"Air Defender 2023": Wunstorf zieht Bilanz zur Großübung
Militärisch erfolgreich und kaum Probleme für Anwohner - dieses Fazit ziehen Luftwaffe und Kommunalpolitiker in Wunstorf zur Großübung "Air Defender 2023". Doch das Manöver hat nicht alle Kritiker überzeugt.
Die größte Luftwaffenübung der NATO-Staaten seit Bestehen des Militärbündnisses geht am Freitag zu Ende. Zwölf Tage lang haben 25 Staaten, fast alle Mitglieder der NATO, an sechs Standorten in Deutschland den Ernstfall geprobt: Den Angriff einer feindlichen Militärallianz - im Übungsszenario "Occasus" genannt. Auf dem Fliegerhorst Wunstorf (Region Hannover) fällt die erste Bilanz zu "Air Defender 2023" auf militärischer Seite betont positiv aus: "Diese Übung ist für uns in jeder Beziehung ein echter Gewinn gewesen", sagte Oberst Christian John, der das in Wunstorf stationierte Lufttransportgeschwader 62 (LTG-62) leitet, bei einem Pressetermin am Mittwoch.
Deutschlands Transportmaschinen mussten zusammenrücken
Der Fliegerhorst Wunstorf ist zum Transportstützpunkt von "Air Defender" geworden. Denn beim LTG-62 ist Deutschlands A400M-Flotte beheimatet. Die Transportflugzeuge der Luftwaffe mussten für die Großübung zusammenrücken: Bereits seit Beginn des Monats hatten US-amerikanische Maschinen Material und Personal aus verschiedenen US-Militärbasen nach Wunstorf gebracht - das von dort aus auf die anderen Standorte verteilt wurde.
Schwerpunkt auf Fallschirmübungen und Luftbetankung
Der Großteil des Materials für die Übung - mehr als 800 Tonnen - habe den Fliegerhorst bei Hannover passiert, sagte John am Mittwoch - darunter mehr als 100 Kampfflugzeuge. Während der Übungszeit seien die Maschinen dann zu verschiedenen Manövern gestartet, darunter Fallschirmtrainings. Auch die Betankung von Kampfjets in der Luft sei geprobt worden.
Rücktransport in die USA binnen einer Woche
Am Mittwoch war am Himmel über Wunstorf noch nichts von einem Ende der Übung zu merken. Im Minutentakt landeten am frühen Nachmittag Transportmaschinen aus Deutschland, den USA und Rumänien auf dem Fliegerhorst. Am Boden warteten speziell ausgerüstete Tankflugzeuge der Luftwaffe, bei denen die Schläuche für die Luftbetankung gewartet wurden. In den nächsten Tagen treffen dann große US-Transportmaschinen vom Typ C-17 ein, die Mensch und Material binnen einer Woche zurück jenseits des Atlantiks transportieren.
Karte: Die Übungsräume bei "Air Defender 2023"
Bürgermeister: Positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung
Auch für die Menschen in Wunstorf neigen sich zwei aufreibende Wochen dem Ende entgegen. Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) berichtete am Mittwoch, die Rückmeldungen aus der Bevölkerung seien sehr positiv gewesen. Es habe zwar mehr Flugverkehr gegeben als unter normalen Umständen. Es habe aber nur eine Beschwerde aus dem Ort gegeben. "Wir können ein bisschen stolz darauf sein, dass Wunstorf mit diesem Fliegerhorst einen wichtigen Beitrag zu unserer nationalen Sicherheit und auch zur Sicherheit unserer Partner aus den anderen NATO-Staaten leistet", sagte Piellusch. Auch eine Gruppe von Politikerinnen und Politikern aus der Region waren am Mittwoch vor Ort und informierten sich über die Übung.
Kaum Einschränkungen am Flughafen Hannover
Im Vorfeld der Übung hatte die Deutsche Flugsicherung größere Einschränkungen in der zivilen Luftfahrt befürchtet. Doch die Planungen der Luftwaffe, die Übungen im Norden zu großen Teilen über Nord- und Ostsee abzuhalten, scheinen aufgegangen zu sein: Zumindest am Flughafen Hannover waren laut einer Sprecherin keine bedeutsamen Auswirkungen auf den Flugbetrieb zu spüren. Es habe in der vergangenen Woche Verspätungen von wenigen Minuten am Flughafen gegeben. Ob die auf das Luftwaffenmanöver zurückzuführen sind, sei im Einzelfall aber nicht eindeutig zu klären.
Friedensinitiative kritisiert "Eskalationsspirale"
Die Großübung hat aber auch Kritiker auf den Plan gerufen. Am Wochenende vor dem Start hatten mehr als 300 Menschen vor dem Fliegerhorst gegen Militarisierung und für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg protestiert. Für Gerhard Biederbeck von der Friedensinitiative Neustadt/Wunstorf hat die Übung "einen Beitrag zur gegenseitigen Eskalationsspirale" zwischen Russland und der NATO geleistet. Russland habe die Eskalation begonnen, doch nun müsse alles getan werden, um einen Krieg in Europa zu verhindern. Die Friedensinitiative fordert eine diplomatische Offensive unter Führung der UNO.
Ein Signal an Russland?
Die Militärs aus Deutschland und den USA wollten die Übung nicht als explizites Zeichen an Russland verstanden wissen. Tatsächlich war "Air Defender" bereits seit 2018 vorbereitet worden - allerdings damals schon mit Blick auf die russische Annexion der Krim. Es gehe bei dem Manöver darum, dass Deutschland und seine Partnerländer schnell und reibungslos miteinander agieren könnten, unterstrich John, der Leiter des LTG-62, am Mittwoch. Wie Russland auf die Militärübung reagiert, bleibt abzuwarten.