Landtag: AfD-Politiker Wichmann wirft Medien "Fantasierereien" vor
Am Mittwoch ist der Niedersächsische Landtag zur ersten Plenarwoche im neuen Jahr zusammengekommen. Ein Thema des Tages: die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus der vergangenen Wochen.
Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) eröffnete die Sitzung um 9 Uhr mit schwer wiegenden Worten. "Es geht ein Aufschrei durch unser Land", sagte Naber. Ein Aufschrei, ausgelöst durch das Bekanntwerden des Treffens in Potsdam, bei dem sich ein "antidemokratisches, rassistisches Netzwerk" getroffen habe , "um in beschönigender Sprache und in technischen Begriffen über nichts anders als Massendeportation und die Vertreibung von Millionen von Menschen zu fantasieren", so Naber. "Die bizarren Fantasien von Potsdam erinnern fatal an die dunkelsten Stunden unserer Geschichte." Niedersachsens Landtagspräsidentin rief dazu auf, "mit aller Vehemenz für unsere Demokratie und den liberalen Rechtsstaat" zu kämpfen.
AfD attackiert Demos gegen Rechtsextremismus
Die Rede Nabers war ein Vorgriff auf das, was in der Aktuellen Stunde wenig später folgen sollte. Die AfD-Fraktion hatte einen Antrag mit dem Titel "Linker Empörungstsunami gegen die Demokratie" eingebracht. Klaus Wichmann, Parlamentarischer Geschäftsführer, legte wie ein Orkan los. "Ich muss mich verabschieden von der alten Bundesrepublik", sagte Wichmann und attackierte umgehend den SPD-Abgeordneten Wiard Siebels. "Von dem Land, in dem es noch Grundformen von Anstand gab, Herr Siebels, ein Mindestmaß an Niveau und Redlichkeit."
"Empörungstsunami", "Hexenjagd", "Verleumdung"
Er warf Siebels vor, die AfD zu verleumden. "Madagaskar-Plan, Wannseekonferenz, Deportationen, massenhafte Entziehung der Staatsbürgerschaft: alles Behauptungen und Fantasiereien der linken Schreiber - nichts davon belegt. Aber Sie setzen darauf einen Empörungstsunami. Ihre Verleumdungen sind nichts anderes als eine zeitgemäße Fassung einer Hexenjagd." Und dann: "Die Leute wenden sich in erster Linie von Ihnen ab, weil Sie politische Versager sind." Wichmann sagte, dass die Menschen nicht gegen Rechtsextremismus auf die Straße gingen, sondern gegen die AfD, die von den etablierten Parteien als rechtsextrem geframed sei. Die AfD sei nicht rechtsextrem, so Wichmann.
Wichmann setzt Abschiebepolitik mit "Remigration" gleich
Dann versuchte Wichmann, den Begriff "Remigration" - das Unwort des Jahres 2023 - alltagstauglich zu machen. Er bezog sich auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), CDU-Chef Friedrich März und dessen Generalsekretär Carsten Linnemann und sagte, dass es sich bei der Abschiebepolitik der Bundesregierung sehr wohl um "Remigration" handele. "Sie kapern Begriffe, pfropfen eine verleumderische Bedeutung drauf, und posaunen das Produkt durch die Ihnen begeistert folgenden Medien. Sie sind jeden Beleg dafür schuldig geblieben, es handele sich um einen Begriff, der irgendwie kontaminiert sei", sagte Wichmann.
SPD, Grüne und CDU stellen sich gegen AfD
Heftige Gegenrede gab es von SPD, Grünen und CDU. Der von Wichmann attackierte Siebels sagte: "Niemand marschiert gegen Andersdenkende, sondern gegen Faschisten." Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erinnerte daran, dass Gerichte eine Vielzahl von AfD-Landesverbänden und seit dieser Woche die Jugendorganisation "Junge Alternative" als "gesichert rechtsextrem" eingestuft hätten.
Tonne sieht "Axt an unsere Demokratie" gelegt
SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne warf der AfD vor, "die Axt an unsere Demokratie" zu legen. "Das Auftreten ihrer Mitglieder ist oft menschenverachtend. Mit hanebüchenen Verschwörungstheorien wird nun versucht, die Welle an Demokratie-Bekundungen und für ein buntes Land zu verleumden", so Tonne. Anne Kura, Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagte über die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus: "Wir erleben gerade die größte und breiteste Bewegung in der Geschichte der Bundesrepublik. Völkisches Denken hat in unserer Demokratie keinen Platz."
Lechner: AfD "in weiten Teilen rechtsextrem"
CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner sagte, man müsse Demokratiefeinde in die Schranken weisen. Neben den Demonstrationen sei vor allem der Widerspruch im Alltag gegen rechtsextremistisches Gedankengut und Antisemitismus wichtig, so Lechner. Man müsse auch Widerspruch im Parlament leisten. "Herr Wichmann, ich widerspreche Ihnen. Es gibt einen großen Unterschied zwischen der rechtsstaatlichen Durchsetzung von Ausreisepflichten und einer 'Remigration'. Dass Sie eben versucht haben, das hier umzudeuten, zeigt schon den ganzen Geist, auf dem Sie hier im Parlament unterwegs sind", sagte der CDU-Fraktionschef. "Sie sind eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei."
"Maybebop" spielt im Foyer "Sei laut"
Zurück zu der Eingangsansprache von Landtagspräsidentin Naber. "Wir alle in diesem Haus, als gewählte, den demokratischen Grundsätzen unserer Verfassung und dem Gemeinwohl verpflichtete Abgeordnete, sind in besonderer und vielfältiger Weise gefordert, für unsere Demokratie einzutreten", hatte sie am Morgen gesagt - und für die Mittagspause in die Portikushalle eingeladen. Dort spielte die A-capella-Band "Maybebop" im Rahmen einer Ausstellung gegen Rechtsextremismus ihren Song "Sei laut". Ein Großteil der Abgeordneten und viele Gäste schauten sich den Mini-Gig an. Ein Großteil.