Zwei Männer oder ein Vater mit Kindern können hier unterkommen. Die Zimmer standen seit der Gründung vor über 20 Jahren noch nie leer. An die Wohnhilfe wenden sich Männer aller Altersgruppen und Bildungsschichten. "In der Regel kommen sie zu uns, wenn die Situation zu Hause nicht mehr aushaltbar erscheint", sagt Wolfgang Rosenthal, Gründungsmitglied der Männerwohnhilfe.

Jeder Zweite Mann Opfer von häuslicher Gewalt

Jeder zweite Mann ist Opfer von häuslicher Gewalt. Das hat Anfang des Jahres eine repräsentative Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen ergeben. Dennoch gibt es bundesweit nur neun Schutzhäuser für Männer, die Zuflucht aus solchen Lebensumständen suchen. Die Männerwohnhilfe ist eine von diesen.

Männerwohnhilfe Oldenburg: Hilfe zu einem stabilen Leben

Um einen Platz zu bekommen, müssen sich die Männer telefonisch bei der Männerwohnhilfe melden. Ist ein Platz frei, finde ein Aufnahmegespräch statt. Die Arbeit der Männerwohnhilfe bestehe dann darin, die Männer zu unterstützen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, zu stabilisieren und Gewalt vorzubeugen. Drei Monate dürfen sie in der Wohnung leben, in der Zeit müssen sie jede Woche ein persönliches Gespräch führen, alles andere sei freiwillig. "Viele Betroffene wenden sich in der Zeit auch an unsere Beratungsstelle 'MännerSache'", sagt Rosenthal. Ansonsten leben die Betroffenen ihr normales Leben weiter.

Männer verdrängen ihre Erfahrungen als Opfer von Gewalt

Ein Mann lehnt sich gegen ein Fenster im Gegenlicht. © IMAGO / photothek Foto: Ute Grabowsky / photothek
Viele Männer würden ihre Opfer-Erfahrungen verdrängen. Was für die Berater in der Männerwohnhilfe Gewalt ist, nennen die Betroffenen oft nur "normale Lebenszumutungen".

Im Schutzhaus überkomme die Männer oft Dankbarkeit und Erleichterung. "Sie erleben ganz selten, dass sie in ihren sozialen Bezügen ernst genommen und gehört werden. Das fängt schon damit an, dass sie als Kind zu hören bekommen 'stell dich nicht so an, du bist doch ein Mann'", sagt Rosenthal. Solche Rollenbilder seien es auch, die sie davon abhalten, Hilfe zu suchen. Oft verdrängten Männer zudem ihre Opfer-Erfahrung. Meist sprächen die Betroffenen nicht von Gewalt, sondern von "normalen Lebenszumutungen. Taten bei denen wir als Berater sagen, dass definitiv Gewalt stattgefunden hat", so Rosenthal.

Viele Betroffene, wenig Schutzhäuser

Das Interesse an einem Platz in dem Schutzhaus sei groß. Jeden Hilfesuchenden könne die Wohnhilfe jedoch nicht aufnehmen. Deswegen sei es für die Wohnhilfe ein besonderes Anliegen, dass es mehr Angebote dieser Art gebe. Wenn sich ein Mann hilfesuchend meldet, die Wohnung aber voll ist, rufe dieser selten ein zweites Mal an. "Viele schalten dann in den Modus 'ich halte das weiter aus'", sagt Rosenthal.

Spenden finanzieren Männerwohnhilfe Oldenburg

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Seit drei Jahren nimmt die Männerwohnhilfe immer wieder Kontakt auf mit dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Ihr Ziel: finanzielle Unterstützung vom Land Niedersachsen und mehr Schutzhäuser. Das Ministerium hat auf NDR Anfrage bislang keine Stellung dazu genommen. Aktuell finanziert sich die Männerwohnhilfe von Spenden, eine halbe Stelle trage die Stadt Oldenburg. Pro Woche zahlen die Bewohner auch eine Miete von rund 60 Euro. Bei Bedürftigen übernehme das Jobcenter die Kosten. In anderen Bundesländern wie Bayern oder Sachsen werden Schutzhäuser jedoch auch vom Land gefördert.

Mehr Empathie gegen toxische Männlichkeit

Für die Zukunft wünscht sich Rosenthal: "Empathie für die Männer - und dass die gesellschaftlichen Erwartungen an Männer zurückgenommen werden." Es sei ein strukturelles Problem, was die Gesellschaft von Männern erwartet. Daraus resultiere toxische Männlichkeit und: Männer führen diverse traurige Statistiken an. Ob Verkehrsunfälle, Kriminalität oder Süchte. Fast 94 Prozent aller Menschen, die in Deutschland im Gefängnis sitzen, sind Männer. Die Lebenserwartung bei Männern liegt mit 70,5 Jahren weltweit durchschnittlich etwa fünf Jahre unter der von Frauen (75,9 Jahre). Außerdem werden in Deutschland etwa 73 Prozent aller Suizide von Männern begangen.

Männertag am 19. November: Benachteiligung von Männern

Am 19. November ist der internationale Tag der Männer statt. An dem Aktionstag soll auf die Benachteiligung von Männern und bestehende Rollenbilder aufmerksam gemacht werden - Klischees des Mannes als "starkes Geschlecht", das keine Gefühle zeigen dürfe, sollen problematisiert werden. Seit 1999 findet der Tag weltweit jedes Jahr statt.

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