Weniger Geflüchtete: Kommunen beklagen dennoch angespannte Lage
Die Länderchefs haben zusammen mit Kanzler Scholz darüber beraten, ob und wie die bisherigen Beschlüsse zur Migration wirken. Die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen sehen Nachbesserungsbedarf.
Stand heute kommen weniger Asylsuchende nach Deutschland und damit auch nach Niedersachsen. Laut den Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind in Niedersachsen in diesem Januar 2.480 Erstanträge für Asyl gestellt worden. Im Januar des vergangenen Jahres waren es 3.400. Damit seien die Zugangszahlen zwar leicht rückläufig, trotzdem bleibe die Flüchtlingssituation angespannt und für die Kommunen herausfordernd, sagte Stephan Meyn vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund vor der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK).
Die größten Probleme: Fehlender Wohnraum und zu wenig Integration
Es ist Meyn zwar nicht bekannt, dass Kommunen auf Turnhallen zurückgreifen müssten, aber ohne Container und Zelte gehe es nicht, um die Asylsuchenden unterzubringen. Ähnlich angespannt sei die Lage beim Angebot von Integrationskursen und bei Kita- und Schulplätzen. Bei den Integrationskursen gebe es lange Wartezeiten, und Kitaplätze seien wegen des Fachkräftemangels auch schon ohne Asylsuchende knapp und die Betreuungszeiten eingeschränkt, sagte Meyn. Und das sehen auch der Niedersächsische Städtetag und der Niedersächsische Landkreistag so.
Weil: Obergrenzen wecken "völlig überzogene Erwartungen"
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte mit Blick auf die Einigungen auf EU-Ebene und den anstehenden Neuerungen auf Bundesebene - wie dem Gesetz zur Beschleunigung der Asylgerichtsverfahren - dass ein "grundlegender Kurswechsel in der Asyl- und Flüchtlingspolitik" gelungen sei. "Allerdings müssen wir realistisch bleiben: Manche Maßnahmen wirken sofort, andere werden sich erst nach und nach niederschlagen - auch in den Zugangszahlen", sagte Weil nach dem Treffen zwischen Bund und Ländern. "Wenn jetzt punktuell laut über Obergrenzen nachgedacht wird, werden völlig überzogene Erwartungen geweckt." Man könne nicht innerhalb weniger Monate zu deutlich niedrigeren Zugangszahlen kommen.
Lage für minderjährige Geflüchtete besonders dramatisch
Was die Unterbringung und Betreuung angeht, komme das System an seine Grenzen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages Hubert Meyer. "Unsere Standards werden der Situation dieser jungen Menschen nicht gerecht. Wenn sich nichts bewegt, droht ein irreparabler Schaden für das System der Inobhutnahme", so Meyer.
Beschlüsse zur Migrationspolitik wirken noch nicht
Die Kommunalverbände können noch keine Folgen der Beschlüsse in der Flüchtlingspolitik erkennen, die auf der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang November gefasst worden waren. Allerdings sei die Zeit auch noch zu kurz, als dass sie sich spürbar hätten auswirken können, räumt Stefan Wittkopf vom Niedersächsischen Städtetag ein. Bei der Bezahlkarte für Asylbewerber läuft gerade die Ausschreibung und das Gesetz, das die Rückführungen abgelehnter Asylbewerber beschleunigen soll, ist erst vor kurzem in Kraft getreten. Fortschritte dagegen kann das niedersächsische Justizministerium verbuchen: Viele Asylverfahren aus "Altbeständen" seien abgearbeitet worden, und die Dauer der Asylklageverfahren habe sich - auch durch zusätzliche Richterstellen - um durchschnittlich sechs Monate beschleunigt, heißt es aus dem Ministerium.
Kommunalverbände fordern verlässliche Finanzhilfen vom Bund
Dringenden Handlungsbedarf sehen die drei kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens weiterhin bei der Regelung der Flüchtlingskosten. Laut dem MPK-Beschluss vom 6. November vergangenen Jahres habe sich der Bund zwar bereit erklärt, 1,5 Milliarden Euro für 2024 zu zahlen, was für Niedersachsen 115 Millionen Euro ausmacht. Aber eine verlässliche und ausreichende Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten über dieses Jahr hinaus gebe es nach wie vor nicht, kritisiert Stefan Wittkop vom Niedersächsischen Städtetag.
CDU-Fraktion wirft SPD und Grünen mangelndes Interesse vor
Mit neuen Beschlüssen zu den Flüchtlingskosten war auf der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch nicht zu rechnen. Genauso wenig wie zu den Problemen der Kommunen, die Flüchtlinge mit Wohnraum, Kita- und Schulplätzen und Integrationskursen zu versorgen. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Sebastian Lechner, warf SPD und Grünen eine "Verweigerungshaltung" vor. Es brauche weitere Einstufungen sicherer Herkunftsstaaten und eine ernsthafte Prüfung mit dem Ziel, dass Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden. Das Bund-Länder-Treffen habe "erneut gezeigt, dass das Thema Flüchtlingspolitik von der Bundesregierung immer noch nicht ernstgenommen wird", so Lechner. "Viele der auf den Konferenzen im Jahr 2023 beschlossenen Maßnahmen sind immer noch nicht auf Bundesebene und in Niedersachsen umgesetzt."